november 1998

zu gast

»An der Grenze des Erlaubten

Kunst und Zensur in Österreich«

Im September und Oktober kam die seit 1996 durch bisher acht österreichsiche Städte tourende »Zensur-Ausstellung« nun endlich auch nach Salzburg. Ausgestellt wurde, publikumswirksam und von der Salzburger Bevölkerung auch rege wahrgenommen, vor dem Petersbrunnhof, die begleitenden Diskussions-Abende fanden, ebenfalls gut besucht, in der ARGE Nonntal statt. Ziel der Ausstellung und des Begleitkatalogs sei es, so Wilhelm Berger vom Klagenfurter Universitätskulturzentrum UNIKUM, das die Ausstellung konzipierte, sowohl die »lange Geschichte der Repressionen gegen Kunst in Österreich«, das bekannte »Mundtotmachen«, aufzuzeigen wie auch »komplizierte Interessenkonflikte« (z. B. die Vereinnahme von »Kunstskandalen« für politische Zwecke durch »Kunstgegner«) darzustellen. Es stellte sich jedoch auch immer wieder die Frage, wer überschreitet hier eigentlich welche Grenzen? Sind es primär jene KünstlerInnen, die das sogenannte »gesunde Volkempfinden« in wilde Wallungen versetzt, oder nicht doch eher jene selbsternannten Kunst-KritikerInnen, die in ihrem Kampf für das ihrer Meinung nach »Gute, Wahre und Schöne« auch vor Gewalt (z. B. Brand-anschläge) nicht zurückschrecken. Das auf Faktensammlungen und wissenschaftlichen Kriterien basierende Konzept der Ausstellung und das Durchblättern des ergänzenden Katalogs machen jedenfalls schnell klar, worum es hier auch geht. Um ewig gleichmotivierte Angriffe gegen moderne Kunst. Gerade diese plastisch nachvollziehbare Serialität (die Inhalte und Themen der Angriffe gegen einen Künstler wie Hermann Nitsch unterscheiden sich seit den letzten 30 Jahren nicht einmal graduell) birgt jedoch auch die Gefahr einer schleichenden Entsolidarisierung als Endeffekt simpler Ermüdungserscheinungen. Auch beim Gang durch die Ausstellung und beim Lesen des Katalogs gibt es Momente, wo es einfach nicht mehr weitergeht, weil alles schon bekannt ist (auch die Namen der ewig selben Kläger) und vorher in zig anderen Fällen behandelt wurde. Doch gerade diese Wiederholungsmuster, betont Berger, böten Möglichkeiten für KünstlerInnen und ihnen wohlgesonnenen KritikerInnen Gegenstrategien zu entwickeln. »Interessant ist eigentlich nur der Skandal, nicht die Richtersprüche, die den angeklagten KünstlerInnen in der Regel recht geben. Es entbehrt nicht einer gewissen tiefen Komik, wenn die Fälle letztlich mit Blamagen für die klagenden Parteien enden. Daß diese Niederlagen der Kunstgegnerschaft vor Gericht dann z. B. in der Realität der Kronen Zeitung nicht aufscheinen, ist eine andere Sache.«

Nur, welche funktionierende Gegenstrategien gibt es überhaupt? Genügen persönliche Betroffenheit, Interesse an moderner Kunst sowie Toleranz-Appelle und affekthafte Solidaritäts-Bekundungen, oder geht es nicht etwa auch darum, im Begriff »Kultur-Politik« das »Politische« wieder hervorzuheben und diesen Aspekt nicht immer gleich mit Subventions-Fragen zu verknüpfen. Auch die im Rahmen der »Konfrontationen« im Kulturgelände Nonntal veranstaltete Diskussion »Kunst & Zensur« krankte anfangs an der »Kernfrage Toleranz« (Werner Thuswaldner) und der dadurch vorgegebenen Gesprächslinie über »private Erfahrungen mit Intoleranz«. Mit »Toleranz« ist jedoch, nicht nur in der »Kunst & Zensur«-Debatte, kein Blumentopf, geschweige denn ein Meinungsumschwung oder die vielbeschworene »Fähigkeit zum Dialog« zu gewinnen. Tolerieren meint nicht mehr als Dulden, Erdulden, schwebt meist indifferent zwischen Antipathien und Mitleid und hat mit den Grundlagen eines möglichen Dialogs - Respekt und Akzeptanz - nichts gemein. Darauf verwies dann auch der Künstler Wolfram Kastner, der wegen seinen Aktionen gegen die Gedenkfeiern der Waffen-SS zu Allerseelen am Salzburger Kommunalfriedhof auch schon Opfer von Zensur und tätlichen Übergriffen geworden ist. So stellten sich in Deutschland ausgerechnet die Grünen gegen ein Denkmal zum Thema Bücherverbrennung, da sie Dioxingestank befürchteten. »Die neue Zensur«, so Kastner, »spielt sich unterhalb der Zensur im klassischen Sinn ab.«

