april 1999

Christoph Lindenbauer

Hut ab, Herr Kunz!

Über den ehemaligen Kreisky-Sekretär Johnnes Kunz und seinen vierten Salzburger Jazzherbst

DAS PROGRAMM

Monatelang ist es wie ein Geheimnis gehütet worden, das Programm für den Jazzherbst 1999, wahrscheinlich aus gutem Grund. In den vergangenen drei Jahren waren es wenigstens wirkliche Legenden des Jazz, die die Galaabende im großen Festspielhaus bestritten haben. Namen wie Art Farmer, Ray Charles oder Jon Hendricks sind zweifellos auch für jene ein Begriff, die vom Jazz mehr erwarten, als die ewigen Klassiker von geriatrisch unübersehbar angehauchten Altmeistern im Smoking. Doch was Jazz-Herbst-Intendant Johannes Kunz für das heurige Festival vom 4. bis zum 7. November aus den Beständen der zweifellos schon ziemlich spärlich gesäten Garde der traditionellen Mainstream-Gralshüter zusammengetrommelt hat, ist an Beliebigkeit kaum noch zu überbieten. Manhatten Transfer zum Beispiel, Diane Schuur with Sherrie Maricle & Diva, eine Sängerin aus Dizzy Gillespies Tagen samt Damenband oder Louie Bellson mit einem - wie originell - Duke Ellington-Programm. Dazu gibt es das Vienna Art-Orchester, nach 1997 heuer schon zum zweiten mal beim Salzburger Jazzherbst, das Jacques Loussier-Trio, das Heinz v.Hermann Jazzahead Quintett, Melissa Walker mit Band oder Mr. Acker Bilk und seine Paramount Jazz Band. Wer vor fiebriger Vorfreude noch nicht flach liegt, der mag sich mit Photos von JazzmusikerInnen trösten, die ab Beginn des viertägigen Jazzfestivals im Rupertinum ausgestellt werden sollen. All das wäre verschmerzbar, und als Tribut an die Fans des traditionellen Swing auch gänzlich legitim, hätte Johannes Kunz sein Versprechen nicht gebrochen. Frei nach dem Motto: »Ich zeig Euch, wie das in Salzburg geht« ist Kunz 1996 angetreten, ein Festival ohne Subventionen, sondern nur mit Sponsor- und Eintrittsgeldern zu finanzieren. Davon kann jetzt natürlich keine Rede mehr sein. Empfindliche Verluste in Millionenhöhe haben Kunz und seine Firma Vienna Entertainment in die Finanzoffensive getrieben, und auch heuer fehlen, trotz reichlich fließendem Sponsorgeld und Eintrittspreisen bis zu 1300 öS, noch rund drei Millionen in den Jazz-Kassen. Die sollen - woher sonst - aus dem Steuertopf kommen.

