april 1999

Didi Neidhart
gelesen

ANDERAS NEUMEISTER: Gut laut

Suhrkamp 1998, 183 S.

»Auch leise Musik kommt laut einfach besser.« Spätestens seit Nick Hornby in »High Fidelity« Schallplattensammler (es handelt sich dabei meist um reine, mitunter schwer autistische, Männer/Jungs-Vereine) zu literarsichen Ehren kommen ließ, scheint die literarische Beschäftigung mit Popmusik soetwas wie eine Garantie für Hipness darzustellen. Auch »Gut laut« wird vom Verlag unter dem Signet »Pop« beworben (wie auch Thomas Meineckes »Tomboy«). Wobei Pop bzw. »drogensüchtiges Verlangen nach Musik« dann auch wirklich das zentrale Thema des Romans ist. Nur sperrt sich hier alles gegen hermeneutische Privatmythologien, die etwa an hand von Plattensammlungen heruntergebet werden könnten. Viel wichtiger sind für »Gut laut« immer stärker bewußt werdende außermusikalische Zusammenhänge. Etwa die wechselnden politischen Verhältnisse der letzten 30 Jahre BRD oder die einschneidenden Veränderungen der subkulturellen Szenen in München (wo sich »Gut laut« hauptsächlich abspielt) durch die anläßlich der Olympischen Spiele 1972 unternommenen städtebaulichen Maßnahmen (was u.a. schließlich das Ende des »alten« Schwabing bedeutete). So entsteht auch eine weitverzweigte, nichtlineare Chronologie, die zwar gerne auch in privaten 70er-Gedächtnis-Archiven herumstöbert, dem dort Gefundenen jedoch nur dann einen Absatz gönnt, wenn ein aktuellen Mehrwert besteht, der sich vor allem auch in einem anderen, von heute aus positionierten Denken manifestiert. So wichtig es in den 70ern gewesen sein mag, in der Mittelschule mit einer Kraftwerk-LP herumzulaufen oder die erste Roxy Music geliebt zu haben - in »Gut laut« kommt all dies erst wieder über aktuelle 90er-Musiken (etwa Techno) zur Sprache. Nur, »nostalgische Gefühle« sind immer auch »zwiespältige Gefühle«. Das mag auch die beinah klinisch-sezierende, eher distanzierte Sprache, die nicht selten wie ein analoger Tonband-Schnipsel-Cut'n'Mix daherkommt, von »Gut laut« erklären. Kaum entsteht eine Art Fluß, wird abgebrochen, woanders neu begonnen, schon bekanntes Terrain nocheinmal durchgeackert, vorher Übersehenes zu Tage gefördert oder einfach eine Seite leer gelassen. Einzelne Sätze funktionieren dabei wie Refrains und/oder Echos. Sie tauchen in immer neuen Zusammenhängen auf, können x-mal überlesen werden und manifestieren sich schließlich als jene Glühbirnen, die einem so beim Denken oder Musikhören aufgehen können. Ob dies nur funktioniert, wenn der der in »Gut laut« verhandelte Kosmos bekannt ist, sei einmal dahin gestellt. Aber Sätzen wie »die richtige Musik zur rechten Zeit macht die Zeit erst zur richtigen Zeit« sind einfach unbezahlbar.