april 1999

Doc Holliday

Wien ist anders?

Joe Zawinul ist ein verdienter Jazzmusiker. Das hatte auch der Wiener Altbürgermeister Helmut Zilk erkannt. Also setzten sich die Zwei zusammen und brüteten eine geniale Idee aus. In Wien sollte ein Jazzlokal (Origineller Name »Birdland«) unter der Patronanz Zawinuls und mit finanzieller Hilfe der Gemeinde eröffnet werden. Später gab der Zilk-Nachfolger Michael Häupl eine erneute Förderungs-Zusage. Da traf es sich gut, daß der Nachtclub-König Heinz Schimanko eines seiner Etablissements, das »Moulin Rouge«, schließen wollte. Monatelang zogen sich die Pachtverhandlungen hin. Aber obwohl die Stadt Wien mit zehn Millionen Schilling aushelfen will, haben sich die Pläne im Februar zerschlagen. Schimanko hatte ein finanziell attraktiveres Angebot erhalten, aus dem Bar-Busen-Tempel wird ein Spielcasino. Wer sind nun die »Spieler« hinter den Kulissen des »Birdland«-Projektes, das nur aufgeschoben, nicht aber aufgehoben ist. Da ist zum einen Helmut Zilk (SPÖ): Mit Bundespräsident Thomas Klestil verbindet ihn eine besonders innige Freundschaft, hatte er sich doch vehement für dessen Wiederwahl eingesetzt. Unser HBP ist ja notorischer Zawinul-Fan, seit die beiden gemeinsam die Schulbank drückten. In den 60er Jahren diente der ÖVPler dem damaligen Bundeskanzler Klaus als persönlicher Sekretär. Ein Schicksal, das er mit dem amtierenden Wiener Kulturstadtrat Peter Marboe teilt. Der ausgewiesene Jazz-Fan über das Scheitern des »Moulin Rouge«-Deals: »Es tut mir leid für die Kultur. Ich bin aber zuversichlich, daß sich eine zufriedenstellende Lösung finden wird«. Ähnlich äußert sich auch ein anderer Zawinul-Intimus, Johannes Kunz, der das »Birdland« führen bzw. »programmieren« soll. Der smarte SPÖ-Unternehmer hat sich seine guten Beziehungen als Sekretär von Bruno Kreisky und ab 1982 durch die Tätigkeit beim ORF, wo er zuletzt Informationsintendant war, aufgebaut. Eine feine Jazz-Seilschaft, die die ehemaligen Sekretäre hier über alle Parteigrenzen hinweg etabliert haben. Im angloamerikanischen Raum gibt es ein schönes Sprichwort: »Birds of a feather flock together«. Nach der kleinen Vogelkunde bleibt eines festzuhalten: Die Subventionspraxis im Jazzbereich hat bereits Ausmaße wie in der klassischen Musik angenommen. Gefördert wird aber das ohnehin Etablierte. Folglich bleibt für Neues, Avantgardistisches und Schräges fast nichts mehr übrig. Gerade in Wien gäbe es zudem einige Sonderbarkeiten zu klären. Ist es wirklich notwendig, daß die Gemeinde aus dem Kulturbudget zwei Auslandsbüros finanziert? Als Zugabe fährt der »Jazz-Sommer« jährlich auch noch etwa 5 Millionen Schilling Verlust ein.