november 1998

Thomas Neuhold

Keine Chance für Rot-Grün im Lande Salzburg

Rot-Grün - in der Landeshauptstadt zumindest denkbar - scheint auf Landesebene unmöglich. Ein »kf«-Gespräch mit SPÖ-Landtagsklubvorsitzender Gabi Burgstaller und Bürgerlistenklubobmann Christian Burtscher

Ziehen wir eine kurze Bilanz. Was waren die drei wichtigsten Ereignisse in der abgelaufenen Periode, was hat die Landespolitik in den letzten vier Jahren geprägt?

• Burgstaller: Das prägendste Ereignis war die Verfassungsreform, die eine sehr ehrliche und mutige Reform ist. Damit in Zusammenhang steht natürlich auch der Tropfen, der das Faß zum Überlaufen gebracht hat: die Politik der Freiheitlichen mit der Eskalation vor zirka einem Jahr - dem Datenklau aus dem SPÖ-Computer.

Inhaltlich war für mich die Erkenntnis ganz entscheidend, daß es Bereiche gibt, wo man die Parteipolitik vergessen kann: Etwa im Bereich der Verkehrspolitik, wo es konkret mit Landeshauptmannstellvertreter Arno Gasteiger (ÖVP; Anm. d. Red.) möglich war, wichtige Schritte über den nächsten Wahltermin hinaus zu setzen. Ein anderer prägender Bereich ist der Stillstand und die Machtlosigkeit in der Arbeitsmarktpolitik. Ich glaube, daß Politik auch hier beweisen muß, daß sie etwas zuwege bringt und nicht einfach die Probleme verwaltet. Da ist mit der ÖVP ist in manchen Bereichen wenig herausgekommen.

• Burtscher: Die Abschaffung des Proporzes ist eine Zäsur in der Geschichte des Landes Salzburg, jetzt ist ein demokratischer Wechsel möglich. Das hat die Demokratie im Land wesentlich verändert.

Das Zweite in dieser Periode waren die beiden Volksbegehren, die in Salzburg einen überdurchschnittlichen Erfolg gehabt haben. Fatal war dann, daß die Regierung in Wien - das ist besonders für uns Salzburger eine »Watschn« - diese so den Bach hinunter schwimmen ließen.

Das Dritte ist, daß bei den Themen Verkehrspolitik und Energiepolitik ebenso eine Diskussion in Gang gekommen ist wie mit dem integrierten regionalen Wirtschaftskonzept für ein gentechnikfreies Salzburg, das wir vorgelegt haben.

Der Name Schausberger ist bei der Frage nach wichtigen Ereignissen nicht gefallen.

• Burgstaller: Für mich ist er kein besonders herausragendes Ereignis. Es ist seither nicht vieles anders geworden, es ist nur noch ein bißchen mühsamer geworden.

• Burtscher: Die Person Schausberger ist Landeshauptmann in einer Regierung, die das zuläßt, was er tut: Von Ankündigung zu Ankündigung schreiten, ohne daß die - auch sozialdemokratischen - Kollegen in der Regierung ihn beim Wort nehmen.

• Burgstaller: Es ist im Bundesland und in den letzten Monaten einiges weitergegangen - trotz Schausberger: die Konkretisierung des nationalen Aktionsplans oder in der Verkehrspolitik, wo wir im Vergleich zu den anderen Bundesländern Meilensteine gesetzt haben.

Zur Verfassungsänderung: Es ist anzunehmen, daß die nächste Regierung eine große Koalition ist.

• Burgstaller: Mit der FPÖ unter Karl Schnell will niemand. Daher wird es auch am ehesten eine große Koalition geben. Das ist aber eine Entscheidung für das Jahr 1999. Ich bin überzeugt, daß sich die Parteienlandschaft in den nächsten Jahren so verändern wird, daß man in zehn Jahren ganz woanders stehen könnte. Und warum sollte es nicht durch neue Parteien im Landtag möglich sein, neue Konstellationen zu finden. Daß man mit den Grünen 1999 eine Mehrheit bildet, ist nicht wirklich zu erkennen.

• Burtscher: Uns treibt der Geist der Veränderung und der nächste Termin ist immer die nächste Möglichkeit für die Veränderung. Es ist nur dann alles schon vorher fix, wenn sich die Sozialdemokraten nicht in irgendeiner Weise von der ÖVP emanzipieren. Ich halte es für ein schweres Versäumnis der Sozialdemokraten im Lande, daß sie nicht imstande sind, die Widersprüche, in denen sich die ÖVP bewegt, aufzuzeigen.

In der Stadt hat man oft den Eindruck, daß zwischen SPÖ und Bürgerliste in vielen Fragen Übereinstimmung be-steht. Im Land hat man eher den Eindruck, daß sich Rot-Grün nicht immer ganz »grün« ist. Gibt es im Land Salzburg eine rot-grüne Option?

