april 1999

Christoph Lindenbauer

»The Hills Are Alive«

Endlich: Ein »Sound of Music«-Museum in Salzburg

Mozart hat es gewußt und schriftlich sinngemäß festgehalten: »Salzburg ist ein Dorf, in dem Engstirnigkeit und Eitelkeit regieren und wo Kunst nicht verstanden wird.« Die Stadt versucht sich seither aus Leibeskräften - trotz dieses Rüffels aus berufenem Mund - zur Kulturstadt von Welt zu mausern. Max Reinhardt hat den Grundstein gelegt, Karajan hat der Stadt zumindest jenen Glanz verliehen, den Juwelen imstande sind von sich zu geben. Ohne Zweifel, Salzburg war Kulturmetropole, selbst jene haben sich daran ergötzt, für die es eher das Rollen des Rubels gewesen ist, das gurgelndes Entzücken ausgelöst und zu frenetischem Applaus beflügelt hat. Aber sei‘s drum, hier spielt die Musik, so tönte es aus stolzer Heimatbrust. Doch Reinhardt und Karajan sind tot, die neuen Festspielchefs konzentrieren sich - unerhörterweise - mehr auf die Musik und das Schauspiel als auf das Wohlergehen unterprivilegierter Innenstadtgastronomen oder Juweliere.

Das Problem dabei: Selbst die ambitionierteste Kunst bedeutet noch lange kein werbewirksames Image, der exklusive Glanz ist verflogen, Salzburg ist auf dem absteigenden Ast, gar dem Untergang geweiht?

Mitnichten, liebe Freunde, denn zwei Männer sind angetreten das Salzburger Abendland vor der kulturellen Beliebigkeit, die Wirte vor leeren Betten und uns alle vor dem drohenden Bankrott zu erretten. Sigi Mitterdorfer, der »Visionär« und Fremdenverkehrschef Christian Piller, der »Findige«. Ihr Zauberwort heißt »Sound of Music«. Der Tempel, in den mindestens 100.000 Pilger aus Amerika Jahr für Jahr einfallen sollen wie die biblischen Heuschreckenfreunde, ist ein Museum, in dem das Leben der Trapp-Familie in allen Details ausgestellt werden soll. Dazu kommt der Devotionalienhandel gleich nebenan - irgendwie muß das ganze ja finanziert werden. Künstlerischer Frontalunterricht à la Festspielhaus ist out, das Sound-of-Music-Museum soll ein Erlebnismuseum werden, in dem die kulturell interessierten und musikalisch begabten Yankees zum Karaoke geladen werden, um den Edelhit »Edelweiß« zum Playback individuell zu gestalten. Endlich.

Kein Zweifel, die Trapp-Familie, deren Leben in Film und Musical für die Amerikaner in den frühen 60er Jahren zum Inbegriff der österreichischen Kultur geworden ist, erfreut sich auch heute noch ungebrochener Beliebtheit und ist Salzburgs erfolgreichster Exportartikel. Sound of Music ist auf der anderen Seite des großen Teichs bekannter als Mozart, daran konnte auch Karajan nichts ändern. Auf die Frage eines Meinungsforschungsinstitutes, was fällt Ihnen zu Österreich ein? sagen zwei von drei Amerikanern: »Sound of Music«, an zweiter Stelle kommt Waldheim, erst dann balgen sich Mozart und Freud um die Plätze. Die Nachfrage nach Trapp-Devotionalien, Besichtigungstouren zu den Originaldrehorten, nach unveröffentlichten Überbleibseln des Films, bis hin zu historischen Meilensteinen der Trapps, wie etwa einem Orden, den sich Papa Trapp als Offizier der k.u.k. Marine verdient hat, ist ungebrochen. Peter Schatz vom Seightseeing-Unternehmen Sound-of-Music-Tours, berichtet über fassungslose Frustration der Amerikaner im Angesicht der hierzulande bassen Unkenntnis Trappscher Lebens- und Filmgeschichte. Herbe Enttäuschung schlägt den entschuldigend mit den Händen ringenden Fremdenführern auch wegen der Unfähigkeit vieler Eingeborener entgegen, jene unnachahmlichen Melodien zu kennen - von Nachsingen gar nicht zu reden - ohne die auch heute in Amerika nicht geheiratet werden kann. Aber das wird sich ändern, so die freudig erregten Tourismusmanager. Die Nische ist gefunden, jetzt fehlt nur noch tatkräftige Vorbereitung, um den Heerscharen der Trapp-Pilger aus Amerika auch Herr zu werden. Der geplante Standort im Barockmuseum im Mirabellgarten (direkt am berühmten Salzburger Touristenpfad gelegen) ist da nur recht und billig, auch einen Betreiber des Museums gibt es bereits, es ist die erwähnte Sound of Music-Tours, wie passend.

Zwar ist das Trappmuseum vom Gemeinderat noch nicht beschlossen, aber die Volkspartie(!) hat ihre Sympathie für dieses freiheitliche Projekt bereits bekundet, das nicht nur den (Dollar)Glanz ins heimische Auge zurückbringen, sondern endlich wieder eine auf ehrlicher, bodenständiger Basis entstandene kulturelle Identität vermitteln soll. Die Rettung ist nah, selbst den ewig gestrigen Unken mit dem verwässerten Weltbild von individuell ausdrucksstarker Kultur sei ein Trost gespendet: Das Trappmuseum soll nicht aus dem Kulturbudget, sondern aus dem Fremdenverkehrsbudget errichtet werden. Kulturstadt von Welt, was willst du mehr?