dezember 1998

Roman Höllbacher
titel

Pro Domo - Heimspiel im Kulturgelände

Die Siegerprojekte des Ideenwettbewerbs Architektur

Wettbewerbe werden nicht selten durchgeführt, um lästige Interessensvertreter zu befrieden oder um der Öffentlichkeit den Eindruck von rundherum unglaublich zielgerichteter Tätigkeit zu vermittteln. Liegen endlich Modelle, Pläne und Preisträger vor, kreuzt die Armada der Gegner auf und betätigt sich im beliebten Brauch des Projekteabschießens. Die Betreiber geraten ins Hintertreffen, bis sie zu guter Letzt, mürbe und ausgemergelt, Widerstand und Projekt aufgeben.

Bisher hat der Wettbewerb zur Restrukturierung des Kulturgeländes Nonntal, der für StudentInnen an österreichischen Architekturhochschulen und Universitäten ausgeschrieben war, noch keinen besonderen Widerhall ausgelöst. Es wurde auch keine Bürgerinitiative »Rettet das Nonntal« gegründet und abgesehen von wenigen Randbemerkungen blieb es medial bislang ruhig. Daraus lassen sich ambivalente Schlüsse ziehen:

Der vom Kulturgelände, gestützt auf einen einschlägigen Kontrollamtsbericht, vorgetragene Sanierungs- und Umbauplan wurde bei den Empfängern als derart schwaches, sprich zu vernachlässigendes Signal entgegengenommen, daß man sich nicht weiterhin damit beschäftigt. Auch scheinen die Parteistrategen sämtlicher Couleuren in Stadt und Land mit der Erstellung von Wahllisten und der Abhaltung interner Grabenkämpfe derart blockiert zu sein, daß schlicht keine Zeit mehr bleibt solch Ansinnen zu kommentieren. Nichtreaktion bedeutet momentan sicher nicht Zustimmung, sondern einfach nur Desinteresse.

Es signalisiert aber auch das Interesse an der ARGE und ihrer Klientel, das man in Vorwahlzeiten ungern prellt. Dieses Wählerpotential kann man nicht mehr links liegen lassen, vielmehr gehört er hierzulande zum Bestandteil der neuen Mitte.

Vor diesem Hintergrund sind die Anliegen des Kulturgeländes von verantwortungsbewußten Akteuren zu vermitteln. Eine Darstellung der Mängel, der Bedürfnisse und der Perspektiven des Vereins im kulturellen und ortsteilspezifischen Umfeld, muß wertfrei und ideologisch-neutral kommuniziert werden. Die aktuelle Stimmung, die keine negativen Tendenzen beinhaltet, ist in eine Affirmation umzumünzen.

Das Wettbewerbsergebnis

Der Wettbewerb, bei dem 49 Studententeams Projekte einreichten und im November juriert wurde, bescherte ein intelligentes und reifes Siegerprojekt. Überraschend beim Rundgang durch die Ausstellung: es gibt keine schlechten und auch keine schalkhaften Beiträge unter dem Motto »Einen Jux, will er sich machen«. Das würdigt nicht nur die Teilnehmer, sondern auch den Auslober und die Berater von der TU Graz, die den Wettbewerb abgewickelt haben. Es ist dies Indiz für die hohe Motivation aller Beteiligten und stärkt das Resultat.

Wie nicht anders zu erwarten, haben viele Wettbewerbsteilnehmer haarklein die Ausschreibung nachgebaut und das produziert, was man bei Architektenwettbewerben zuhauf sieht: unter beliebigen Hüllen verbergen sich idente Raumprogramme. Die Ideologie der Oberfläche zerstört damit den Inhalt. Da gibt es die langweiligen Kisten, die jeder Versicherung, Bank oder Kulturverwaltung wunderbar zu Gesicht stünden oder auch jene Kulturverbandskomplexe, die einen Betrieb wie die ARGE offenbar mit expressiv-gestischem Animismus vor Erstarrung bewahren wollen. Darüber hinaus, schicke Schachteln und Neomodernistisches, aus den Theoriegebäuden von Faltung und »wrapping« Geklontes angboten. Bei allem Engagement ist ihnen freilich die Stampiglie«No Project« nicht mehr zu nehmen.

Die Entwürfe in den drei Preisrängen, haben sich hingegen von der Frage, wie setzte ich ein gefordertes Raumprogramm in möglichst attraktiven Formen um, gelöst und konnten damit inhaltlich Stellung beziehen. Der Begriff Studentenwettbewerb, letztlich hierarchisch-pejorativ verwendet wird, hat hier auch ausgedient, weil Konzepte von hoher Stringenz und absoluter Professionalität vorliegen. Die Ideen sind nicht vom Alter oder vom Ausbildungsgrad des Entwerfers abhängig.

Ruth Schönbacher und Ines Zimmer (3. Preis) erhalten den Bestand im wesentlichen und schaffen durch die Hinzufügung eines markanten hochgestellten Quaders einen neuen Blickfang. Der Reiz des Projektes - das Alte erhalten und das Neue als Signal in den Raum zu stellen - kann aber über gewisse funktionelle Mängel nicht hinwegtäuschen. Trotzdem, das selbstbewußte Sprechen, das »New Image«, das die ARGE braucht, ist hier als Desiderat angesprochen.

