märz 2000

Thomas Neuhold
titel

»Das Ausland« und »die Künstler«

Die rechte Wende: Überzogene Reaktionen oder berechtigte Ängste?

Vom europäischen Musterschüler zum Prügelknaben. So wurde in zahlreichen österreichischen Medien das neue Verhältnis Österreich-Europa »g'schmackig« auf den Punkt gebracht. Und in einer Vielzahl der Stellungnahmen schwang neben dem blanken Entsetzen über die Reaktionen »des Auslands« auch völliges Unverständnis mit.

Warum eigentlich? Haben wir es immer noch nicht begriffen, dass Österreich als erstes Land in der neueren Geschichte Europas durch die Koalition mit dem rechten Rand der Gesellschaft einen nicht so schnell wegzuwischenden Tabubruch begangen hat? Die Entwicklung in Österreich ist in den Augen vieler EuropäerInnen eben nicht einfach eine »demokratische Wende« wie in der BRD von CDU-FDP zu Rot-Grün, sondern schon eher so, wie wenn in Deutschland plötzlich die DVU zu Regierungsehren käme. Angesichts des gewaltigen rechtsextremen Potentials in vielen EU-Staaten und angesichts der teilweise doch recht instabilen Verhältnisse in beitrittswilligen Ländern ist die EU-Reaktion nicht nur verständlich, sie ist aus der Logik der EU heraus einfach notwendig.

Politik funktioniert eben immer auch über Symbole. Das Signal, dass die sozialdemokratischen und konservativen Regierungen an ganz Europa aussenden, ist eindeutig: Es darf keine Koalition mit Rechtsextremen, mit Nationalisten geben. Österreich ist nur der Anlassfall. Es mag gegenüber den DemokratInnen des jeweiligen Landes ungerecht sein, aber die Strafe lautet in letzter Konsequenz: Ausschluss aus der Gemeinschaft der zivilisierten Völker. So gesehen ist Österreich einstweilen noch glimpflich davongekommen.

Rechte Schieflage

Stimmt schon, auch in Italien waren kurz Neofaschisten in der Regierung und auch in Südfrankreich hatte und hat die rechtsextreme Front National wichtige politische Positionen erobert. Den Franzosen ist es aber gelungen, Le Pen durch eine von links bis rechts durchgehenden Ächtung völlig zu isolieren und damit entscheidend zu schwächen; Italien wiederum hat ein Parteienspektrum, in dem die Linke - je nach Zählweise - auf bis zu 40 Prozent kommt. Die Gefahr, dass die gesamte Republik nach rechts abgleitet, war nie gegeben.

In Österreich schaut das anders aus. Die Republik hat seit ihrer Gründung eine rechte Schieflage, eine Aufarbeitung des Nationalsozialismus hat es in dem Land, das sich offiziell immer als »Opfer« der Nazis gesehen hat, ebensowenig gegeben wie beispielsweise demokratisch-kämpferische Traditionen von seiten der Gewerkschaft; beides haben Sozialdemokratie und Sozialpartnerschaft nach Kräften verhindert. Das wissen auch die Regierungen in der EU.

Die Verschwörung

Wer in dieser Situation eine von der »Sozialistischen Internationale« gesteuerte Verschwörung gegen Österreich ortet, ist entweder strohdumm oder lügt die Bevölkerung an. Lassen wir hier einmal beiseite, dass die von ÖVP und FPÖ in diesem Zusammenhang gebrauchten Formulierungen stark an die von den Nazis erfundene jüdisch-bolschewistische Weltverschwörung erinnern.

Natürlich wird es das eine oder andere Gespräch zwischen den sozialdemokratischen Schwesterparteien gegeben haben. Aber glaubt wirklich jemand im Ernst, dass sich ganz Europa - inklusive der Konservativen in Frankreich, Spanien, Belgien... - auf ein Fingerschnippen des politischen Leichtgewichtes Viktor Klima gegen Österreich verschwören würde, wenn man/frau nicht wirkliche Gründe für die Sanktionsmaßnahmen sehe? Die liberale Pariser Tageszeitung »Le Monde« bringt es auf den Punkt, wenn sie meint, die europäischen Führungskräfte hätten es nicht nötig, sich von irgend- jemandem zu politischen Maßnahmen auffordern zu lassen. Das klingt überheblich, entspricht aber wohl eher der Realität als die obskuren Veschwörungs- theorien eines Andreas Khol.

Gehen oder Bleiben?

Folgt man/frau der Argumentation des ÖVP-Chefideologen Khol, dann haben sich auch die KünstlerInnen gegen das Land verschworen. Gerade von seiten der Kulturschaffenden kommt ja wütender Protest gegen die neue Regierung. In Wahrheit ist es wohl eher umgekehrt. Gerade die Politik der Freiheitlichen gegenüber der Kulturszene hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass dem bunten, weltoffenen und manchmal etwas naiven Völkchen jetzt die Angst in die Knochen fährt. Was ist das für eine Regierung, die sich von einem ÖVP-Präsidenten eine Menschenrechtspräambel aufzwingen lassen muss, wird gefragt. Und was folgt noch, wenn schon am Tag der Angelobung der erste unliebsame Journalist aus der Redaktionsstube der »Oberösterreichischen Nachrichten« entfernt wird?

Die neue Regierung vertritt eine gefährliche Mischung. Sie schart die verbiesterten, fanatisierten und xenophoben ModernisierungsverliererInnen, den dumpfen Plebs ebenso hinter sich wie das reaktionär-katholische Kleinbürgertum, nationale SpinnerInnen, neoliberale WirtschaftsstrategInnen und männliche Gesellschaftsrambos.

Wenn die geplante »United Parade« in Salzburg von FPÖ-Gemeinderatsklubchefin Doris Tatzl als Tummelplatz für »Punker, Homosexuelle, offenen Suchtgiftmissbrauch und Radikale« diffamiert wird, wenn FPÖ-Vizebürgermeister Siegfried Mitterdorfer JournalistInnen, die an regierungskritischen Kundgebungen teilnehmen, offen droht, dann braucht sich niemand wundern, wenn die Intellektuellen im Land ans Gehen denken.

Aus Sicht des Grünen EU-Abgeordneten Johannes Voggenhuber ist es verständlich, wenn er jene kritisiert, die gehen oder nicht mehr kommen. Voggenhuber meint, dies würde den Freiheitlichen nur genehm sein. Mag sein, dass Gehen ein untaugliches Mittel ist, nur ist es wohl niemandem zu verdenken, wenn er/sie so wie Elfriede Jelinek von einer »physischen Angst« spricht. Sensible KünstlerInnen, die jahrelang freiheitlichen Hetzkampagnen ausgesetzt waren, reagieren eben irgendwann einmal.

Durch diese Regierung wird es zu einer kulturellen und intellektuellen Ausdünnung in Österreich kommen. Viele haben im Geiste schon ihre Koffer gepackt. Gut möglich, dass in ein paar Jahren nur jene geblieben sind, die nicht weggehen konnten.