Belege dafür gäbe es vor allem in der letzten Zeit zur Genüge. Laut Gerhard Ruiss (IG Autoren) garantiere der Verfassungsartikel 17a zwar die »Freiheit der Kunst«, aber dennoch »gibt es jede Menge Hintertüren in Form von ordnungspolitischen Maßnahmen oder feuerpolizeilichen bzw. sanitärtechnischen Fragen«. Zudem kämen in Österreich mehr als schwammige Begriffe dazu, die es zudem vor allem Einzelpersonen erlauben, gerichtliche Schritte gegen ihnen mißfallenden Kunstwerken und KünstlerInnen einzuleiten. Es geht nicht nur um Staatssymbole und Pornografie, sondern vor allem um die »Ehre« und den »öffentlichen Anstand« (also das sogenannte »Gesunde Volksempfinden«). Während z. B. in Deutschland eine »Herabwürdigung religiöser Lehren« erst dann vorliegt, wenn der »religiöse Friede« gefährdet ist, beginnt diese in Österreich schon dann, wenn sich Einzelne (meist in Gestalt des »Pornojägers« Humer) in ihren religiösen Gefühlen verunglimpft fühlen (was auch das Österreich-Verbot von Achternbuschs »Gespenst« erklären mag). Dennoch zahlen sich gerichtliche Auseinandersetzungen aus, so Gerhard Ruiss. »Ich kann jetzt per Gerichtsbeschluß behaupten, daß die Kronen Zeitung gewalttätig ist. Daher geht es auch eher um Strukturen und somit um Politik. Es geht nicht um Einzelfälle und nicht um Toleranz, sondern um die Mündigkeit des und die Fähigkeit zum Diskurs.« Auch könne nicht generell gesagt werden, die Kunst sei zu unpolitisch. »Das Problem ist die Kunstvermittlung. Nicht die Kunst ist unpolitisch, ihre mediale Verbreitung ist es.« Ob die »Verpflichtung, politischer zu werden« zu »spannenderen Zeiten« führen wird, wie Landestheaterintentant Lutz Hochstraate abschließend anmerkte, sei jedoch dahingestellt. Auch erscheinen Verweise auf die »hohe Toleranz« des Theaterpublikums und auf eine »Elite der Informierten« nicht wirklich zielführend in Hinblick auf mögliche Formen etwaiger Dialog- und Diskursformen. Sie bergen viel eher die Gefahr in sich, vorhandene Gräben (auch innerhalb der Kunst- und Kultur-Szenen) zu vertiefen, anstatt Annäherungen zu ermöglichen. Aber auch das ist ein Effekt kulturkämpferischer Angriffe - sie erschweren und/oder verunmöglichen kritische, selbstreflexive Auseinander setzungen und Diskurse innerhalb der Kunst- und Kulturszenen über Kunst und Kultur. Auch dagegen könnte ein Politisierungsschub in Sachen »Kultur-Politik« aktive Hilfe gewährleisten. Oder geht etwa immer noch die Angst um, sich daran (z.B. an politischen Aktionen, die ausnahmsweise keinen Event/ Performance-Charakter haben) die Finger verbrennen zu können?

D.N.