märz 2000

Didi Neidhart

Y2K- Radio: » ... kein Larifari.«

Mit einem freien Radio ins Jahr 2000

Zwischen 24. Dezember und 6. Jänner ging die Salzburger Radiofabrik erstmals mit einem 24-stündigen Vollprogramm auf der Frequenz 107,4 »On Air«. Zu Hören gab es so ziemlich alles zwischen Seniorenradio, Klassik, Volksmusik, Blasmusik, bestem Entertainment (mit »Der Schundshow« und dem »Y2K-Xtreme-Cooking« als Highlights), Blues, Hardrock, Techno, Reggae, Jazz, Avantgarde, Rockabilly, Pop, kamen sozialpolitische, frauenpolitische, umweltpolitische, ökologische und entwicklungs- politische Gruppen zu Wort. Nicht zu vergessen natürlich der »Y2K-DJ-Contest«, der täglich ab 22.00 Uhr live aus dem Kulturgelände Nonntal übertragen wurde. Wer Internet hatte, konnte zudem sehen, was sich im Studio so alles abspielte (etwa einen Striptease bei der »Schundshow«). Klarerweise verspürten nicht wenige in den 14 Tagen zu Fans Gewordene nach dem Ende des Y2K-Radios eine schmerzliche Leere im Äther.

Grund genug für den »kunstfehler«, sich darüber nach einer verdienten Erholungspause mit den Radiofabrik-MacherInnen Wolfgang Hirner, Waltraud Rettenbacher und Georg Wimmer zu unterhalten.

Gerädert aber glücklich. So der erste Eindruck, den Y2KlerInnen vermitteln. Denn im Prinzip habe glücklicherweise alles »inhaltlich hingehauen«, so Wolfgang Hirner. Die Ausfallsquote lag bei zwei Sendungen, einmal war das RadioCafé geschlossen musste der Sender in der Nacht abgeschaltet werden, da sich sonst die doch etwas antike Übertragungsanlage überhitzt hätte, was am Tag nicht so gut gekommen wäre. Für stresserzeugende Sendeausfälle gleich zu Beginn von Y2K sorgte dafür ein heftiger Orkan.

Mangelndes Feedback und Interesse sei jedenfalls kein Problem gewesen. Trotz kurzfristiger, knapp zweimonatiger Vorlaufszeit war das Programm relativ schnell voll.

Georg Wimmer: »Es besteht eindeutig ein Bedarf nach einem derartigen Medium. Allein die Qualität der Sendungen, die abgeliefert wurden, zeigt, welch ungeheures Potential in dieser Stadt steckt. Die Leute wussten das Medium absolut zu schätzen und waren sich bewusst, bei einer wertvollen Sache dabei zu sein. Da gab es kein Larifari. Auch war die Mitarbeit nicht nur auf das Senden der eigenen Programme be-schränkt. Wir haben rundherum sehr viel Hilfe erfahren. Die Leute haben sich bei allem Möglichen, angefangen vom Dachdecken bis hin zur Dekoration und Führung der Bar engagiert. So gesehen wurde unsere Konzeption des freien Zugangs absolut genutzt.«

Just Do It!

Besonders die »Jugendschiene« hat sich dabei als äußerst fruchtbare Option für die Zukunft erwiesen. Auch wenn zuerst nicht mit einem wirklich problemlosen Dauerbetrieb gerechnet wurde.

Waltraud Rettenbacher: »Es haben Leute an Workshops teilgenommen, die zuvor weder die Radiofabrik noch das Kulturgelände Nonntal gekannt haben. Die haben ihre Sendungen mit Flyern in den Schulen beworben und so einen unglaublichen Multiplikatoreneffekt erzeugt. So haben SchülerInnen zum ersten Mal erfahren, dass es sowas wie das Kulturgelände Nonntal und die Radiofabrik überhaupt gibt. Bei den von AusländerInnen gestalteten Programmen war es nicht anders. Die Leute von der Jugendschiene machen auch weiter. Es ist wichtig, dass junge, engagierte Leute, die uns zudem auch noch viel Basisarbeit und die Homepage mitgestaltet haben, nicht verloren gehen. Daher haben wir ihnen im Verlauf von Y2K auch zeitweise die volle Verantwortung für das Studio überlassen, was bestens funktioniert hat.«