• Burgstaller: Die Bürgerliste im Land ist, obwohl weniger an Köpfen wie in der Stadt, von einer größeren Bandbreite. Und da gibt es Sachkoalitionen und Bereiche, wo wir überhaupt nicht zusammenarbeiten können. In der Sozial- oder in der Frauenpolitik hat es eigentlich immer Übereinstimmungen gegeben, da sind wir aber leider oft in der Minderheit geblieben. Wir haben andere Voraussetzungen als in der Stadt. Rot und Grün bringt im Landtag nichts zustande, außer mit jahrelanger Überzeugungsarbeit, in der Stadt gibt es wechselnde Mehrheiten. Und dann kommt natürlich dazu, daß der Kollege Burtscher in vielen Fragen sehr konservativ ist.

• Burtscher: Es gibt ein Element, daß die Diskussion ganz anders macht als in der Stadt. Die Mehrheitsverhältnisse in der Stadt Salzburg sind veränderbar. Im Land sind die Mehrheitsverhältnisse einzementiert, das heißt die Entscheidung fällt zwischen ÖVP und SPÖ und wird dann auf Gedeih und Verderb verteidigt. Wir werden mit fertigen Ergebnissen von der schwarz/ roten Kooperation konfrontiert.

Man darf aber nicht übersehen, daß es auch Übereinstimmungen gibt. Die liegen im Sozialpolitischen, weitgehend im Bereich der Verkehrspolitik, zum Teil im Bereich der Energiepolitik.

Zur Kulturpolitik. Erstens die Frage an die SPÖ. Ist in den kommenden Koalitionsverhandlungen das Kulturressort für die SPÖ ein unabdingbares Muß oder ist es verzichtbar?

• Burgstaller: Für mich ist klar, daß es in sozialdemokratischer Hand bleiben muß. Und zwar deshalb, weil ich in den letzten Jahren mitverfolgt habe, was konservative Politiker mit der Kulturpolitik am Hut haben.

Im Vergleich zu Salzburg gibt es in Oberösterreich blühende Landschaften - und einen VP-Kulturressortchef.

• Burgstaller: Die Kulturpolitik im Land war in den letzten Jahren von Rettungsaktionen gekennzeichnet, weil die Stadt mit Bürgermeister Dechant Schnitte in den Kulturbudgets gemacht hat. In so einer Situation ist es nicht so einfach viel Neues zum Blühen zu bringen.

• Burtscher: Man könnte es sich leicht machen und darauf verweisen wie tief der relative Anteil im Kulturbudget gesunken ist, so tief wie er seit Jahrzehnten nicht mehr war. Das würde allerdings nur einen kleinen Teil ausleuchten. Das Wesentliche, das uns fehlt, ist eine offene Stimmung im Land. Eine Stimmung, aus der kulturelle Initiativen gefördert, in der Provokationen zugelassen, in der Projekte entwickelt werden. Die Regierungsmitglieder müssen ein Umfeld erzeugen, mitgestalten, in dem Neues möglich wird.

Beispielsweise die Kunsthalle: Es fehlt bis jetzt die Erarbeitung eines Konzeptes mit den Salzburger bildenden Künstlern, mit den Salzburger Galeristen, sodaß dies ein Ort ist, in dem Kultur und Kunst in Salzburg lebendig, erlebbar und authentisch wird.

Wenn ich mir die beklemmende Diskussion um die Punkertage im letzten Jahr ansehe, dann hat es hier im Haus von Repräsentanten - auch von der SPÖ - Äußerungen gegeben, die nur in Richtung Ordnung gerufen haben, als die Stadt zerniert wurde. Ich habe, als das Ganze als Internet-Jux aufgeflogen ist, kein Nachdenken oder eine Selbstkritik gehört.

• Burgstaller: Ich sehe das ganz anders. Es gibt wahrscheinlich wenige, die so intensiv wie Landesrat Othmar Raus die Diskussion mit den Betroffenen selber suchen. Wir haben ein völlig neues Kulturförderungsgesetz, das unter Einbindung aller Initiativen ausgearbeitet worden ist.

• Burtscher: Ich halte das Kulturförderungsgesetz für ein erfreuliches Ereignis der letzten Periode.

• Burgstaller: Solche Beispiele gibt es viele; etwa auch bei der Umsetzung der mittelfristigen Finanzierung, die wir - gegen schwerste Widerstände der ÖVP und vor allem der Freiheitlichen - im Landtag beschlossen haben.

Auffallend ist, daß in der Landesregierung gleich vier Ressorts mit Kulturfragen beschäftigt sind.

• Burgstaller: Ja, man soll das in einer Hand konzentrieren.

Ist von der SPÖ, von der Bürgerliste im nächsten Jahr eine Initiative zu erwarten, die Forderung des Dachverbandes Salzburger Kulturstätten nach einer Erhöhung des Kulturanteils auf 3,5 Prozent des Gesamtbudgets zu erfüllenn?

• Burgstaller: Das muß ich mir anschauen, denn entscheidend ist die Verteilungsfrage.

• Burtscher: Ja, wie jedes Jahr seit 1994.

Zur Sozialpolitik: Die SPÖ hat verschärfte Kontrollen für Sozialhilfeempfänger angekündigt und das veränderte Salzburger Klima dafür als Vorwand genommen. Was ist das für ein verändertes Klima, dem sich die SPÖ bei den Wahlen beugen muß?

