märz 2000

Didi Neidhart
gehört

Über WordSound, Wolfgang Fadi Dorninger und Alice Coltrane

SPECTRE The End

WordSound

Willkommen zum »Apocalypso« aus Schizo-HipHop und klaustrophobischem Paranoia-Dub! Diesmal legt sich also WordSound-Label-Chef und Formwandler Skiz Fernando Jr. als The Ill Saint bzw. Spectre gleich mit der ganzen Millenniumschose an und lässt in unglaublich komplexen Manifesten wie »Kaos Is An Always Will Be« und »Kali Yuga (Age Of Destruction)« Metal-Gitarren, gespenstische Klassikstreicher und schwindsüchtige Voodoo-Break Beats roh aufeinanderprallen. Unterstützung erhält er dabei von einschlägig bekannten Rappern wie Sensational, Mr. Dead, God Albino oder Sebastian Laws, die sich unüberhörbar als des Wahnsinns fette Beute am wohlsten fühlen. Armaggeddon-Sick-Hop, der ohne ärztliche/psychiatrische Aufsicht unter keinen Umständen nur mittels Kopfhörer konsumiert werden sollte. Sind doch die auf »The End« vorgeführten Stereoeffekte probateste Mittel, um einem das Hirn sowie sämtliche Sinne gehörigst aus dem Gleichgewicht zu bringen.

VARIOUS ARTISTS

Prayers From Hell

White Gospel & Sinners Blues 1927 - 1940 Trikont/Hoanzl

Als vor ein paar Jahren Harry Smith's legendäre 1952 er »Anthology Of American Folk Music« wiederaufgelegt wurde, waren der Schock und die Faszination, die diese archaische Musik aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer noch bewirken konnte, nur schwer in Worte zu fassen. Aber immerhin waren auch schon Künstler wie Bob Dylan oder Nick Cave davor auf die Knie gesunken. Mit »Prayers From Hell« gibt es nun einen verschärften Nachschlag voller White Trash-Gottesfurcht, Paranoia, Depression sowie Alkoholismus und Delinquenz. Musik aus dem unheimlichen Süden der USA, dessen Legenden und Mythen als gänsehauterzeugende Mörderballaden, Spirituals und Katastrophensongs zum besten gegeben werden. Motto: »Whiskey and glass all together where mixing with blood where they lay« (Dixon Brothers: »But I didn't Hear Nobody Pray«). Da helfen nur noch herumdelirierende Wanderprediger, die selbstgebrannten Moonshine-Fusel auch wieder in Wasser zurückverwandeln können, oder der schlichte Zweckoptimismus einer Beichtstuhl-Ballade wie »He Will Be Your Savior Too«.

WOLFGANG FADI DORNINGER

Asten

Base/Mego

1999 hieß das Thema des oberösterreichische Festivals der Regionen »Randzonen«. In dessem Rahmen fand auch das Projekt »Resocycling« statt, für das der Linzer Electronic-Pionier Fadi Dorninger (Wipe Out) einen Kompositionsauftrag über die nahe Linz gelegene Gemeinde Asten unddessen geographischen Rand erhielt. Das Stück wurde während des Projekts dreimal aufgeführt und liegt nun mit superschönem Booklet auch als CD vor. Wobei die Ergebnisse von Dorningers Klangforschungen vor Ort (Autobahn, Donaukraftwerk, Kläranlage, Westbahn, Aulandschaften, Neubauten) ein unverkrampftes, überhaupt nicht kopflastiges synthetisch-organisches Ganzes ergeben, das auch weit über einen imaginären Soundtrack hinausgeht. Ambient als spannender, rustikal-urbaner Ocean of Sounds aus Pop, Dancefloor (»Autobahn«) psycho-akustische Sound-Experimente.

ALICE COLTRANE

Astral Meditations - The Music of Alice Coltrane

Impulse!/Universal

Für viele Jazzfans ist Alice Coltrane eine ähnlich diabolische Figur wie Yoko Ono für die traditionelle Beatlesforschung. Alice Coltranes »Sündenfall« bestand darin, als Frau das Werk eines Mannes (John Coltrane) anzutasten und mit Streichern und Harfen zu remixen. Zwar holte sie ihr Mann John Coltrane 1965 wegen ihrer ultra-freien »Sheets of Sounds«-Explosionen als Pianistin in seine Gruppe, und wurde ihre Musik nach seinem Tod auch immer wieder als beste, weil radikalste Weiterentwicklung von Coltranes hochenergetischem Spätwerk betrachtet. Großteils wurden ihre Arbeiten jedoch als Blasphemie (Coltrane-Remix) oder Kitsch (Harfen, Streicher, indische Einflüsse) abgetan. Letzteres widerfuhr bekanntlich auch Sun Ra, dessen astraler Alien-Jazz durch ähnliche futuristische Outta Space- Regionen reiste wie Alice Coltranes spirituelle Freejazz-Soundvisionen. Daher verwundert es auch nicht, dass die längst fällige Rehabilitation nicht aus dem Jazz - sondern aus dem avancierten Electronic/Drum' n'Bass-Eck kommt. Und das nicht nur wegen dem Einsatz von elektronischem Instrumentarium sondern vor allem auch wegen ihrer Remix- und Studiotechniken. Ausführlich dokumentiert dies nun der Sampler »Astral Meditations«, dessen hauptsächlich in den frühen 70 ern eingespieltes Material immer noch wie eine gigantische Super Nova in Lauschapparat und Hirn einschlägt.