Negativ sei eigentlich nur die persönliche Überarbeitung gewesen. »Diese zwei Wochen waren für uns auch ein Test für den Vollbetrieb.«, so Hirner. »Sowas wäre ehrenamtlich einfach nicht mehr zu machen. Für einen Vollbetrieb brauchen wir mindestens vier bis fünf angestellte Leute. Den politisch Verantwortlichen in Stadt und Land muss klar sein, dass nicht alles gratis ist. Für ein tägliches Programm ist eine gewisse Mindestkapazität an Leuten notwenig. Die kann man nicht mit Almosen abspeisen.«

Als Grenzen, an welche dabei zwangsläufig gestoßen wird, nennt Wimmer Radioselbstverständlichkeiten wie Nachrichten. »Es ist absurd, ein Live-Radio zu haben, bei dem es keine lokalen Nachrichten gibt. Jetzt haben wir uns halt mit dem BBC-Weltservice beholfen. Das liegt jedoch nicht an einer fehlenden Infrastruktur, sondern an einem Mangel an Leuten, die Informationen auch bewerten und aufbereiten können. So einen Fulltimejob macht niemand ehrenamtlich.«

Open Space RadioCafé

Das RadioCafè mit angeschlossener Bar, das besonders am Abend während des »Y2K-DJ-Contest« gern besucht wurde, stellte sich als äußerst kommunikativer Ort des direkten Austausches, der Programmkritik und des Erspinnens von weiteren Ideen dar. Auch zeigte sich, dass ein über die Weihnachtsfeiertage geöffnetes Kulturgelände eine willkommene Alternative zu sonstigen Abendgestaltungen in der Nach-Adventzeit darstellen kann. Immerhin kamen zum Finale des DJ-Contest mehr als 400 Gäste in das Kulturgelände Nonntal.

Dazu Wimmer: »Das RadioCafé war schon immer unsere Idee. Wir können kein freies Radio machen, wenn wir nur im Container oder im Studio sitzen. Wir müssen präsent sein. Falls es endlich zu einem Um- oder Neubau des Kulturgelände Nonntal kommt, wäre sowas die optimalste Lösung für uns. Wir sind eine offene Institution. Das muss auch vermittelt und demonstriert werden können«

Weniger glücklich verliefen hingegen einige der »RadioCafé«-Live-Diskussionsrunden, was auch seitens der Radiofabrik zugegeben wird.

Wimmer: »Das war teilweise nicht nur flach, sondern auch seicht. Durch die eher kurzfristige Themenauswahl konnten wir für die Moderation nicht immer die geeigneten Leute finden. Also haben wir Sachen selber übernommen und da waren wir halt nicht immer so sattelfest. Wenn in der Runde potentielle Counterparts ausgefallen sind, war es noch schlimmer. Die Idee war ein gehobener Plausch am Nachmittag. Wenn wir auf harte Konfrontationen aus gewesen wären, wären wir bei schweren Themen wie Drogen, Jugendkriminalität etc. gelandet. Das wollten wir auch deshalb nicht, weil dafür enorm viel gewissenhafte Vorarbeit nötig ist. Das hätte die Grenzen unserer momentanen Kapazitäten haushoch überstiegen. Es wäre noch schlimmer gewesen, wenn wir im Vorhinein einen Riesenanspruch gestellt hätten, der dann nicht haltbar gewesen wäre.«

Free Radios

Trotz Radio Café und relativ enger »Bindung zwischen HörerInnen und MacherInnen« (Rettenbacher) müssen aber immer noch bestehende Schwellenängste abgebaut werden. »Dem Monopolfunk verdanken wir, dass Radio immer noch als eher höherschwelliges Medium verstanden wird, bei dem ohne Sprechtraining nichts geht.«, gibt Wimmer zu bedenken. Umso wichtiger sei es daher, die prinzipielle Offenheit der freien Radios den potentiellen MacherInnen zu vermitteln.

