april 1999

Im Zuge der Erstellung

Im Zuge der Erstellung des ersten Entwurfes zum Weißbuch hatte man sie bei der Konstellation der Arbeitsgruppen noch schlichtweg ignoriert. Ab sofort, so unmittelbar vor der redaktionellen Fertigstellung der Grundlagen zur Reform der österreichischen Kulturpolitik, werden sie wohl nicht mehr in gleichem Maße zu übergehen sein. Die Rede ist von den programmatischen Akzenten jener Initiativen im Feld der Neuen Medien, mit deren Zusammenschluß zu Beginn des Jahres 1998 erstmals die Virtuelle Plattform in Erscheinung trat. Ihrem Vordringen in den Cyberspace liegt ein emanzipatorisch begründetes Verständnis von Medienkunst zugrunde, dessen Organisationsform alleine schon den Nachweis sucht, daß einer solchen Ausrichtung nur durch Networking im offensiven Sinne zum Durchbruch zu verhelfen ist. Ein Standpunkt, der sie - siehe dazu den aktuellen Klimawechsel sowie die Pionierarbeit in den zuMUTungen der KUPF - mit den Zielsetzungen einer »neuen Politik kultureller Differenz« verbindet, dem Richtwert einer nicht weniger vernetzten Nachbarschaft.

Der Zeitpunkt jedenfalls war klug gewählt. Die in ein schwarzes Buch gefaßten Überlegungen der IG Kultur Österreich zu einer neuen Orientierung in Verwaltung und Politik fanden gegen Ende des Vorjahres gerade erste Beachtung, da trat auch die Virtuelle Plattform im Soge der Dynamik auf den Plan. Jetzt liegt das Ergebnis schriftlich vor: NETZ.KULTUR.ÖSTERREICH ist das Resultat einer gleichnamigen Tagung, die in enger Zusammenarbeit mit dem bundesweiten Dachverband der Kulturinitiativen getragen wurde und durch die Beteiligung von Public Netbase, servus.at/Stadtwerkstatt sowie der KUPF OÖ. tatkräftige Unterstützung fand. Auf gelbem Hintergrund wurde der gemeinsame Wille zugleich als Warnung zu Papier gebracht, mit dem Hinweis, daß man die bedenkliche Entwicklung einer Aufspaltung unserer Informationsgesellschaft in »User« und »Loser«, das Überhandnehmen von Machteliten, Medienkonzentration und Desinformation, nicht ohne den Einspruch von Kunst und Kultur zur Kenntnis nehmen will.

Einspruch und Widerspruch sind insbesondere in die Empfehlungen zur Reform der Kulturpolitik aufzunehmen. Doch um den vielschichtigen Implikationen neuer Technologien mit geeignetem Weitblick Rechnung tragen zu können, ist zuvor eine offensive Bewußtseinsbildung erforderlich. Der Erfahrungshintergrund einer stetig steigenden Initiativenzahl an der Schnittstelle von Kultur und Neuen Medien läßt jedenfalls jetzt schon ganz zentrale Schlüsse zu: Direkte Kommunikation, vernetzte Interaktion und damit der rege Austausch kultureller Inhalte setzt ausreichende Bandbreite und offene Zugänge zu digitalen Netzwerken voraus. Aktive und an Inhalten orientierte Teilnahme ist einzig möglich, wenn hochqualitative Strukturen auch außerhalb der Ballungsräume zur Verfügung stehen. Die Perspektive, im virtuellen Raum kulturelle Handlungsfelder zu erschließen, mündet schließlich in die Forderung nach einem Cultural Backbone, nach sinnvoller Ausweitung bestehender Ressourcen und nach gezielter Vermittlung medialer Kompetenz.

Über dieser Ideensammlung zur Herausbildung einer Netzkultur in Österreich steht das zivilgesellschaftliche Prinzip der Selbstorganisation. Ein Ziel, das Kultur- und Medieninitiativen immer stärker aneinander bindet. Und die Zusammenarbeit hat sich gerade im vergangenen Jahr überaus bewährt. Das wohl wichtigste Beispiel: Der Rückhalt durch die Interessenvertretungen im Kulturbereich stärkte die Freien Radios in der schwierigen Phase des Sendestarts, dieser Schulterschluß wird auch bei den weiterführenden Verhandlungen zu ihrer Konsolidierung fortgesetzt. Einen Höhepunkt im Ineinandergreifen von Kultur- und Medieninitiativen bildet im Zeitraum von 7. bis 8. Mai die Medienkonferenz in Linz. Ausschlaggebend ist dabei, auf sehr breiter Basis - im Sinne der Konstitution von Öffentlichkeit - die programmatischen Grundzüge jenes dritten Sektors deutlich aufzuzeigen, der sich durch die zunehmende Verschmelzung der freien Szene immer deutlicher formiert. Es liegt jetzt an ihr, selbstbewußt mit einem kulturpolitischen Verständnis von Medienpolitik in deren Gestaltung einzugreifen. Vielleicht zeigen die Kurskorrekturen auch tatsächlich nachhaltige Wirkung.