dezember 1998

Jan Carlsen

Vom Austeilen und Einstecken

Eine mediale Kampagne, des Bürgermeisters dünne Haut und die Grausamkeit des Gedächtnisses

Josef Dechant hat am Nationalfeiertag erklärt, die Politik nach den Gemeinderatswahlen am 7. März zu verlassen. »Schuld« an seinem Abgang sei nicht etwa die verheerende Bilanz seiner Tätigkeit. Nicht doch! Nein, der Politfrust ist’s. Und den hätten wiederum die Medien zu verantworten. No na! Der mediale Dolchstoß wäre mit einer Kampagne (engl.: campaign!) gegen ihn geführt worden, erklärte Dechant einer handverlesenen Schar »braver« JournalistInnen beim Mittag-essen, für das ein kleiner Tisch schon reichte.

Was dann kam, gibt es wahrscheinlich nur in der österreichischen - möglicherweise auch noch in der mittelamerikanischen oder vielleicht in der kroatischen - Medienlandschaft: Immer dann, wenn einer von »da oben« sich von den Schreiberlingen »da unten« angepatzt fühlt, finden sich einige JournalistInnen, die bereit sind, in das Büßerhemd zu schlüpfen und auf Tasten nach Maria Elend zu rutschen.

Im Fall des bald Bürgermeister Gewesenen war’s diesmal das »Salzburger Fenster«. Gar Wundersames konnten wir in der sonst selbst nicht mit Attacken und Gerüchten geizenden, aber »gewöhnlich gut informierten« (Zitat: »Salzburger Nachrichten«), Gratiszeitung lesen. Schon der Untertitel des Artikels über den »Mörderjob Politiker« macht die Tragödie des Dechantschen Rückzuges deutlich: »Die Topmänner sind viel dünnhäutiger, als das Volk glaubt!« Blöder Pöbel auch.

Es geht aber noch devoter. O-Ton »Fenster«: »Auch wir Journalisten (die drei Worte fettgedruckt!) wußten nicht, wie sehr jener Politiker (gemeint ist »Happy Pepi«), der früher so charmant und nonchalant sein konnte und der die gröbsten Beleidigungen im Salzburger Rathaus lächelnd hinunterschluckte, gelitten hat.« Asche aufs Haupt, ihr Schmierfinken!

SPOT, Kino, ARGE...

Im Ernst: Menschen mit gutem Gedächtnis sind oft eine schreckliche Sache. Das mag manchmal grauslich sein. Für RedakteurInnen ist aber ein geschärftes Erinnerungsvermögen immer noch das wirksamste Mittel vor peinlichen Aussetzern. Möglich, daß Dechant wirklich ein »Dünnhäuter« (Zitat: »SN«) ist. Die Salzburger Kulturschaffenden haben das jedenfalls nie gemerkt. Sie waren meist nur mit einer beleidigten Leberwurst konfrontiert, die nicht die kleinste Kritik verträgt, selber aber nicht gerade die feine Klinge führte.

Beispiele gefällig? Na gut, aber nur zur Erinnerung: SPOT-Geschäftsführer Otto Hochreiter beruflich demontiert, später doch eine millionenschwere Abfertigung gezahlt, für die Liquidation von SPOT wieder Millionen an Steuergeld verplempert; dem Frauenkulturzentrum die Gurgel zugedrückt; Amtsberichte zurückgehalten; versucht, »DAS KINO« an die Firma »Constantin« zu verscherbeln...

Und wer sollte eigentlich beleidigt sein? Josef Dechant, oder vielleicht nicht eher die tausenden Mitglieder der »ARGE Kulturgelände Nonntal«, die vom Bürgermeister in Kollaboration mit der »Kronen Zeitung« öffentlich in die Nähe des politischen Terrors gebracht wurden. Und selbst im Abgang versuchte der bald Kulturressortchef Gewesene noch ein Revanchefoul: Ein halbe Million weniger für das Literaturhaus, als Strafe dafür, daß die von Klaus Zelewitz organisierte Gegenveranstaltung - »ein Bürgermeister, der für eine Ausstellung eines SS-Offiziers den Ehrenschutz übernimmt, ist den jüdischen Kongreßbesuchern nicht zumutbar« - zur offiziellen Eröffnung des Stefan-Zweig- Kongresses im Eizenbergerhof stattgefunden hatte. Das ist nicht wirklich »charmant wie Dean Martin« (Zitat »Fenster«).

Möglich, daß der Herr Dechant wirklich ein »Dünnhäuter« ist. Uns kann’s egal sein, denn wer so austeilt, muß auch was einstecken können. Die Kulturschaffenden hatten von Herrn Dechant jedenfalls nie Mitgefühl und Mitleid zu erwarten.