Rettenbacher: »Wir müssen massiv in diese Richtung hinarbeiten. Das darf nicht nur auf dem Papier gut klingen. Auch bei Y2K haben sich einzelne Leute zuerst nicht getraut herzukommen, waren dann aber hin- und hergerissen. Wir sagen ja im Prinzip nicht mehr als, macht eine Sendung, und fragen dann, ob technische Hilfe benötigt wird.«

Wobei die größte Angst vor freien Medien noch immer auf seiten der Politik verortet wird.

Wimmer: »Es ist etwas, das nicht kontrolliert werden kann, bei dem sich Gegenbewegungen auftun können. Das ist vielen suspekt. Aber auch die gesellschaftspolitische Aufgabe freier Medien ist der hiesigen Politik nicht wirklich klar.«

»Das Projekt Freie Radios, das es in fast allen europäischen Ländern zum Teil schon seit Jahrzehnten gibt, steckt in Österreich immer noch in den Kinderschuhen.«, ergänzt Hirner. »In Deutschland ist Medienpolitik Landessache und in fast allen Zielen der Landesmedienanstalten steht die Förderung freier Radios und offener Kanäle im Fernsehbereich drinnen. Die geben teilweise bis zu 50 Prozent des Budgets dafür aus. Daher gibt es auch in Deutschland allein im Fernsehbereich über 70 offene Kanäle. Bei uns ist es der Politik noch nicht bewusst, dass es demokratiepolitisch wichtig ist, wenn sich Menschen selbstbestimmt äußern und artikulieren können.«

Wie sollte es aber auch anders sein, wenn selbst in den Chefetagen des ORF unter »BürgerInnen-Radio« fast aus-schließlich Sachen wie »Sag's deinem Radio« oder Wunschsendungen verstanden werden. Die Definitionsmacht des ORF geht für Rettenbacher aber noch weiter. »In Deutschland gibt es eigene Förderpreise für Sendungen freier Radios. In Österreich gibt es einen Förderpreis, der mit einer Goldmedaille dotiert ist und alles, was nicht in die formalen wie inhaltlichen Richtlinien des ORF passt, einfach ignoriert. So wurde etwa letztes Jahr eine ungeschnittene, vierstündige Live-Diskussion des Linzer Radios FRO von der Jury aus formalen Gründen aus dem Wettbewerb genommen. Denen waren vier Stunden Live-Radio einfach zuviel. Der Beitrag wurde einfach nach der ersten halben Stunde abgedreht und rausgeworfen.«

Bleibt abschließend nur noch die Frage nach einer Vollfrequenz für die Radiofabrik.

Dazu Hirner: »Eigentlich wurde die Frequenz, auf der das Millenniums-Radio gesendet wurde, ja eingestellt, weil sie angeblich schlecht gegangen ist. Mit dem neuen Standort im Nonntal funktioniert sie aber sehr gut. Daher war es für uns überhaupt nicht nachvollziehbar, warum sie im neuen Frequenznutzungsplan der Regionalradiobehörde nicht wieder ausgeschrieben wurde. Dieser Plan wurde jetzt vorerst storniert, damit es noch möglich ist, diese sowie die Innsbrucker Frequenz reinzubringen. Es ist alles offen. Wenn die Frequenz jetzt reinkommt, wird sie im Frühjahr noch ausgeschrieben und wir könnten den Vollbetrieb ab Herbst starten. Natürlich müssten dazu auch die benötigten finanziellen Mittel bereit stehen.«

Radiofabrik:

Tel.: 0662/841043

www.radiofabrik.at

Zu hören jetzt wieder jeden Mittwoch von 21.00 Uhr bis 01.00 Uhr auf der Frequenz 94,0 Mhz