november 1998

gelesen

gelesen

Hunter S. Thompson: »Angst und Schrecken in Las Vegas«. 2001-Verlag/Versand, Frankfurt/Main.

1971 - üble Vibes allerorten: in Wash-ingtons Weißem Haus regiert noch Richard Nixon und brütet neue schmutzige Tricks aus. In Uganda übernimmt Idi Amin Dada die Macht und läßt schon einmal die großen Kochtöpfe bereitstellen. In Paris badet Jim Morrison zu heiß und erliegt einem Herzversagen. In Ma-con, Georgia, lenkt Duane Allman seine Harley in einen Pick-Up-Truck. In St. Tropez feiert Mick Jagger seine Jet-Set-Version eines Bettlerbankettes und heiratet Bianca. In Little Rock, Arkansas, zieht Bill Clinton zu seiner Hillary. Und der Journalist Hunter S. Thompson fährt zusammen mit seinem »samoanischen« Anwalt Dr. Gonzo von L.A. nach Las Vegas. Eigentlich soll Thompson für ein Sportmagazin über ein Motorrad- und Buggyrennen in der Wüste berichten. Doch der klassische Journalismus ist nicht sein Ding. Gut ausgerüstet, den Kofferraum und die Birnen voll bis zum Anschlag mit allen erlaubten und verbotenen Substanzen, begeben sich die beiden auf »eine wilde Reise in das Herz des amerikanischen Traums«. Es wird ein Trip ins Herz der Finsternis, der auch im permanenten Rausch nicht zu ertragen ist. Im Kassettenrekorder »Sympathy For The Devil« von den Stones und »White Rabbit« von den Jefferson Airplane auf voller Lautstärke, taumeln die Protagonisten von einer Paranoia in die andere. Las Vegas ist ohnehin eine surreale, unwirkliche Stadt, die auch nüchtern erlebt die perfekte Kulisse für Dantes Inferno abgibt. Thompson war 1971 nicht selbst in Vietnam. Brauchte er auch nicht, denn er ortete den Krieg in seiner von Nazi- und Redneck-Lemuren beherrschten Heimat und in seinem eigenen Kopf. Was 1969 mit Manson, Altamont und den Stooges begann, wird bei Thompson endgültig erledigt: der definitive Abgesang auf die Flower-Power-Hippies. Pessimismus beherrscht die Jugendkultur, und die 70er beginnen nun wirklich. Kaum jemand vermochte den eskalierenden Wahnsinn der US-Gesellschaft treffender zu beschreiben als dieser Freak mit seinem (irr)witzigen Stream Of (Un)Consciousness.

Nach etwa 20 erfolglosen Versuchen (u. a. von Jack Nicholson und Alex Cox) legt nun Ex-Monty Python Terry Gilliam eine Kinoversion des »Filmriß-Stoffes« vor: »Fear & Loathing in Las Vegas« ab Dezember in der Nachtvorstellung vom DAS KINO. Tune In!

Doc Holliday

Gerhard Pilgram/Wilhelm Berger/Gerhard Maurer

KÄRNTEN. UNTEN DURCH

Ein Wander- und Reiseführer

Seit Jahren bereichern die Betreiber des Klagenfurter Universi- tätskulturzentrum »Unikum« ihr Bundesland um Kunstprojekte, die von kritischer Distanz zum Kärntner Alltag, von sensibler Beobachtung und hohem künstlerischem Niveau geprägt sind. Die in Salzburg vor kurzem gezeigte Ausstellung »An der Grenze des Erlaubten« ist eines der Ergebnisse dieser Arbeit.

Ihr neuestes Produkt ist ein Buch. Dem Urlaubsland Kärnten als kostspielige Urlaubsregion mit Blondinenwettbewerben und GTI-Treffen setzen sie einen Wanderführer durch das Kärntner Unterland entgegen. Die Route beginnt in Dravograd in Slowenien und endet im italienischen Tarvisio. Aufgeteilt in bequem gehbaren Tagesetappen kann man dabei eine Region kennenlernen, die in den meisten Reiseführern sonst nur am Rande erwähnt wird. Man trifft auf außergewöhnliche landschaftliche Schönheiten und kulturelle Kleinode, und selbst Schauplätze, die man ansonsten zu meiden trachtet - Industriezonen und Siedlungsgebiete, Orte der Deformation, der Verwahrlosung, des Verfalls - kann man mit der nötigen Neugier als Bereicherung mit hohem ästhetischen Gehalt erleben. Dazwischen begegnet man Gastfreundschaft

ohne folkloristische Anbiederungen sowie Zeugnissen einer Alltagskultur, die Traditionelles mit Modernem auf originelle Art zu verknüpfen weiß.

Mit: »Es gibt viele Gründe, Kärnten nicht zu bereisen« beginnen die Autoren ihr Vorwort. Ihr mit viel Liebe zum Detail ausgestatteter Expeditionsführer bietet allerdings Grund genug, sich einige Tage Zeit für eine Auseinandersetzung mit dieser Region zu nehmen.

Gerald Gröchenig