märz 2000

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Der »kf« sprach mit Wolfgang Neugebauer, dem Leiter des Wiener Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands

Der »kf« sprach mit Wolfgang Neugebauer, dem Leiter des Wiener Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands. Das DÖW ist eine überparteiliche, von der Republik und der Stadt Wien maßgeblich finanzierte Einrichtung zur Erforschung von Nationalsozialismus und Rechtsextremismus.

In der öffentlichen Debatte herrscht Verunsicherung bezüglich der treffenden politischen Einordnung und Etikettierung der FPÖ. Wie lautet Ihre Beurteilung?

• Sowohl in der wissenschaftlichen als auch in der politischen Diskussion gibt es unterschiedliche Einschätzungen, grob gesprochen zwei Hauptströmungen: Die einen sagen, die FPÖ ist eine populistische oder rechtspopulistische Partei. Andere, so wie wir, meinen, dass es sich um eine rechtsextreme Partei handelt.

Wer sind die Hauptproponenten dieser beiden Einschätzungen?

• Auf der politischen Ebene ist klar, dass Bundeskanzler Schüssel von einer populistischen, nicht von einer rechtsextremen Partei spricht. Diese Unterscheidung hat er in den letzten Tagen sogar explizit vorgenommen. Die entschiedene Gegenposition dazu vertreten etwa die Grünen. Van der Bellen schätzt die FPÖ als rechtsradikal, Voggenhuber gar als faschistisch ein. In der wissenschaftlichen Analyse haben wir in unseren Publikationen die FPÖ als Hauptkraft des österreichischen Rechtsextremismus qualifiziert. Es gibt aber auch Autoren, z.B. den US-amerikanischen Forscher Luther, der die Partei als rechtspopulistisch einstuft.

Ist Populismus nicht eher eine Strategie?

• Das ist meine Auffassung. Die FPÖ ist auch populistisch. Aber der Begriff reicht nicht aus, um die Intentionen und Ziele dieser Partei zu erklären, sondern allenfalls nur den Weg und die Methoden. Im Übrigen gibt es auch in anderen Parteien Populismus.

Was sind die konstitutiven Elemente dieses Rechtsextremismus aus wissenschaftlicher Sicht?

• Ein ganz wesentlicher Punkt ist der Ethnozentrismus. Bei der FPÖ war das die längste Zeit ein Deutschnationalismus. In den letzten Jahren gibt es eine unklare Umpolung auf einen Österreichnationalismus, der aber für uns nicht ganz glaubwürdig ist. Aus diesem Ethnozentrismus leiten sich dann der Ausschluss der Ausländer und Xenophobie ab, die sich mitunter bis zum Rassismus steigern kann; etwa in der Forderung nach Segregation. Es gibt natürlich noch andere Wesensmerkmale auf der Ebene des Verhaltens: Unter Haider wurde die FPÖ zu einer autoritären Führerpartei, die interne Kritiker ausschließt. Weitere rechtsextreme Elemente sind das aggressive und verbalradikale Auftreten gegenüber dem politischen Gegner; Law & Order-Forderungen, die sich inzwischen auch im Regierungsprogramm niedergeschlagen haben; eher zum Populismus zu rechnen ist die starke Sozialdemagogie, also der Anspruch, Vertreter des »kleinen Mannes« zu sein.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

Weiterführende Literatur: BRIGITTE BAILER-GALANDA/WOLFGANG NEUGEBAUER: »Haider und die `Freiheitlichen`in Österreich« (Berlin 1997, Elefanten Press) internet:zurück zur Inhaltsübersicht

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