mai 1999

Gerald Gröchenig

Ein großes buntes Chorland

Jörg Haider und Andreas Mölzer bestimmen die Kulturpolitik in Kärnten

Als ein in Salzburg Ansässiger muß man sich das einmal vorstellen: Planungsgenie »Sigi« Mitterdorfer wäre in der Stadt für die Kulturagenden zuständig und Karl Schnell ebensolches beim Land. Als Berater für Kulturfragen holt man sich den Herrn Hasenöhrl von der Kronenzeitung. Bei uns hieße sowas Alptraum, in Kärnten ist es Realität.

Jörg Haider ist Landeshauptmann und gleichzeitig für das Ressort Kultur verantwortlich. Daß der Rechtspopulist durchaus bereit ist, mit dem Kampf gegen Kontroversielles, Unbequemes und Experimentelles in Kunst und Kultur auf Stimmenfang zu gehen, hat er schon des öfteren bewiesen. Als Berater holte sich Haider mit Andreas Mölzer jenen Kameraden ins Team, der seinerzeit wegen seiner Umvolkungstheorien ins Gerede kam. Krone-Gastautor Mölzer (fürs Krone-Foto auf dynamisch-jung getrimmt) hat dann auch gleich gezeigt, wo's langgehen könnte: sozialdemokratische Kulturbonzen hätten die Kulturschaffenden als Hure genommen, auf die in die Sackgasse geratene Pseudo-avantgarde könne verzichtet werden, usw. Über die Amtsführung des Klagenfurter FP-Kulturstadtrats Gassner kann nicht viel gesagt werden, außer vielleicht, daß sich unter seiner Verantwortung die ehemals renommierte »Woche der Begegnung« zum Open-Air-Videofestival mit Würstelbraterei und Bierausschank gewandelt hat oder das international bekannte Tanztheater »IKARUS« aufgelöst wurde.

Derzeit haben Kärntens FP-Kulturpolitiker Kreide gefressen. Die Inthronisierung von Landeshauptmann Haider wollte man sich offensichtlich nicht durch Kulturproteste vermiesen lassen. Die bereits angekündigte Halbierung der Förderung für ausgewählte Kulturzentren wie das Universitätskulturzentrum UNIKUM wurde entweder als Mißverständnis hingestellt (es handelte sich bloß um den Bescheid über die Halbjahresförderung) oder zumindest ausgesetzt. Bezeichnet Haider Ende März noch Empfänger von Kulturförderungen als »ein paar versprengte Linke, die mit Ausserwinkler gut Freund waren«, so mutieren Cornelius Kolig, Kiki Kogelnik, Reimo Wakounig oder Maria Lassnig in seiner Antrittsrede als Landeshauptmann zur »Avantgarde der Hochkultur« - nicht ohne im gleichen Satz den »Kärntner Nestbeschmutzern im In- und Ausland« zu drohen.

Das alles passiert in einem Land, das mit seiner Wertschätzung - und daraus folgend Förderung für Zeitgenössisches - weit hinter anderen Bundesländern zurückliegt. An der Etablierung dieser tristen Situation haben Kärntens Sozialdemokraten durch Unwissenheit, Arroganz und Präpotenz jahrelang tatkräftig mitgearbeitet. Hier nur einige Beispiele:

1981 verweigert Kulturreferent und Landeshauptmann Wagner dem bereits im Rohbau stehenden Kommunalen Kino Klagenfurt die Förderung des Landes und besiegelt das Aus für diesen Neubau. Sein Argument: »Aufgrund meiner tiefgreifenden Kenntnis der Situation....(werden) Filme in einigen Jahren im Verleih schwer zu haben sein.«

1993 erklärt SP Landeshauptmann Ambrozy in einer von der IG KIKK organisierten Diskussionsveranstaltung die späte Förderauszahlung an freie Kulturvereine damit, daß er erst einmal bis Herbst damit zuwarte, was überhaupt an Anträgen reinkäme, damit er besser aufteilen könne. Die angereisten Nicht-Kärntner von der IG Kultur Österreich verblüfft vor allem der Umgangston: Das joviale »Du« verstärkte den Eindruck, daß der Herr Kulturreferent hier eher einen Haufen Verrückte denn Partner im kulturpolitischen Prozeß vor sich sieht.