DER JAZZMANAGER

Johannes Kunz ist alles andere als ein Dummkopf. Dem vom Kreisky-Sekretär über einen ORF-Informationsintendanten zum Jazz-Organisator mutierten Spitzenmanager ist es innerhalb von drei Jahren gelungen, einen Großteil der heimischen Politprominenz einzukochen und sich - in deren Augen - unentbehrlich zu machen. Dabei hat Kunz sich nicht einmal die Mühe gemacht, kulturell oder künstlerisch zu argumentieren. Kunz weiß nur zu genau, daß die konservative Polit-Garde für wirtschaftliche Argumente wesentlich empfänglicher ist. So rechnet er vor, daß Salzburgs Hotelliers und Gastronomen am Jazz herbst Jahr für Jahr durchschnittlich 34 Millionen Schilling verdienen und verweist auf »vergleichsweise astronomisch hoch subventionierte Jazz-Festivals« in Wien oder Graz. Folgerichtig droht er im Dezember des Vorjahres unverblümt: »Wenn's keine Subventionen gibt, dann mach ich den Jazzherbst halt in Wien.« Landeshauptmann Franz Schausbergers Reaktion darauf war nervös und beflissen. Aus dem Stand sagt er zweieinhalb Millionen Schilling zu, die sich Stadt und Land teilen sollen, denn, so Schausberger bei der Jazz herbst-Pressekonferenz am 18. März wörtlich: »Der Jazzherbst ist dabei, neben den Sommer-, Oster und Pfingstfestspielen die wichtigste Säule des Salzburger Kulturlebens zu werden. Eigentlich gebührt dem Jazzherbst bereits der Titel: Salzburger Jazzfestspiele«. In den ersten Wochen des heurigen Jahres sucht der frischgebackene Jazzfan Schausberger daher hektisch einen Steuertopf, dem diese stattliche Summe entnommen werden könnte. Es finden sich das städtische Fremdenverkehrsbudget von Siegfried Mitterdorfer (800.000öS) und das Festspielbudget des Landeshauptmannes selbst (1,250.000öS). Die Kulturabteilungen machen sich hingegen relativ rar, Othmar Raus billigt dem Jazzherbst ganze 100.000 Schilling zu, mit der Auflage, die heimischen Kulturstätten in den Jazzherbst einzubinden. Josef Dechant kratzt aus dem bekanntlich überstrapazierten Kulturtopf der Stadt immerhin nocheinmal 100.000 öS zusammen. Keine dramatischen Summen zwar, aber immerhin, Salzburgs aktivster Jazzveranstalter - Jazz im Theater - muß damit fast sein gesamtes Jahresprogramm finanzieren. Selbst das international renomierte Jazzfestival in Saalfelden bekommt im 22. Jahr seines Bestehens - ganzjährige Aktivitäten inklusive - rund zwei Drittel jener Subvention, die Kunz dem Subventionsgeber für sein viertägiges Jazzspektakel schon im vierten Jahr abgeluchst hat. Dazu kommt, man höre und staune, daß Schausberger versprochen hat, die fehlenden 500.000 Schilling, die in keinem Budget rekrutiert werden konnten, persönlich bei Sponsoren aufzutreiben. Kunz, dem politisch Hochbegabten, ist es gelungen, den Spieß umzudrehen. Nicht er stellt sich bei den Politikern an, sondern die Politiker bei ihm. Hut ab, Herr Kunz.

DIE REAKTIONEN

Fans hat der Jazz-Herbst viele, das ist unbestritten. 5000 waren es im ersten Festivaljahr 1996, seither wurden es kontinuierlich mehr, mit 12.000 wird heuer gerechnet, die ins Große Festspielhaus, das Mozarteum, den Dom, Stiegl's Brauwelt, das Rupertinum, die Max Gandolph-Bibliothek und in den Europark strömen sollen. Die umtriebigsten dieser Fans haben sich jetzt organisiert und einen Verein Freunde des Salzburger Jazzherbstes gegründet. Erlauchte Promis wie Gerd Bacher, Helmut Lohner oder Sacherchefin Elisabeth Gürtler beehren den neuen Fanclub entsprechend publikumswirksam, Kunz' Klientel ist schließlich kein Pemperlverein.

Kritik am Jazzherbst kommt - woher sonst - aus der Salzburger Kulturszene. Das Kino-Chef und Sprecher des Dachverbandes Salzburger Kulturstätten Michael Bilic spricht von einem nostalgischem Festival, dem das Gefühl für den Puls der Zeit fehle. Für eingekaufte Spitzenevents gebe es Geld wie Heu, während die gewachsenen Initiativen um jeden 1000er raufen müßten. Bilic, dem Kunz angeboten hat, Das Kino im Herbst 2000 zu mieten, um Jazzfilme zu zeigen, will sich - obwohl eine satte Miete lockt - erst mit den anderen Kulturstätten über eine generelle Linie gegenüber dem Jazzherbst beraten und absprechen. Bauchweh, so sagt er, sei das dominate Gefühl, das die Kunz'schen Expansionspläne in die Filmwelt in ihm verursachen würden.