• Burgstaller: Das ist medial etwas verquer transportiert worden. Wir haben eine aktive Sozialpolitik, so wie es eine aktive Arbeitsmarktpolitik gibt, gefordert. Wir sagen, wir sollen nicht einfach die Sozialhilfe und die Probleme der Sozialhilfeempfänger verwalten, sondern wir wollen, daß jedem arbeitsfähigen Sozialhilfebezieher, als Chance, daß er wieder Fuß fassen kann, ein Arbeitsplatz oder ein Ausbildungsplatz angeboten wird. Das ist uns dann als Sozialschmarotzerdebatte ausgelegt worden. Das war es mitnichten, denn die Sanktion steht jetzt im Gesetz, aber die Aktivität steht nicht drinnen.

Faktum ist, in Zeiten knapper Budgetmittel stellen sich überall Verteilungsfragen. So wie ich konsequent dafür bin, daß man alle Steuerhinterziehungsmaßnahmen überprüft, muß man das auch im Sozialbereich tun. Nur fehlen Instrumente.

Die Instrumente werden nicht mehr Kosten verursachen wie der Sozialmißbrauch selbst?

• Burgstaller: Ich halte es für eine Schweinerei, daß bestimmte Mißbrauchsfälle bei der Polizei bekannt sind und in der Kronen Zeitung landen und nicht dort wo sie landen sollten, nämlich am Sozialamt, wo man das überprüfen sollte. Ich sage, ein Zuhälter braucht keine Sozialhilfe.

• Burtscher: Das ist - sechs Monate vor der Wahl - ein fataler Kniefall vor der Kronen Zeitung; noch dazu mit einem Gesetz ausgestattet, das der eigene Parteimann zu vollziehen hat. Jetzt so zu tun, als wären die in der Kronen Zeitung geschilderten Einzelfälle das gesamte Sozialhilfewesen im Land Salzburg und es würde hier einen Selbstbedienungsladen geben, das entsolidarisiert. Das bringt die Sozialhilfe in jenes Eck, wo jeder jedem alles neidig ist.

Warum diese Begleittöne von der SPÖ?

• Burgstaller: Das war wirklich eine medial aufgebauschte Sache und sonst nichts. Für mich ist es klar, es soll nirgends einen Mißbrauch geben.

• Burtscher: Alles kann Salzburg mehr gebrauchen als eine Sozialschmarotzerdebatte.

• Burgstaller: Genau. Wir wollen keine Sozialschmarotzerdebatte, ich möchte eine Debatte über das soziale Netz: Wie können wir gegensteuern, um das Aussteuern der Menschen durch das nicht funktionierende erste soziale Netz, durch einen nicht funktionierenden Arbeitsmarkt, durch Niedrigsteinkommen, durch noch immer nicht bewältigte Wohnkosten, zu verhindern?

Wird die Sozialpolitik mit einer Landtagsabgeordneten Elisabeth Moser in Zukunft von der Bürgerliste stärker behandelt werden?

• Burtscher: Man wird sehen, welche interne Aufteilung der Aufgaben stattfinden wird.

Wir haben beklagt, daß es in der vergangenen Legislaturperiode keine couragierte Sozialpolitik gegeben hat. Ein einheitliches Sozialhilferecht für das Bundesland Salzburg gibt es noch immer nicht. Aber nicht etwa, weil die ÖVP das irgendwie verweigert hätte, sondern es gibt es deswegen nicht, weil die Vorarbeit aus dem Ressort von Landeshauptmannstellvertreter Gerhard Buchleitner nicht gekommen ist.

• Burgstaller: Für ein einheitliches Sozialrecht hat es umfassende Vorarbeiten gegeben. Aber die ÖVP ist sofort mit einem Wunsch nach einem Seniorengesetz gekommen, also genau mit dem Gegenteil. Sie will wieder eine Gruppe herausnehmen, privilegieren, um zu sagen, das sind die guten Sozialhilfebezieher und der Rest sind die Schlechten. Es ist aber ganz klar, daß ein wichtiger Bestandteil der Regierungsverhandlungen ein einheitliches Sozialrecht wird.

Es gibt im Sozialbereich eine wirklich schreckliche Koalition zwischen ÖVP und FPÖ, begonnen mit der Novellierung des Sozialhilfegesetzes 1994, wo Menschen nur deshalb, weil sie nicht österreichische Staatsbürger sind, ausgeklammert wurden. Das wollen wir weg haben! Das kommt für mich in die Regierungsverhandlungen hinein, denn ich halte das für einen peinlichen Akt. Die Sozialhilfe ist wirklich die letzte Unterstützung und die braucht jeder Mensch, egal welchen Paß er hat.

Zum Schluß: Das Wahlziel für März 1999?

• Burtscher: So viele überzeugte WählerInnen wie möglich.

• Burgstaller: Mindestens 30 Prozent und aktive Mitgestaltung, sprich in der Regierung sein.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führten Thomas Neuhold und Romana Klär