november 1998

Didi Neidhart
gehört

BAD BLUES

Blues-Pflege der anderen Art betreibt das amerikanische Fat Possum-Label (Vertrieb: EMV). Das bedingt sich schon aus dem Status einer Unterabteilung von Epitaph Records (US-Punk zwischen Bad Religion und Wayne Kramer). Doch Fat Possum geht es nicht nur um die Gleichung Blues = Punk, auch wenn Jon Spencer seine Finger oft mit im Spiel hat und die Beastie Boys begeisterte Fan-Briefe verschicken. Ganz simpel meint Fat Possum eben jenes meist im unteren Süden der USA anzutreffende Unkraut, das auch im Blues selten bis nie vergeht. Dementsprechend betagt sind die Acts (meist schon jenseits der 70). Was gleichzeitig heißt, daß sich hier niemand auch nur das geringste scheißt und gerade deshalb den vielleicht hottest blues-shit der 90er spielt. Das Spektrum reicht dabei vom rudimentären Country-Blues eines ROBERT CAGE, dessen Balladen auf »Can See What You're Doing« regelrechte Qualzustände darstellen, bis zu den unbeschreiblichen, durch Mark und Bein gehenden Moritaten, die CEDELL DAVIS auf »The Horror Of It All« mittels blechern rückkoppelnden Gitarren in die Dunkelheit der Nacht heult. Ist aber alles noch eher moderat in Vergleich zum Guitar/Drums-Duo ELMO WILLIAMS & HEZEKIAH EARLY und ihrer CD »Takes One To Know One«. Hier entsteht Blues aus dem Geist von funkigem Noise und sollten Titel wie »Insane Instrumental« mehr als wörtlich genommen werden. Wie weit Blues bei Fat Possum definiert wird, zeigt schließlich Label-Star R.L. BURNSIDE mit »Come On In«. Mittels Sampels und Loops (bewerkstelligt vom Beck-Producer Tom Rothrock) wird hier die moderne Elektronik sozusagen im Swamp-Blues versenkt und dieser (u. a. als Alec Empire-Remix) ins 21. Jahrhundert katapultiert.