VORSCHAU

Der durchschlagende Erfolg beim Subventionenhamstern hat Kunz erweiterungswillig gemacht. Im Jahr 2000 will er den Jazzherbst zu einem achttägigen Festival ausbauen. Dabei soll es, wie gesagt, ein Jazzfilmfestival im Das Kino, sowie zusätzliche Ausstellungen rund um den Jazz geben. Inhaltlich will Kunz sich vom ausschließlich traditionellen Jazz verabschieden, schließlich gibt es kaum noch Musiker aus der großen Ära des Swing, die beim Salzburger Jazzherbst noch nicht gespielt hätten. Daß die Stars knapp werden, darüber kann auch der Plan, Wynton Marsalis nach Salzburg zu holen, nicht hinwegtäuschen. Außerdem sollen HipHop und Rap-Bands das konservative Jazzprogramm ergänzen, nicht im Festspielhaus, versteht sich, aber da findet sich schon ein geeignetes Platzerl. Als Übergag des Jazzherbstes 2000 will Kunz, anläßlich des 100sten Geburtstages von Louis Armstrong, die besten Köche aus New Orleans einfliegen lassen, um sie in den Salzburger Spitzenrestaurants kreolische Schmankerl kochen zu lassen. Die für die heimische Kulturszene möglicherweise folgenschwerste Idee des ebenso umtriebigen wie erfolgreichen Jazzmanagers Kunz: Vienna Entertainment will, ab wann steht noch nicht fest, auch während des Jahres Jazz in Salzburg veranstalten.

PRO UND CONTRA JAZZHERBST

Der Jazzherbst ist zweifelsfrei eine Bereicherung für die Salzburger Kultur, mit positiver Wirkung auf die heimische Fremdenverkehrswirtschaft, die den Salzburger Kulturschaffenden zwar nicht explizit am Herz liegen muß, deren Wohlergehen aber sicher niemandem schaden kann. Auch die jetzt vereinbarten Subventionen für Kunz kommen zum Großteil aus dem Fremdenverkehrsbudget und aus dem Festspieletat des Landeshauptmannes, belasten die Kulturbudgets also nur relativ wenig. Kritik von Künstlern und Kulturschaffenden an Jazzveranstaltungen, die sich zum Großteil selbst, mit Sponsorgeld und eben mit Geld aus der Wirtschafts- oder Fremdenverkehrsförderung finanzieren, klingt neidig und kleingeistig. Schließlich passiert Kultur mit Geld aus der Wirtschaft. Aber Vorsicht.

Heimische Sponsoren werden lokalen Jazzveranstaltern die Unterstützung verweigern, weil sie ja ohnehin schon - meist größere Summen als zuvor - für den Jazz á la Kunz bereitgestellt haben. Verständlich, weil das über die Stadtgrenzen hinausreichende Renommee des Jazzherbstes den Sponsoren mehr PR-Effekt versprich, als Veranstaltungen, die zwar auch von vielen, aber eben nur von Salzburgern besucht werden. Dafür sorgt die internationale Presse, die den Jazzherbst wohl auch weiterhin mit Artikeln belohnen und ihre LeserInnen mit dem Neuesten aus der Salzburger Kulturszene versorgen wird. Auch die Subventionsgeber könnten sich von kultureller Eitelkeit leiten lassen und die gewachsene - und vom Salzburger Publikum nachweislich honorierte - kulturelle Kleinarbeit opfern zugunsten des zwar teuer eingekauften, aber dafür auch über Salzburg hinausreichenden Großevents. Das würde einen sozialen Kultur-Darwinismus bedeuten, der auf Dauer nicht im Interesse des Salzburger Publikums liegen kann. Salzburg sollte also auf der Hut sein, denn eines scheint klar: Johannes Kunz ist dabei, Salzburg zu erobern, und er wird es nicht so schnell wieder aufgeben.