april 1999

Thomas Neuhold
wenn und aber

Keine neue Karajanisierung

Wenn keine ausgesprochenen Überraschungen geschehen, verläßt der künstlerische Leiter der Salzburger Festspiele, Gerard Mortier, im Jahr 2001 Mozartstadt. Und das ist gut so! Mortiers Verdienste um die Festspiele sind – nach anfänglichen Irritationen bei den Salzburger Lodenmänteln – mittlerweile wohl unbestritten und bedürfen hier keiner neuerlichen Aufzählung.

Warum aber ist der erfolgreiche Festspiel-Chef jetzt am Gehen? Für diesen Entschluß mag es mehrere Gründe geben. Die abzusehende finanzielle Krise, die Reformunwilligkeit und die mangelnde Gesprächsbereitschaft der zuständigen Politik dürfte dazugehören. Die Spekulationen darüber, warum er nun den begehrten Job an den Nagel hängt, werden gewiß noch einige Seiten in den diversen Zeitungen füllen.

Daß er aber nicht nur gedroht hat, sondern daß er nun tatsächlich seinen Hut nimmt, gehört mit zu dem, was Mortier auszeichnet. Er weiß, daß sich FunktionsträgerInnen abnützen. Er weiß auch, daß ein Wechsel an der Spitze notwendig ist, um die Festspiele in Bewegung zu halten. Es wäre noch schön, würde er Vorschläge unterbreiten, wohin deren Reise gehen soll.

Mortier hat mit seinem angekündigten Abgang einer Karajanisierung seiner Person vorgebeugt. Mortier ist kein Österreicher, deswegen ist ihm der in der staatlichen wie in der freien Kulturszene so weit verbreitete, aber selten zugegebene Pragmatisierungswunsch fremd. Einer weiteren Vertragsverlängerung wäre ja nichts entgegengestanden.

Mortier hat eigentlich nur das Normalste auf der Welt gemacht. Es ist einfach gut, wenn bei Festivals oder auch fixen Kultur-Institutionen nach mehr als einem Jahrzehnt ein Intendantenwechsel vollzogen wird. Beispiele für programmatischen Stillstand aufgrund fehlender personeller Erneuerung gibt es in den Kulturbetrieben leider mehr als genug.