märz 2000

Doc Holliday
schön und gut

Subversion in Progress

Wenn ein Geburtstag ansteht, soll er gefeiert werden. Schließlich kann niemand vorhersagen, wie oft dazu noch Gelegenheit sein wird. Die Jubiliarin ist die IG Kultur, die Österreichische Interessengemeinschaft für autonome Kulturarbeit. Autonome Kulturarbeit engagiert sich für zeitgenössische, innovative, kreative kulturelle Ausdrucksformen, betont regionale Entwicklungsarbeit, Vielfalt und Selbstbestimmtheit des Kulturschaffens. Sie bemüht sich um neue Publikumsschichten und Entwicklung breiten Kulturbewusstseins. Historisch entstand der Terminus »autonome Kulturarbeit« beim ersten gesamt-österreichischen Symposium der »Alternativkulturszene«. Die TeilnehmerInnen formulierten eine »Neudefinition« von demokratischer Kultur: Nicht allein »Kultur für alle«, sondern auch »Kultur von allen«.

Eine der Hauptforderungen der IG Kultur lautet: Mehr Geld für die Kulturinitiativen. Die Förderung von innovativen, zeitbezogenen und experimentellen Kulturformen und sozio- kulturellen Initiativen soll gesichert werden. Mit dem Begriff »Kultur-Initiative« ist hier mehr gemeint als ein Gegenpol zur elitären »Hochkultur«. Es geht vielmehr um die Förderung sämtlicher Projekte und Strukturen, die sich im Kulturbereich aktiv mit der Entwicklung einer pluralistischen Zivilgesellschaft auseinandersetzen. Gemeint ist damit eine Ebene zwischen Staat und Wirtschaft, in der sich alle Organisationen und Medien befinden, die eine kritische, nichtstaatliche Öffentlichkeit herstellen, etwa die freien Kulturinitiativen, autonome Medien, freie Radios, Public Art, sozialpolitische Projekte etc. In der jetzigen politischen Konstellation einer FPÖVP-Regierung scheint eine klare politische Stellungnahme, die über die eigenen Partikularinteressen hinwegsieht und in der deutlichen Solidarisierung mit jenen, die am Rand der Gesellschaft stehen, gefordert: den Ärmsten der Armen, die, durch die den freien Markt verherrlichende Politik der beiden Regierungsparteien zu hoffnungslosen Verlierern und Kandidaten für den geplanten »Reichsarbeitsdienst« abgestempelt werden. Wie aber artikulieren Kulturarbeiter aus dem Sektor der autonomen Initiativen ihren Protest am Wirkungsvollsten? Sicher nicht in Form eines Streiks. Die könnten beim politischen Gegner bestenfalls langanhaltende Lachkrämpfe verursachen. »Alte« Widerstandsformen des Agit-Prop und neue Methoden der Kommunikationsguerilla mit großem Spaßfaktor sind das Gebot der Stunde. Aus IG wird AG, sprich Agitation/ Aktion & Gaudi. Also doch das Ende der IG Kultur, wie wir sie bislang kannten?

Konferenz »sektor3/kultur«

Kunsthalle Exnergasse, WUK/Wien, Eröffnung Freitag,

31. März 2000, 18 Uhr durch Pierre Bourdieu, Soziologe, Collége de France