april 1999

»Medienpolitik hat es in diesem Land nie gegeben«

Die Kommunikationswissenschafterin Johanna Dorer im kunstfehler Gespräch über die Situation der »Freien Radios«.

Johanna Dorer ist Assistentin am Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft in Wien und forscht und publiziert über nichtkommerzielle Medien. Sie ist auch Beiratsmitglied der Abt. II/8 im Bundeskanzleramt (Kulturinitiativen und Kulturentwicklung)

Frau Dr. Dorer, Sie wurden im Vorjahr als Beiratsmitglied der Abt. II/8 im BKA bestellt, weil Sie als Expertin für die »Freien Radios« gelten und die durch diese Abteilung gefördert werden sollten. Was haben Sie dort für Erfahrungen gemacht?

• Meine Erfahrungen sind die, daß es politisch schon Willensäußerungen gab, die »Freien Radios« entsprechend zu fördern. Nur wurde dies aber kaum praktisch umgesetzt. Das Engagement des Herrn Staatssekretärs war in diesen Belangen sehr mäßig: eine Aufstockung der Mittel für die ohnehin unterdotierte Abteilung wurde zwar in Aussicht gestellt, aber nie realisiert.

Warum brauchen »Freie Radios« öffentliche Förderungen?

• »Freie Radios« kommen ohne öffentliche Förderung deshalb nicht aus, weil sie werbefrei sind. Der öffentlich-rechtliche und der kommerzielle Rundfunk finanziert sich zu einem Großteil aus der Werbung, dies fällt per definitionem bei den »Freien Radios« weg. Diese Gelder müssen von anderen Finanzquellen kommen, Spenden, Radiogebühren, die Hörerinnen oder Hörer tragen, und natürlich öffentliche Gelder.

Wäre das nicht eine Wettbewerbsverzerrung gegenüber den Kommerziellen?

• Auf keinen Fall. Der Werbeverzicht kommt ja vor allem den kommerziellen Radios zugute, weil ihr Werbekontingent dadurch größer bleibt. Für die staatliche Förderung spielen aber auch andere Argumente eine Rolle: »Freie Radios« stehen weder in einer ökonomischen noch in einer publzistischen Konkurrenz zu den kommerziellen. Die staatliche Förderung bezieht sich lediglich auf die kulturellen und demokratiepolitischen Leistungen, wie z.B. offener Zugang, Programme für Minderheiten und Randgruppen, die Korrektivfunktion in einer durchkommerzialisierten Radiolandschaft.

Gibts in Europa Beispiele, wie eine solche Förderung ausschauen kann?

• Das deutsche Modell, wo Medienanstalten einen Prozentsatz der Werbeeinnahmen an Offene Kanäle und freie Radios abtreten, wäre eine sinnvolle Einrichtung. In Frankreich gibt es eine Art »Umweltverschmutzungsabgaben« der kommerziellen an nicht-kommerzielle Einrichtungen. Ein System des Gebührensplittings gibts z. B. auch in der Schweiz.

Um so etwas zu installieren, bedarf es allerdings einer aktiven Medienpolitik.

• Medienpolitik hat es in Österreich überhaupt noch nie gegeben. Es ist immer nur auf den Druck der Medienindustrie gehandelt worden, die Privatisierung des Rundfunks ist nur ein Beispiel dafür. Auch bei der Zulassung der Regionalradios mußte zuerst einmal der europäische Gerichtshof die entsprechenden Gesetze aufheben. Das sagt alles darüber aus, wie in Österreich Medienpolitik betrieben wird.

Es gibt auch kaum eine Diskussion darüber, ob für die freien Radios nicht eher die Presseförderung als die Förderstelle für »Kulturinitiativen« zuständig wäre?

• Ich glaube, daß die Radios derzeit bei der Förderstelle für Kulturinitiativen sehr gut aufgehoben sind. Von einer Änderung der Presse- oder Publizistikförderung darf man sich nichts erwarten. Man braucht sich als Beispiel ja nur die Novellierung der Publizistikförderung anschauen: Vorschläge, Formulierungen und juristische Vorarbeiten gibt es dafür schon seit den Neunziger Jahren. Was ist letztendlich herausgekommen: ein Zensurparagraph. Da können jetzt Verfassungsgutachten über die Inhalte einer Publikation eingeholt werden. Nur um klarzustellen: Gesetzesverstöße wurden ja auch bisher als Mediendelikt geahndet. Jetzt wird inhaltlich und qualitativ gewertet, und damit wird der Zensur Tür und Tor geöffnet.

Ein passendes Medienförderungsgesetz liegt also in weiter Ferne?

• Natürlich wäre es sinnvoll, ein ideales Medienförderungsgesetz zu schaffen. Es gibt dazu ja auch eine international vergleichende Studie aus Salzburg. Nur: So wie das politische Klima, das Desinteresse für Medienpolitik in Österreich ist, denk ich mir, bin ich nicht sehr optimistisch, daß bei irgendwelchen Änderungen etwas Gescheiteres rauskommt als das, was wir haben.

Danke für das Gespräch.

Das Gespräch führte Gerald Gröchenig

Publikationen u.a.:

Dorer, Johanna/ Barasits, Alexander (Hg.):Radiokultur von morgen. Ansichten - Aussichten - Alternativen. Wien, Verlag Buchkultur, 1995.

Dorer, Johanna: Struktur und Ökonomie der »Alternativpresse«. Eine Bestandsaufnahme des nichtkommerziellen Zeitschriftenmarktes am Beispiel Österreich. In: Publizistik 40. Jg., Heft 3, 1995