märz 2000

Gerald Gröchenig
titel

Bloß eine Frage der Wertschätzung

Der »kunstfehler« im Gespräch mit Eva Glawischnig, der neuen Kultursprecherin der Grünen im Parlament

Eva Glawischnig, du bist Umwelt- und Kultursprecherin der Grünen im Parlament. Du bist Kärntnerin und hast in Graz studiert.

• Ich bin an und für sich Juristin und habe mich dann auf Umweltrecht spezialisiert. Ich habe aber in Graz auch eine Zeitlang Jazz studiert. Die Musik war immer meine zweite Liebe.

Was hast du im Jazz gemacht?

• Ich hab klassisches Piano gelernt und dann Jazz-Piano gespielt, hab später auch Pop gespielt und war sogar einmal auf Platz 10 der Austro-Pop Parade (lacht). Wenn ich jetzt spiele - und ich hab bis vor der Wahl noch eine Band gehabt - dann ist das eher sehr free.

Kann man aus Kärnten für die große Politik lernen?

• Kärnten zeigt eines: Jeder, der glaubt, dass man die FPÖ in der Regierung irgendwie bändigen kann, wenn man sich mit ihr nur inhaltlich auseinandersetzt, der irrt sich. Die Kärntner FPÖ hat nachweislich in politikwissenschaftlichem Sinne faschistische Tendenzen entwickelt. Denen ist völlig egal, was sie da unterschrieben haben, sie machen, was ihnen einfällt.

Was haben die Grünen überhaupt für Möglichkeiten bei einer blau-schwarzen Regierung?

• Durch die föderalistische Organisation der österreichischen Kulturpolitik hast du im Bund ein spezifisches Spektrum zu betreuen. Einerseits ist der Kulturausschuss als symbolischer Ort der Öffnung und des Hereinholens von KünstlerInnen in den parlamentarischen Prozess wichtig. Deshalb haben wir auch die Wahl vom freiheitlichen Krüger nicht mitgetragen. Andererseits hast du genauso die ganzen Ausgliederungsdebatten, den Kunstbericht, die Künstler-Sozialversicherung, die ganzen steuerrechtlichen, urheberrechtlichen Belange. Von den Rahmenbedingungen her ist im Bund für künstlerisches und kulturelles Schaffen sehr viel gelagert, abseits der bloßen Kulturförderung.

Was kommt da jetzt auf die Kulturschaffenden zu?

• Es war ja schon in den letzten Jahren ein bedauerlicher Zustand. Durch die Kürzung der Ermessensausgaben um 20% passiert gerade ein Kahlschlag in der freien Kulturszene und der fühlen wir uns verpflichtet. Die Kürzungen betreffen nicht Festspiele oder Burgtheater.

Wie stehen die Grünen zu den großen Einrichtungen wie Staatsoper oder Festspiele?

• Ich persönlich glaube, dass sich das wirklich Spannende an den Rändern abspielt. Trotzdem sollte man sich bei diesen Organisationen auch mehr Gedanken über Leitbilder machen, vor allem in Wien. Hier herrscht eine sehr zufällige durch Personenauswahl vorgegebene inhaltliche Richtung, aber keinerlei Leitbild oder Zieldefinition, an denen man gemessen werden kann.

Oliver Marchart analysiert, dass ihr die einzige Partei seid, die Kultur zwar immer unterstützt, selbst aber kein eigenes Kulturprogramm habt.

• Wir sind uns der Mängel bewusst. Durch den Kulturabbau waren wir einfach zu sehr damit beschäftigt, Künstlerinteressen zu verteidigen, hier eine Lobby zu sein. Es wird sicher in den nächsten eineinhalb Jahren einen Programmentwurf geben. Es ist aber nicht so, dass wir hier keine Programmatik haben. Wir haben einen spezifischen Zugang zur Förderung von Minderheiten, auch was das Interkulturelle betrifft, was die Asymmetrie Männer und Frauen in der Kunst betrifft. Beim Begriff Freiheit der geht es uns um eine ganz bewusste Förderung und Schwerpunktsetzung, ein jährliches und vom verantwortlichen Politiker immer wieder zu erfindendes Recht, wie du die Freiheit der Kunst sicherstellst.

Oliver Marchart macht uns auch den Vorwurf, wir würden Kunst und Kultur nicht als Instrument der politischen Hegemonie begreifen. Da hab ich einen anderen Anspruch. Natürlich ist gesellschaftskritische, aufmüpfige, politische Kunst wichtig und die muss es geben dürfen. Aber muss nicht jede Kunst gesellschaftspolitisch aufmüpfig usw. sein. Es muss auch unpolitische Kunst geben dürfen.

Interessant wird's dann bei der Frage, was gefördert werden soll. Zuletzt wurde das im Weißbuch diskutiert.