Stephan Hoinkes und Franz Georg Spannberger (2. Preis) haben einen nord-südgerichteten Riegel als Neubau am Mühlbacherhofweg plaziert. Abschirmung gegenüber den Wohnbauten und die Ausrichtung des Objektes zu den Sport- und Spielstätten ist städtebaulich und funktionell richtig. Das Fassadenkonzept mit mobilen Fassadenelementen sollte als bewegtes Outfit ein lebendiges Inneres simulieren. In dieser »Sollens-Bestimmung« liegt auch die Krux begraben. Um ein wenig ätzend zu sein: was hat denn Fensterläden aufklappen mit kultureller Mobilität zu tun? Beim Gedanken daran geht einem das dauernde Geschiebe bereits jetzt auf die Nerven.

Der erste Preis von Gerhard Kresitschnig und Gerhard Kopeinig enthält sich genau dieser formalistischen Züge äußerer Zeichengebung. Durch dieses Projekt ist der Wettbewerb als voller Erfolg zu werten. Den Entscheidungsträgern im Kulturgelände liefert es einen Ariadnefaden, einen Orientierungsplan im Dschungel, der ihnen überdies die Aufgabe abnimmt, über Konzepte zu sinnieren. Die beiden jungen Studenten haben diese Denkarbeit geleistet, das sieht man an jedem zu erläuternden Gesichtspunkt. Jetzt muß man nur den roten Faden in die Hand nehmen und ihn nicht mehr hergeben.

Der Entwurf hat zwei Gesichtspunkte in den Vordergrund geschoben und da ist die Message ganz scharf und ganz präzise. Das Raumprogramm im Bereich Verwaltung, Klos und was sonst noch so an Nebenräumen im Wettbewerbsprogramm aufgelistet war, wurde zum Teil erheblich unterschritten: will sagen Reduktion des Apparats aufs Minimum, keine leere Quadratmetervergeudung und Kultur ist action, nicht Ärmelschonerwesen.

Zweitens haben sie gezeigt, wie man an die Aufgabe am wirtschaftlichsten herangeht. Das Konzept bietet von selbst eine etappenweise Umsetzung mit Erweiterunsgmöglichkeiten, bis hin zum Visionären an. Die Vision ist aber nicht Voraussetzung, damit man überhaupt aus den Startlöchern kann, sondern ein abgestecktes und bei Hartnäckigkeit erreichbares Ziel.

Als erster Schritt könnte der Veranstaltungsbereich mit dem neuen Saal (Nebenräume im Keller) geschaffen, während Verwaltung und Beisl im Bestandsbau weiterbetrieben werden. Dieser wird in einer zweiten Etappe, unter Verwendung der bestehenden Tragstruktur, aufgestockt. In dieser Phase sind die Büros am günstigsten in ein paar Containern unterzubringen. Die Reihenfolge dieser beiden Maßnahmen wäre zeitlich auch umkehrbar. Zusätzlich kann das Dach des gesamten Objektes, im aktuellen Projekt sind nur vereinzelte Boxen aufgestellt, eine Erweiterung im Selbstausbau durchgeführt werden. Ressourcen sind ausreichendem Maß konzipiert und insgeheim sagt das Projekt, man wird schon sehen, was man wirklich brauchen wird.

Der Veranstaltungsbereich mit dem neuen Saal kann, als visionärer Ausblick, in Richtung der Sportplätze von Union und SAK als Freiluftarena ausgeführt werden.

Die geplante Verlegung des Zugangs und der Stellplätze in den Bereich nördlich des Heizkraftwerkes Süd verhindert, daß der Besucherverkehr in den Mühlbacherhofweg hereingezogen wird. Mit der neuen Orientierung des Kulturgeländes können die bisherigen Nutzungskonflikte ausgeschaltet werden. Die friktionsfreie Anbindung des Kulturgeländes und die Innenorientierung, ist ein klares Angebot, an die Anrainer. Diese Erschließung setzt eine Prämisse, die, wie schon früher im »kunstfehler« festgestellt, unbedingt anzustreben ist. Mit dieser Perspektive sollten auch die Anrainer einen Impuls zur Umsetzung geben.

Die Qualität des Siegerprojektes - das spricht auch für den Weitblick der Jury, die das Kulturgelände ausgezeichnet beraten hat (Vorsitz: Prof. Arch. Klaus Kada, Aachen/Graz) besteht darin, daß es keine Form, sondern eine Strategie vorgeschlagen hat. Die kritische Auseinandersetzung mit dem Thema, nämlich die Reflexion der historischen und der künftigen Rolle vor der stadträumlichen Situation des Kulturgeländes Nonntal, ist in keinem anderen Projekt so beherzt spürbar. Es begeistert nicht durch architektonische Details oder modische Accesoirs, die morgen sowieso keiner mehr ertragen kann, sondern durch ein im Wesen knochentrockenes Konzept. Mit diesem finanziell überschaubaren Projekt kann man zu Beamten, zu Politikern und zur Bevölkerung gehen. Die Angebote in Richtung Anrainer (Bewohner - Entspannung der Verkehrssituation; Sportvereine - Synergien Stellplätze, Freiluftarena) sind gewichtige Argumente. Die durchdachte Lösung stellt den Verein überdies vor keine unüberwindbaren Hürden. In Salzburg kennt man am Kultursektor ja auch jene Beispiele, wo ein ambitioniertes Neubauprojekt gleich das Management runderneuerte. Dieses darf nun jedenfalls keinen Weg scheuen und muß für die Sache werben. Rechnet man nach, wie lange der Kunstverein bereits um die Renovierung seines Hauses bettelt, so wird einem die zähe Natur hiesiger Kulturpolitiker bewußt, und die Aufgabe, obwohl als Heimspiel angelegt, nicht leicht.