mai 1999

Peter Truschner
wenn und aber

In den Arsch der Stadt

Neulich, in einer Salzburger Amtsstube - das heißt, eigentlich begann alles im November 1998, als ich mich einmal gehen ließ, in eine Beamtenhand einschlug und völlig vergaß, das dies so gut wie gar nichts bedeutete. Und auch wenn die Verlängerung meines Arbeitsstipendiums für ein weiteres Jahr nicht unbedingt üblich war, verließ ich das Amt in der Gewißheit, daß die Chancen gut standen. Als ich bis April keine Benachrichtigung bekommen hatte, stand ich wieder im Büro einer dafür zuständigen Amtsperson. Im folgenden Gespräch gewann ich ein Bild, was sich die Person sowohl unter den Aufgaben ihres Amtes als auch unter dem Berufsbild eines Schriftstellers vorstellte. Eine Benachrichtigung, daß mein Ansuchen negativ bewertet wurde, war ich schon einmal nicht wert. Als ich Näheres wissen wollte, versuchte mich die Person abzukanzeln: »Wir wollen endlich Ergebnisse sehen.« In ihrem Blick erkannte ich, daß sie selbst wußte, daß eine solche Forderung bei einem Stipendium von öS 15000 in zwei Jahren absurd war. »Es geht ums Prinzip. Auf die Summe dürfen Sie da nicht schauen«, sagte die Amtsperson, und wollte mir damit das Recht auf etwas verwehren, was für abfertigungs- und pensionsfixierte Politiker und Beamte oberste Priorität hat: Geld. »Schreiben Sie etwa nur fürs Geld? Andere, die auch nicht schlechter sind als Sie, bekommen gar nichts.« Was bin ich für ein egomanes Abräumer-Schwein, das sich noch dazu weigert, die Konsequenzen der Kulturaushungerungspolitik der Stadt auf die eigene Kappe zu nehmen. »Außerdem kommen zuallererst immer die Institutionen. Qualiät spielt dabei keine entscheidende Rolle. Das wird eher nach gesellschaftspolitischen Kriterien bewertet.« Die Person glaubt vage an das Streuungsprinzip der siebziger Jahre: »Lieber alle ein bißchen, als ein paar wenige alles.« Woraus sich eine grobe Fehleinschätzung etwa der Mechanismen des aktuellen Buchmarktes ablesen läßt. Längst hat man erkannt, daß es sinnvoller ist, die Hoffnungsvollsten wirklich zu fördern als alle miteinader langsam verhungern zu lassen, wie es in Salzburg seit Jahren der Fall ist. »Gehen Sie doch da hin, probieren Sie es dort«, sagt die Amtsperson. Erst wenn ein Künstler sich in eine Nische verzieht, hat die Kulturpolitik der Stadt, scheint es, ihre eigentliche Aufgabe erfüllt. Auf daß man in einen Arsch nach dem anderen kriecht und so lange von Scheiße umgeben ist, bis man sie für seine natürliche Umgebung hält.