• Das Weißbuch ist von seiner Struktur ein buntes Sammelsurium ohne jegliche Prioritätensetzung. Für uns wären die wichtigsten Geschichten: Demokratisierung, Transparenz bei der Fördervergabe, demokratische Prozesse bei den Beiräten. Ich finde das Beiratmodell an und für sich in Ordnung, kenne aber kaum einen funktionierenden Beirat, wo es z.B. einen offenen Zugang zu den Akten gibt, wie dies in Skandinavien gang und gäbe ist. Ich halte auch die Kuratoren für ein gutes Modell und möchte das auch im Bereich der »Neuen Medien« wie auch im Tanzbereich weitergeführt haben.

Zur Frage der Privatisierung, inwieweit Förderungen ausgelagert werden sollen: Für mich ist die Förderung von Kunst und Kultur eine staatliche Aufgabe und damit Punkt. Alle Varianten, z.B. die Kunstsektion in einen Fonds umzuwandeln, halte ich für eine schwachsinnige Idee. Was soll das bringen. Wenn man Probleme mit der Verwaltung hat, weil die einen Aufnahmestopp hat, dann ist das ein Problem der Verwaltungsstruktur, aber nicht der Kunstförderung.

Die verfügbaren Mittel des Bundes sind in den letzten Jahren gleich geblieben.

• Wir haben gleich am Anfang mit Aufnahme der parlamentarischen Ordnung zwei Anträge eingebracht, die aus meiner Sicht die dringendsten waren: Das war einerseits die Erhöhung des Kunstbudgets auf die im Weißbuch versprochenen 1,8 Milliarden und die Künstlersozialversicherung. Das Kunstbudget mit den 1,8 Milliarden ist jetzt chancenlos. Es war aber auch das SPÖ/ÖVP Papier, wie es unterschrieben worden ist, kein offensives kulturpolitisches Papier.

Wenn ihr jetzt an einer kulturpolitischen Konzeption arbeitet, wie bindet Ihr da die Regionen ein?

• Das ist ein sehr anstrengender Prozess, weil derzeit 90 Prozent ganz einfach Angst vor einem Kulturabbau haben und deshalb Programmideen nicht gerade sprießen. Wir haben jetzt in Wien mit Veranstaltungen begonnen und wir machen dann eine Bundesländertour, um mit den Menschen dort den aktuellen Stand und die aktuellen Probleme zu diskutieren.

Was machst du, wenn du überall bloß hörst, dass es zuwenig Geld gibt?

• Das ist eine Frage der Prioritäten, am Geld liegt's sicher nicht. Wir haben im Novemberplenum die Beamtengehalts-erhöhung beschlossen, das waren 2,5 Milliarden Schilling. Jetzt gibt's dieses unsägliche Karenzgeld für alle, das wird zwischen sieben und 12 Milliarden kosten. Dann wird jedenfalls das Verteidigungsbudget erhöht und es gibt noch dieses unsägliche, noch vor den Wahlen beschlossene Panzerpaket, das ebenfalls 13 Milliarden kostet. Das ist wirklich geisteskrank. Da denk ich nicht mehr drüber nach, ob ich 300 Millionen maximal für die Künstlersozialversicherung investiere oder das Kunstbudget vielleicht um 200 oder 700 Millionen erhöht werden soll. Das ist eine Frage der Wertschätzung, was spricht man diesem Bereich für einen Mehrwert zu.

Warum schafft's die Kultur hier kaum, ihre Interessen entsprechend umzusetzen, haben sie keine Lobby hinter sich?

• Vielleicht weil's doch viele Leute nicht direkt trifft. Einerseits ist die Kulturszene sehr inhomogen und artikuliert sich nicht so wie die Industriellenvereinigung in Gestalt von zwei Personen mit großen Aktenkoffern und einem Positionspapier. Andererseits ist es ein demokratischer Haufen, der ganz einfach keine Lobbyspitze hat.

Vielleicht kann man hier was aus dem Umweltbereich lernen: Wir haben dort dieses »Campaignen«, dieses breitenwirksame Denken, angewandt. Damit ist es gelungen, etwas irrsinnig kompliziertes wie die Gentechnologie, von der vor fünf Jahren noch niemand überhaupt gewusst hat, was das ist, zur Volksbegehrentauglichkeit zu bringen.

Was wünscht du dir da an Unterstützung aus der Szene.

• Ich muss ehrlich sagen, was teilweise an politischem Engagement aus der Szene kommt, ist im Vergleich zu anderen Szenen ziemlich hoch. Auch was an Solidarität mit anderen gesellschaftlichen Gruppen da ist. Für uns Grüne wird es ja jetzt ziemlich schwierig. Es sind nur mehr vier Parteien im Parlament, und wir sind die einzigen, die bei dem Machtgemetzel nicht mitspielen und in keiner Form Regierungsverantwortung anstreben. Unsere Rolle ist es, parlamentarische Kontrolle zu sein und ich würde mir wünschen, dass die außerparlamentarische Kontrolle ein Gegengewicht zu diesem Rechtsruck bildet. Die Kultur ist da irrsinnig wichtig, um diesen Stimmungswechsel voranzutreiben.

Herzlichen Dank für das Gespräch!

(Das Gespräch wurde einige Tage vor der Angelobung der blau-schwarzen Regierung aufgezeichnet).