VARIOUS ARTISTS: Chicano Power! Latin Rock In The USA 1968 - 1976

Das umtriebige Londoner Soul Jazz Records-Label öffnet wieder einmal die Archive eines popkulturellen Sub-Genres. Nach den bahnbrechenden »Nu Yorica!«-Samplern mit 70er-Latin-Sounds zwischen Jazz, Soul und Funk aus der ethnischen/kulturellen »Salatschüssel« New York nun also »Latin Rock«. Natürlich darf hier eine superrare Version von »Soul Sacrifice« aus einer Zeit als Santana noch ohne Plattenvertrag waren (Ende 68/Anfang 69) nicht fehlen. »Chicano Power!« unterstreicht jedoch auch mit verschärftem Nachdruck, daß Santana nur die - wenn auch international und kommerziell erfolgreichste - Spitze einer äußerst vielfarbigen, facettenreichen und vor allem politisch motivierten Szene darstellten. Besonders Los Angeles und San Francisco waren in den mittleren 60ern Zentren des »Chicano Power Movement«, das sich in Anlehnung an die afro-amerikanische Bürgerrechtsbewegung und parallel zur Anti-Vietnam-Bewegung formierte. Mit den »Brown Berets« gab es sogar eine den Black Panthern vergleichbare paramilitärische Organisation. Was nun die hier versammelten Bands wie Malo (mit Carlos Santanas Bruder Jorge), Azteca (u.a. mit Ex-Santana-Musikern), Chango, El Chicano, Tierra, Benitez, Sapo oder Toro so bemerkenswert macht, ist vor allem ein musikalisch wie politisch ausgerichteter kosmopolitischer Anspruch (vgl. auch unseren geliebten »Mexican Elvis« El Vez). Hier wird keine exotische Folklore mit Rockgitarre propagiert und geht es auch nicht zurück zu den mexikanischen Wurzeln. Denn dorthin will die amerikanische Einwanderungsbehörde sowie alle Chicanos zurückschicken. Dementsprechend urban und vorwärtspreschend sind daher auch die einzelnen Tracks auf »Chicano Power!«. Wobei ein Begriff wie »Latin-Rock« für diesen Mix aus höllisch groovenden afrokaribische Rhyhtmen, Jazz, pulsiernden Mini-Moog-Einlagen (!), pathetischen Soul-Einsprengseln, fetzigen Salsa-Bläsern und hartem Funk sowieso eher irreführend ist.