april 1999

Ulrike Ramsauer
titel

»Damals war sie eine Flamme – heute ist sie Glut«

Eine kurze Geschichte der autonomen Frauenbewegung in Salzburg

»Wir arbeiten in einer Frauenbewegung, weil uns niemand befreien wird, außer wir selbst.« Kämpferisch und selbstbewußt positionierte sich die »Courage« in den Statuten ihrer Gründung 1974. Sie manifestierte sich als eine Gruppe von Frauen, die aus der Parteiarbeit oder aus Studentenorganisationen kamen und sich als politisch links verstanden. Zentrales Anliegen bei der Konstituierung dieser Organisation war das gemeinsame Auftreten für die Abschaffung des Paragraphen 144 gewesen, der die Abtreibung unter Strafe gestellt hatte. Die Auswirkungen der 68er Bewegung hatten gerade mit einiger Verspätung Salzburg erreicht und markierten eine Phase des Umbruchs. »Es war eine unheimlich schöne Zeit«, erinnert sich Liane Pluntz, heute Frauenreferentin der Arbeiterkammer, an die politische Arbeit in diesen Jahren. Am Internationalen Frauentag wurden »riesige« Demos veranstaltet, man traf sich regelmäßig, um über die Geschichte der Frauenbewegung seit den 80er Jahren, über Sexualität und Selbstbestimmung zu diskutieren, – »vieles war neu«. Im Dunstkreis der »Courage« bewegten sich die Aktivistinnen, die selbstverwaltete Sozialeinrichtungen für Frauen mit Gewalterfahrung einforderten und in den folgenden Jahren die Akzente der unabhängigen frauenpolitischen Arbeit in Salzburg wesentlich mitbestimmen sollten.

Die legendären Demos am 8. März sind seit Mitte der achtziger Jahre konsensfähigen Kulturveranstaltungen im Schloß Mirabell gewichen, nicht nur daran zeigt sich, wie die politische Arbeit der Frauenbüros in Stadt und Land das Engagement der autonomen Gruppen tendenziell übernommen und auch inhaltlich neu bestimmt hat. Anläßlich der Abschlußveranstaltung zu einer Kampagne gegen Gewalt in der Familie im Mai 1997 beschrieben die Sozialwissenschaftlerinnen Birgit Buchinger und Ulrike Gschwandtner das Verhältnis zwischen institutionalisierter Frauenpolitik und den Frauen an der Basis als zunehmend hierarchisch. In ihrem Statement, für das sie von den Initiatorinnen – den Frauenbeauftragen – heftig kritisiert wurden, zeigten die beiden auf polemische Weise diese Auseinanderentwicklung auf: »Die institutionalisierte Frauenpolitik hat sich von der autonomen Frauenbewegung emanzipiert«. Auch in der Frauenszene wurde empfindlich berührt wahrgenommen, daß es in der Phase der Planung nicht gelungen war, die langjährig im Bereich der Gewaltthematik arbeitenden Sozialvereine Frauenhaus, Frauentreffpunkt und Frauennotruf in die Kampagne einzubinden.

Wo sind die Frauen, die damals für ihre Anliegen auf die Straße gegangen sind? Viele haben sich, so Liane Pluntz, am Ende ihrer Studienzeit ins Privatleben zurückgezogen oder gehen in ihrer Berufstätigkeit auf. Auf der Suche nach den Protagonistinnen der Salzburger Frauenbewegung zeigt sich aber auch, daß das frauenpolitische Engagement auf vielfältige Weise individuell in die jeweiligen Arbeitsbereiche hineingetragen worden ist. Eine Frauenszene, wie sie in den achtziger Jahren das politische und kulturelle Leben geprägt hat, existiert in dieser Stadt nicht mehr, vielleicht auch, weil sie keinen Ort hat. Der Rückzug des Frauenkulturzentrums auf ein kleines Büro nach der Schließung der Veranstaltungsräumlichkeiten im Jahr 1994 ist symptomatisch für diese Entwicklung und markiert sicherlich einen wesentliche Zäsur. Eine massive Attacke durch den damaligen Bürgermeister Dechant (ausgelöst durch einen ORF-Bericht) mit dem Argument, daß ein »Ort, wo sich lesbische Frauen treffen und Kontakte knüpfen können, nicht unbedingt aus Steuergeldern bezahlt werden (muß)«, hatte rigide Subventionskürzungen in die Wege geleitet. Seither ist der Aktionsradius für den »Verein zur Unterstützung von Frauenkultur« stark eingeschränkt. »Sehnsucht nach Frauenraum« gebe es aber immer noch, konstatiert Anna Stiftinger, ehemalige stellvertretende Vorsitzende des Frauenkulturzentrums, für sich persönlich. Mit der Vergabe des städtischen Kulturbudgets nach der Gemeinderatswahl am 7. März wird auch über die Zukunft des Frauenkulturzentrums entschieden, denn ohne einen entsprechenden Rahmen kann eine Frauenszene sicherlich nicht neu erstarken.

Seit den ersten öffentlichen Auftritten der »Courage« wurde vieles durchgesetzt, was heute selbstverständlich erscheint, zu den Errungenschaften der autonomen Frauenbewegung zählen unter anderem das Gleichbehandlungsgesetz auf Bundesebene und im Bereich der Stadt Salzburg eine bessere Gynäkologie-Versorgung. »Man darf das nicht klein machen«, so Liane Pluntz in einem Resumee angesichts der tendenziell ungünstigeren Lebens- und Arbeitsbedingungen für Frauen Ende der neunziger Jahre, »andererseits bemerkt man den ‘Rollback’ erst, wenn er einen eingeholt hat.«