dezember 1998

Gerald Gröchenig

Wien, Mattersburg und der Rest von Österreich

Das Weißbuch zur Reform der Kulturpolitik ist auf Österreich-Tournee

Und es begab sich, daß ein Kunstkanzler und ein Staatssekretär, an denen die letzten zehn Jahre kulturpolitische Diskussion spurlos vorübergegangen waren, eine Arbeitsgruppe »Weißbuch zur Reform der Kulturpolitik« einrichteten. Diese Gruppe sollte ein Papier zu einer grundlegenden Reform der Kulturverwaltung als Diskussionsgrundlage erarbeiten. Von den 29 Experten dieser Gruppe residieren 27 in Wien, was wohl nichts anderes bedeuten kann, als daß die »verschiedensten Felder zeitgenössischer Kunst- und Kulturvermittlung« (Zitat Weißbuch) außerhalb der Bundeshauptstadt nicht existieren. Unter diesen 29 Personen war mit Gerhard Ruiss ein einziger Künstler vertreten, was wiederum darüber Aufschluß geben kann, welche Personen Österreichs oberste Kulturpolitiker als für das Kulturleben repräsentant einschätzen.

So entstand ein Konvolut, in dem die verschiedenen AutorInnen (oft widersprüchliche) Analysen und Maßnahmen niederschreiben und zur Diskussion vorschlagen. Jede der vertretenen Interessensgruppen legt ihre bekannten Statements dar. Wer in der Gruppe nicht dabei war, hat eben Pech gehabt und darf sich erst jetzt in die Diskussion einmengen. Der Gehalt der Maßnahmen bewegt sich zwischen diskussionswürdig und peinlich (wie z. B. die neun Zeilen zum Thema »Frauenfördernde Maßnahmen«).

Immerhin hat man erkannt, daß man sich zumindest den Diskussionen in den Bundesländern stellen muß, und so tourt jetzt eine Weißbuch-Tournee durch Österreich, bei der Sektionsleiter Mailath-Pokorny stolz einbekennt, daß »gleichzeitig zu Salzburg, in Mattersburg und dann auch noch im Rest von Österreich« Diskussionen stattfinden werden. Dort haben dann Kulturschaffende der Region die Möglichkeit, ihre Einwände mit den AutorInnen zu besprechen.

Ob diese ganze Gesprächsbereitschaft mehr als ein bloßer PR-Gag ist, wird sich zeigen, wenn aus den Vorschlägen dann das endgültige Weißbuch erarbeitet wird. Realität ist, daß die Verwirklichung auch nur einiger der darin vorgeschlagenen Maßnahmen Geld kostet, und Realität ist auch, daß bereits am Beginn des Buches zweimal darauf hingewiesen wird, daß es von Seiten des Bundes nicht mehr Geld geben wird. Während in Wien repräsentative Einrichtungen wie Bundestheater weiterhin mit Milliarden rechnen können, sind für neue Herausforderungen wie z. B. »Freie Radios« keine zusätzlichen Budgetmittel vorhanden. Wenn überhaupt müssen diese aus dem Topf für »Kulturinitiativen« gefördert werden, der ohnehin unterdotiert ist. Und da die Gelder seit Jahren nicht erhöht wurden, bedeutet jedes neue geförderte Projekt, daß ein anderes draufzahlen muß.

Wenn nun die oberste Kulturpolitik in der Präambel zum Weißbuch ihre Wertung für Kultur derart zum Ausdruck bringt, daß sie diesem Sektor die Bereiche Wachstum, Forschung und Entwicklung (für die natürlich zusätzliche Budgets vonnöten sind) abspricht, muß man vom Wirken dieser Politik erwarten, daß man sich des weiten Bereichs außerhalb des Repräsentativen eher entledigen will. Das Große, Repräsentative, das, wo man sich zeigen kann, soll weiter als Feigenblatt beibehalten, sonst aber der Bereich der Kultur »verschlankt«, offiziell die Verwaltung entlastet und die Agenden in Stiftungen und Fonds auslagert werden.

Manche der Vorschläge zielen in diese Richtung und müßten bei den Betroffenen alle Alarmglocken zum Klingen bringen. Wenn z. B. Michael Wimmer vom Österreichischen Kulturservice ÖKS neun Seiten Platz erhält, um die Einführung und Anwendung des »New Public Management« auch im Bereich öffentlicher Kunst- und Kulturverwaltung einzufordern, so verschweigt er wohlweislich, warum es zu diesem Modell gekommen ist, wer die großen Promotoren dieses Modells waren und was das für die Kultur bedeuten könnte.

Vielleicht könnten Punkte dieses Modells einer Verwaltungsreform auf österreichische Anforderungen adaptiert werden, aber unter der Präambel, daß die öffentlichen Haushalte für die Kultur nicht ausgeweitet werden, kann diese Forderung auch dazu führen, daß weniger Geld über private Organisationen unter ökonomischen und quantitativen Zielen vergeben wird und sich Politik und Verwaltung dabei die Hände in Unschuld waschen.

Man darf gespannt auf das »Schwarze Buch« der IG Kultur Österreich warten, das Mitte Dezember als Ergänzung zur Vorlage der Kulturpolitik präsentiert wird und dessen Ergebnisse laut Sektionschef eingearbeitet werden sollen. Und man darf wirklich gespannt sein, was letztendlich beim Endprodukt des Weißbuchs rauskommt. Wachsamkeit gegenüber der offiziellen Kulturpolitik des Bundes ist auf jeden Fall weiter gefordert.