november 1998

Gerald Gröchenig
geschaut

La vita e bella - Das Leben ist schön

Der jüngste Film von Roberto Benigni, einer Gallionsfigur der italienischen Linken, ist im November in DAS KINO zu sehen

Italiens Kulturminister Valter Veltroni konnte sich freuen, lieferten doch zwei Regisseure, die offensichtlich dem Linksbündnis der Olive zugeordnet werden, die italienischen Beiträge für die Filmfestspiele in Cannes. Nanni Moretti hatte diesen Bewerb mit »Caro Diario - Liebes Tagebuch« bereits einmal gewonnen, Roberto Benigni war mit »La vita e bella« gerade dabei, den großen Preis der Jury einzuheimsen. Und während Moretti in »Aprile« auf seine unverwechselbare Art seine Vaterschaft und die Regierung des Linksbündnisses reflektiert (beide Ereignisse waren im April eingetreten), war der kommerzielle Erfolg von Benignis »La vita e bella« schon eingefahren: Noch bevor der Film anlief, war er bereits für 430 Kinos auf der Halbinsel bestellt. Und über 300 eingespielte Schillingmillionen allein in Italien machten ihn auch zum passablen Geschäft.

Bis zu »La vita e bella« hatte sich Benigni als großer Komiker seinen Namen gemacht. In seinen populären Komödien »Johnny Stecchino« (Zahnstocher Johnny-1991), »Il Mostro« (Das Monster-1994) oder »Il Piccolo Diavolo« (Ein himmlischer Teufel - 1988) glänzt er durch brillante schauspielerische Leistungen und einfallsreiche Drehbücher, wobei er neben allen Lustigkeiten seine Hauptfiguren immer als moralisch reine Toren zeichnet, die sich im Umfeld der Realität verstricken. Als bekannt wurde, daß sein neuer Film zum Teil in einem Konzentrationslager spielt, zweifelte man zunächst, ob der Komiker Benigni dem Thema gerecht werden könnte. Er hat die Zweifler eines besseren belehrt: Mit schlafwandlerischer Sicherheit meistert er die Gratwanderung zwischen Horror und Komik. Die Handlung des Films ist einfach erzählt: Der Halbjude Guido wird mit seinem vierjährigen Sohn in ein KZ gesteckt und macht dem Kleinen dort vor, daß das Ganze nur ein Spiel zwischen Insassen und Wärtern sei, bei dem der Sieger einen echten Panzer gewinnt. Was als großartige Komödie beginnt und Zeitungen wie »Le Figaro« dazu veranlaßt, Benigni in eine Reihe mit den Marx Brothers oder Charles Chaplin zu stellen, endet als Tragödie, in der Guido letztendlich durch seinen unbrechbaren Glauben ans Leben und das Durchhalten des Spiels seinen Sohn retten kann. Benigni verweist vor diesem Hintergrund auf die Geschichte von 8.000 italienischen Juden, die 1939 aus ihren Wohnungen abgeholt und in Konzentrationslager deportiert wurden. Dem Thema näherte er sich mit dem nötigen Respekt: während Recherche und Dreharbeiten arbeitete er eng mit dem Zentrum für jüdische Dokumentation in Mailand zusammen, immer wieder floß der Rat von Historikern und Überlebenden des Holocaust in die Arbeit ein. Den Titel zum Film fand Benigni bei der Lektüre von Trotzki's Tagebüchern, als dieser, seiner nahen Ermordung bereits bewußt, ins Tagebuch »Das Leben ist schön« schrieb, woran er selbst in diesem Augenblick des Schreckens noch glaubte.

Benignis Karriere beginnt vor ca. 25 Jahren. Nach Fernseh- und Theaterrollen spielt er seine erste Filmrolle in »Berlinguer ti voglio bene« (1977) unter Giuseppe Bertolucci. Danach wirkt er unter Regisseuren wie Luigi Zampa, Costa Gavras, Bernardo Bertolucci, Marco Ferreri mit. Fellini besetzt mit Benigni die Hauptrolle in seinem letzten Film (La voce della luna - 1989). Seinen internationalen Durchbruch schafft er mit »Down by law« (1986) von Jim Jarmusch, unter dessen Regie er auch noch noch in »Night on earth« (1992) zu sehen ist. Es folgen Arbeiten mit Wim Wenders und Blake Edwards. Bei seinen eigenen Filmen wirkt er als Drehbuchautor, Regisseur und Hauptdarsteller.

Seine politische Heimat, die kommunistische Partei Italiens und das heutige Links-Bündnis L'Ulivo begleiten Benigni seit dem Beginn seiner Laufbahn. Während er in Hollywood schon Karriere gemacht hatte, konnte man ihn im Sommer jederzeit am Programm von Unità Festen in eher kleineren Orten in der Toskana finden. In seinen Kabarett- wie Filmrollen attackiert er mit Vorliebe die Moral der geistlichen und weltlichen Macht, was ihm einmal sogar einen Prozeß mit dem Vatikan einbringt, weil er beim Song-Festival von San Remo papstlästerliche Äußerungen über Sex macht. Hin und wieder kommen in seinen Arbeiten auch Kommentare zu tagesaktuellen Ereignissen vor. In seinem 1994 produzierten Film »Il mostro« (Das Monster) widersetzt er sich in einer Szene konsequent den Mehrheitsbeschlüssen einer Be-triebsversammlung - Benignis Antwort auf den eben erfolgten Wahlsieg von Silvio Berlusconi. Wenn er bei den letzten Kommunalwahlen, wie als Gerücht in Umlauf gesetzt, für die PDS als Bürgermeister von Florenz kandidiert hätte, dann wäre ihm dieses Amt wohl kaum zu nehmen gewesen. In dieser Stadt genießt der bei Arezzo geborene Benigni quasi »Heimvorteil«: Während bei der heurigen Konzertreihe auf dem Piazzale Michelangelo die Auftritte von Ivano Fossati, Paolo Conte oder Hannah Schygulla in geordneten Bahnen verliefen, mußte für die Dante-Rezitationen von Benigni der Verkehr gesperrt werden: der Abend wurde für Tausende Florentiner zum Volksfest.

Benigni hat den charismatischen PCI Führer Enrico Berlinguer auf seinen Armen über die Bühne getragen (und sich danach in einem Interview gewundert, wie leicht dieser ist). Er hat Martin Scorsese in Cannes die Schuhe geküßt und Jahre vorher einen Skandal verursacht, weil er in einer jener unsäglichen italienischen Fernseh-Live-Shows namens »Fantastico« einfach das tat, weshalb man ihn als »Enfant terrible« eingeladen hatte und was sich sein Publikum wohl insgeheim wünschte: Er begrapschte die spärlich bekleidete Moderatorin Raffaella Carrà nach allen Regeln der Kunst und ließ erst von ihr ab, als ihr Kollegen zu Hilfe eilten. In Live Shows der RAI war er seit damals nicht mehr gesehen. Für Italiens Linke ist er eine Gallionsfigur. Wie viele andere italienische Künstler und vor allem Filmemacher steht er auch zu seinem politischen Lager. Doch wer weiß bei uns schon, daß sich in die Totenwache neben dem aufgebahrten Enrico Berlinguer unter anderen auch Sofia Loren, Marcello Mastroianni oder Federico Fellini eingereiht hatten?