april 1999

Doc Holliday

Vermarktung statt Disput

Kunst- und Kulturkritik in den heimischen Medien

Um die österreichische Kunstkritik steht es nicht gut. Eine keineswegs neue Erkenntnis, deren Richtigkeit sich einmal mehr am 25.3. in der Salzburger Galerie »5020« zeigte. Im Rahmen der österreichweiten Veranstaltungsreihe »Spielregeln der Kunst« referierten und diskutierten Ursula Maier-Rabler vom Institut für Kommunikationswissenschaften und der Chefredakteur der Wiener Stadtzeitung Falter, Armin Thurnher. Dieser skizzierte die Funktionsweise der Massenmedien und konstatierte die Veränderung der publizistischen Öffentlichkeit: Die Zielgruppe (für die Werbewirtschaft) hat das Publikum ersetzt. Die Inhalte sind nur mehr Mittel zum Zweck. Sie dienen vornehmlich einer allumfassenden Vermarktung. Verkaufbarkeit wird zum einzigen Kriterium publizistischer Tätigkeit. Eine Bestätigung dieser Analyse liefert meiner Meinung nach der bemitleidenswerte Zustand der deutschsprachigen Literaturkritik in den Main- stream-Medien. Im Vordergrund steht einerseits der Kampf um die Aufmerksamkeit des Publikums, andererseits die Selbstinszenierung der Kritiker und ihrer Definitionsmacht. Das Prinzip der Machterhaltung wirkt hinein in die Auswahl der Bücher und Autoren, die besprochen werden, und erzeugt einen neuen Typ von mediengerechtem Rezensententext, der hauptsächlich auf sich selbst, kaum noch auf seinen Gegenstand verweist. Die Folge ist eine trostlose Gleichschaltung der Kulturseiten. Dagegen hilft - wie ich meine - auch Thurnhers Forderung nach einem »richtigen« Feuilleton in der österreichischen Presse, wie es aus den großen deutschen und schweizerischen Zeitungen bekannt ist, nichts. »Ein Feuilleton schreiben heißt auf einer Glatze Locken drehen«, meinte der österreichische Schriftsteller Karl Kraus. Dieser gründete immerhin vor 100 Jahren die Zeitschrift Die Fackel, deren Polemiken und Satiren Vorbild für eine neue Kulturkritik sein sollten. Übrigens: bei der Veranstaltung in der »5020« glänzten die Vertreter der lokalen Medien durch Abwesenheit.

P.S.: Der nächste Termin »Spielregeln der Kunst«, am 15.4. 1999