dezember 1998

(Drax)
geschaut

Jenseits von Präsident Rieger

Wuzln in Salzburg

Abseits schwindelerregender Millionentransfers, steckbrieflich gesuchten Präsidenten, und eintrittspfändenden Gebietskrankenkassen - Vertretern blüht im verborgenem der rege Spielbetrieb der lokalen Tischfußball- /Wuzlgemeinde.

Vornehmlich Samstag nachmittags macht sich in den Räumlichkeiten gediegener Gastfreundlichkeit wie der Pucher Stub'n, dem St. Gilgener Amadeus oder der Almbar in Werfen Turnierfieber breit. Nervös schart man sich um den »Garlando«, den Mercedes unter den Tischfußballtischen. Wer mit dessen Persönlichkeit vertraut ist, darf sich im Besitz des Heimvorteils wähnen und damit das eingesetzte Preisgeld bereits in handfeste, glasverpackte Getränkeeinheiten umrechnen.

Vorerst gilt es jedoch in bewährter fair- play-Manier das Startgeld beim lokalen Veranstalter abzuliefern. Ein Zettel mit allerlei komischen Namen, auch Auslosung genannt, bedingt die ersten nüchternen Analysen der kommenden Begegnungen. Keine Frage, daß diesmal aufgrund der aufgerauhten Spielfläche an ein schnelles Spiel nicht zu denken ist. Eher langsam, mehlig bewegt sich der Ball, ein Umstand, der technisch schwächeren Teams kleinere Außenseiterchancen eröffnet.

Dennoch wird dem Prinzip Hoffnung nicht allzuviel Relevanz eingeräumt. Letztendlich zählt bei den sich in unterschiedlichen Variationen wiederholenden Tricks die Schnelligkeit, wobei dies den breitensportlichen Charakter keineswegs einschränkt. Exemplarisch seien jene Spieler angeführt, die erst nach dem ein oder anderen Getränk konzentriert, entscheidende Bewegungen verinnerlicht, in das Spielgeschehen eingreifen, ein Zustand auf dem zumeist ihre gesamte Spielpraxis basiert. Nicht wirklich überraschend können dabei in Kombination mit exzessiven Gefühlsregungen bösere Sportverletzungen auftreten, zuletzt ein gröberer Zahnverlust in Folge eines übergebührlichen Torjubels.

Eine regelmäßige wiederkehrende Widrigkeit sind die oft bis zu einer Stunde anhaltenden Spielunterbrechungen. Dem familiären Charakter entsprechend werden die Pausen mittels aktiver Kommunikation sowie der Vorfreude auf die nächsten zu erzielenden Tore überbrückt. Daß bei letzteren der Torlärmeffekt durch den eher provisorischen Einbau einer leeren Dose in die Getränkehalterung aufgetunt wird, kann durchaus als Wuzlerviagra gedeutet werden. Ein Zuviel an fremdbestimmter Modernisierung verkörpert durch Digitalanzeige und eingebauten Torjubel, stößt jedoch bei den Veteranen auf tiefe Verachtung. Offenes Interesse wird hingegen internationalen Eigenarten entgegengebracht. So forciert die explizit rundere Tischform auf der Iberischen Halbinsel ein offensiveres Spiel und erlaubt mittels der breiten Drehkickerschaufeln das vielgeliebte heimische Heberl, ein eigentliches Muß für jeden sich in der Cordoba-Tradition verstehenden Wuzler.