april 1999

Peter Truschner
gelesen

RICHTER, Gerhard: Text.

Insel Verlag 1993

Immer noch wächst der Müllberg kunstbezogener Publikationen. Geradewegs ins Blaue hinein, ohne eine erkennbare Öffentlichkeit, die nach ihnen verlangt hätte. Das liegt nicht nur an den Akkordveröffentlichungen beflissener Universitätsassistenten. Vielmehr liegt es daran, daß immer noch zuwenig Authentisches aus den Gedankenwelten von Künstler/innen und dem Entstehungszusammenhang von Kunst zur Verfügung steht, das ästhetische und kunsttheoretische Abhandlungen selbstredend nicht hinfällig machen, jedoch den Auswuchs an Hochspekulativem und Banalem auf diesem Gebiet in die Schranken weisen würde. »Meine Bilder sollten unbedingt klüger sein als ich«, fordert Gerhard Richter, dessen Buch 'Text' als eine der wenigen großen Ausnahmen vom zuvor Behaupteten gelten muß. »So lange ich sie theoretisch begreife, ist es ja langweilig.« Der von einem Großteil der Meinungs- und Monetenmacher als bedeutendster lebender deutschsprachiger Künstler anerkannte, 1932 in Dresden geborene Richter erteilt in dieser Montage aus Tagebuchskizzen, Interviews, Katalogtexten und Briefen in einer Weise Auskunft über sich und seine Arbeit, die als umfassend gelten muß. Die Kraft des Buches liegt in der Unverblümtheit, mit der Richter den unterschiedlichen Bereichen des Menschlichen zu Leibe rückt. Er verstellt sich nicht, nimmt kaum Rücksichten, bekennt sich zu Vorlieben und beharrt auf seinem Recht, sich irren zu können. »Oft bin ich verblüfft, wieviel besser der Zufall ist als ich.« Es gelingt ihm, deutlich zu machen, warum er als einer jener Künstler gilt, die nie Sklave eines Stils wurden. »Meine Bilder evozieren fachliche Probleme, die mich im Grunde aber nicht interessieren...«. Wie es ihm immer wieder gelang, seine Widersprüche in produktives Handeln zu verwandeln. Wie er politisch Stellung bezieht und sich dagegen wehrt, abgestempelt zu werden: »Ich bin weder Konzeptkünstler noch Intellektueller. Daß man reflektiert und bedenkt, was man macht, ist doch selbstverständlich. Insofern wäre nur die Malerei von Idioten nicht konzeptuell.« Pflicht- und Lustlektüre für alle, die an der Kunst mehr als nur das Klugscheißen vor Vernissagenbüffets interessiert.