april 1999

geschaut

Salut für einen Querkopf.

Ein Nachruf auf BERNHARD FRANKFURTER

»In Wien mußt`erst sterben, damit sie dich hochleben lassen. Aber dann lebst lang« (Helmut Qualtinger, 1974)

Zu Lebzeiten war er ein Hansdampf in allen Gassen, der sich in fast allen (lebens)künstlerischen Disziplinen versuchte und sich zielsicher immer wieder zwischen alle Stühle setzte. Der 1946 in Graz geborene Bernhard Frankfurter stellte schon im zarten Alter von 7 Jahren seine Bilder in einigen Schulen aus. Als Jugendlicher lebte er in einem israelischen Kibbuz und pflegte gleichzeitig Freundschaften mit Arabern. 1966 gründete er noch in Graz die linksliberale Studentenpartei »Aktion«, die er während des Studiums in Wien quasi als Einmannbetrieb führte. Im ominösen 68er Jahr waren die Namen schon Programm und Kampfruf in einem: Äktschn und Frankfurter (Schule). 1970 gehörte er zu den ersten Redakteuren des gerade gegründeten »Profil«. Ab 1972 begann er für den ORF zu arbeiten und damit seine Tätigkeit als Filmemacher. Zwischen 1974 und 1985 realisierte Frankfurter etliche Low-Budget-Kinoproduktionen, zumeist dokumentarischer Art, die sich mit der Nazizeit, Vertreibung und Emigration beschäftigten. Darüberhinaus schrieb er Drehbücher und versuchte die österreichische Filmpolitik aufzumischen, indem er das Syndikat der Filmschaffenden Österreichs gründete und bis 1983 Vorsitzender des Verbandes der Filmregisseure Österreichs war. Unermüdlich kämpfte Frankfurter für die Rechte der Filmemacher, schrieb in österreichischen Filmzeitschriften (Filmlogbuch, Blimp...) gegen die Ignoranz der Politiker an und suchte nach einer adäquaten Bildsprache für ein Format zwischen Kurz- und Kinolangfilmen. In den 90ern war er - schon jahrelang Mitglied der Grazer Autorenversammlung - vornehmlich als Buchautor, Publizist und Dramatiker tätig. Sein letztes, nicht fertiggestelltes Projekt trug den Arbeitstitel »Das Gürtelbuch« und beschäftigte sich mit den Lokalen entlang des Wiener Gürtels. Die Wirte sprechen übereinstimmend von tiefen und ernsthaften Recherchen. Nicht erst seit Karl Kraus und den Wiener Kaffeehausliteraten spielt sich ein Gutteil der heimischen Kulturgeschichte ohnedies in Wirtschaften ab. Dort gehen Arbeit und Freizeit nahtlos ineinander über. Glanz und Elend der (Frei)Schaffenden, beides treibt das Tschechern in ungeahnte Dimensionen. Und natürlich ist das auch der Ort, um sich mit den Mächtigen zu verhabern. Dafür aber war Frankfurter ungeeignet: Als ewiger Nörgler und Unzufriedener, immer gut für eine Provokation, blieb er bis zum Schluß ein Einzelgänger. Am 2.Februar 1999 verstarb Bernhard Frankfurter 53-jährig in einem Wiener Spital an einer Lungenentzündung infolge einer übergangenen Grippe. Einige der Offiziellen, die ihn schon jahrzehntelang ignoriert oder belächelt hatten, sprachen »von einem großen Verlust für die Kulturszene«, Tageszeitungen widmeten ihm Nachrufe. All das nur, um das am Beginn zitierte Verdikt eines anderen großen Querschädels erneut zu bestätigen.