Stadt-Kultursprecher Metelko verweigert der IG KIKK, der Interessensgemeinschaft der Kärntner Kulturinitiativen, eine Förderung mit dem Argument, daß man mit den Dachverbänden im Sport schlechte Erfahrungen gemacht habe. Von den Fördersummen, die Partnerorganisationen für ihre kulturelle Planungs- und Entwicklungsarbeit in anderen Bundesländern (z. B. die KUPF in Oberösterreich) bekommen, kann die Kärntner Organisation auch heute nur träumen.

Bei dieser jahrelang gepflegten kulturellen Bildungsarbeit darf es auch nicht verwundern, wenn man LH-Stv. Ausserwinklers Scheitern zum Teil seinem Engagement für eine kulturelle Öffnung zuschreibt (er hat es immerhin ermöglicht , daß die Wehrmachtsausstellung auch in Klagenfurt gezeigt werden konnte). Immerhin könnte SP-Chef Manzenreiter die derzeitige Situation dazu nützen, an einer zeitgemäßen Beziehung zwischen Kulturszene und Kärntner Sozialdemokratie zu arbeiten.

Kärntens Kulturschaffende halten derzeit still. Von dem von der Leiterin der Galerie Carinthia, Irmgard Bohunovsky, erhofften Schulterschluß ist derzeit noch wenig zu merken. Ein erstes Koordinationstreffen Anfang April bezeichnet UNIKUM Betreiber Gerhard Pilgram als fehlgeschlagen: zu viele waren der Einladung nicht gefolgt. Ob aus Angst oder in der Hoffnung, unter Haider zu den Gewinnern zu zählen, ist unklar. Allgemein erwartet man sich, daß Haider zuerst einmal den Spaltpilz in die Szene treibt. Eine finanziell ausgedörrte Kultur ist für derartige Taktiken natürlich durchaus empfänglich. Man sollte sich aber keine zu großen Hoffnungen machen: die paar Aushängeschilder für eine freie Kulturpolitik wird sich die FPÖ sehr genau aussuchen, der Rest wird in das Erbauliche, in events, oder das Volkstum umgeschichtet werden. Die Angst vor einem großen, bunten Chorland ist durchaus berechtigt.

Einzig das Klagenfurter Universitätskulturzentrum UNIKUM (das durchaus als Beispiel dafür gelten kann, welches kreative Potential in Kärnten vorhanden ist) hat sich auf die derzeitige Situation rasch eingestellt: Demnächst soll die »1. Kärntner Kurzschluß-Handlung« eröffnet werden. In diesem Geschäft in der Klagenfurter Innenstadt gibt es dann »Kurzschlüsse« zu kaufen: dies sind Gebrauchsgegenstände, Werkzeuge, Ausrüstungen oder Dienstleistungen, die von mehr als 40 Künstlern für den Kultur- und Sozialkampf entworfen wurden.

In der Zwischenzeit hat Umvolkungsexperte Mölzer dem neuen SP- Vorsitzenden und Villacher Bürgermeister Manzenreiter bereits die nächste Wahlschlappe vorausgesagt. Grund dafür: Der Kärntner Künstler Cornelius Kolig, von der FP heftig bekämpft und somit Mölzers Lieblingsziel in seinen Krone-Gastkommentaren, wird heuer den Kulturpreis der Stadt Villach erhalten. Gemäß Mölzer werden sich Kärntens Wählerinnen und Wähler, die Haiders Satz von der »ordentlichen Beschäftigungspolitik« rasch vergessen haben, daran sehr wohl erinnern. Was in einem Land, in dem der ORF auf der Regionalwelle zur Frühstückszeit ohne weiteres Liedchen wie »Schwarzbraun ist die Haselnuß« über den Äther schickt, durchaus befürchtet werden darf.