april 1999

Mario Jandrokovic

Die gewitzte Leichtigkeit des Nomadischen

Das zehnjährige Jubiläum des Theater YBY beschert so manchen Grund zum Feiern

Walter Anichhofer blickt ohne große Verklärungsgesten in jene Zeit zurück, als die ersten Fundamente für das spätere Theater YBY gelegt wurden. Anfang der Achtziger war die Mozart- und Karajanstadt (die damals noch eine Stringenz besaß, die jüngere Semester höchstens bei den »Chaostagen« von vor zwei Jahren hautnah erfahren konnten) von einer Atmosphäre des befreienden Aufbruchs geprägt, die sich inzwischen institutionalisierte Kultureinrichtungen noch immer allzu gerne lauthals vergegenwärtigen. Ohne besonders bewußt in die Rolle dissidenter Bürgerschrecks schlüpfen zu wollen, war für eine Gruppe von SchülerInnen und StudentInnen Sponti-Theater offenbar das geeignete Medium, um sich im damaligen kulturellen Klima Luft zu machen. Die »Brötzner« nutzten die Bühne als Forum des Außer-Kontrolle-Geratens. Höhepunkt und für damalige Verhältnisse orgiastischer Kulturschock war ihr spätsommerlicher Auftritt im Petersbrunnhof 1983, eine Improvisation aus religiösen Devotionalien, nackten Körpern, den Jazzklängen von »Personal Music«, einem Faß Bier und viel Schnaps. Das Stück hieß »Das Leben des Don Mario«, glaubt Walter Anichhofer - das Ereignis ist in der Erinnerung und den damaligen Presseberichten präsent geblieben, der Name offenbar gegenstandslos. »Es wäre gut, wenn sich jemand ihrer Probleme annähme.«, so resümierten die SN das aus den Fugen geratene, partymäßige Ineinanderfließen von Bühne und Außenwelt, das heute in kontrolliert verabreichten Dosen als Overkill von Festivals- und Kulturkampfpostillen gilt - man erinnere sich an Schlingensief.

Eine derartige Interaktion zwischen Theater und Leben hat der Petersbrunnhof knapp ein Jahrzehnt später in veränderter Form noch einmal erlebt: Während einer Aufführung des YBY-Stücks »Notfalls Belau« über die Emigration Stefan Zweigs stürmten Polizisten gerade in dem Moment, als der Hauptprotagonist mit Taschenlampen verhört wurde, ebenfalls mit Taschenlampen die Bühne, um in den ehemaligen erzbischöflichen Stallungen Ordnung zu schaffen. Bald danach geriet der Petersbrunnhof kurzfristig zum Neonazi-Hauptquartier, um dann als E-Bühne in repräsentativem neuem Glanz zu erstrahlen. Das Theater YBY, das letztendlich immer den steinigen Weg bevorzugt hatte, ohne fixes Haus und den Legitimationszwang eines Repertoiretheaters zu agieren, hätte sich dafür eingesetzt, daß dieser traditionelle Ort der Alternativkultur im Nonntal zu einem Forum der freien (Theater) Gruppen wird, doch für das Nomadische, Bewegliche gab es in Salzburgs kulurpolitischer Öffentlichkeit keine genügend starke Lobby.

Anichhofer, Anna Hauer und Christian Sattlecker gründeten vor zehn Jahren das Theater YBY, nachdem die Kerntruppe einige Lehrjahre in Parisverbracht hatte, im speziellen bei Jacques Lecoq, dem jüngst verstorbenen Grandsegnieur frischer, lebendiger Bühnenkunst, die gegen das »sklerotische« (wie Lecoq sagte) Sprech- und Ausstattungstheater auftrat. Entscheidend für den Abgang aus Salzburg im Herbst 1994 waren die Bühnenerlebnisse, die die »Lufthunde« aus der Schweiz und Andreas Vitassek nach Salzburg brachten, die einen wie der andere Lecoq-Schüler.

Im selben Sommer hatte Salzburgs Sponti-Szene mit der Bunten Anti-Festspiel- und Pro-ARGE-Rainberg-Demo einen Höhepunkt erlangt, doch die erste Unschuld war verflogen, so Anichhofer. Heute agiert das Theater YBY (gemeinsam mit Caroline Richards) als ein flexibles und offenes Produktionskollektiv, das vor allem nicht auf einen »Stil des Hauses« einschwören will. Gemein ist den unterschiedlichen Produktionen, in denen die Karten der Teamarbeit immer aufs Neue kräftig durchmischt werden, vielleicht lediglich der Hang zu einem skurrilen Humor, der sich vor allem deutlich abhebt vom allgegenwärtigen Geist des Kabaretts mit seinen Lachanimationen.

Wer es genau wissen will, besuche doch einfach die Retrospektive älterer Stücke im neuen Gewand zum Zehnjahresjubiläum der YBY von 22. April bis 29. Mai im Theater Metropolis (samt großem Fest am Tag der Arbeit). Die ARGE veranstaltet am 15. April einen Theatersportabend, an dem sich die Belegschaft des Theater YBY ihrer Anfänge mit »Mitzi's Brötzner« und »Brötzner's Neuem Theater« besinnen kann. YBY und das in diesem Sportkampf erprobte »Fast Food Theater München« werden zum allgemeinen Gaudium einen edlen Wettstreit der pointierten Improvisation liefern.