mai 1999

Didi Neidhart
gehört

SABOTAGE COMMUNICATIONS

Störungen, Parties & Irritationen zwischen Kunst und elektronischer Popmusik

Wo lassen sich heutzutage noch subversive Potentiale in Kunstproduktionen ausmachen? Sicherlich nicht mehr alleinig in »gegenkulturellen« Inhalten, die der Mainstream nur allzu gerne zur Modernisierung repressiver Toleranzmodelle und Kontrollmechanismen übernimmt. Schon der Fluxusbewegung und den Situationisten ging es daher auch um eine »Störung des Transportwesens und des Kommunikationssystems« (Justin Hoffmann), d. h., um gezielte Angriffe auf freie Waren- und Kapitalflüsse unter kapitalistischen Verhältnissen.

In diesem Feld operiert auch das zwischen Wien, Detroit, Tokyo, Colo-rado, Toronto und Leipzig agierende Sabotage Communications-Kollektiv (SC). Dazu »Chefideologe« Robert Jelinek: »Wir versuchen, das Bewußtsein für subtile Prozesse zu wecken und diese zwischen Rezipient und Medium in Gang zu setzen. Das erreichen wir, indem mit minimalen, streng komponierten Mitteln die Aufmerksamkeit des Publikums auf eine Irritation und somit auf eine vordefinierte Ausgangssituation gelenkt wird.«

So geschehen etwa bei den »Ganymed-Mixen«, die auf den ersten Blick wie ein Aufspringen auf den Neo-Disco/Electro-Retro-Zug erscheinen mögen. Immerhin waren Ganymed (die Band mit den Eumel-Faschingsmasken) in den 70ern mit ihrem Space-Disco-Hit »It Takes Me Higher« die einzige österreichische Band, die es vor Falco und neben Supermax (»Love Machine«) zu internationalem Ruhm brachte. Nur sind diese Aspekte für SC eher sekundär, wenn nicht sogar unwichtig wie Jelinek erklärt: »Ganymed werden seit Jahren von DJs aus dem Electro-Underground gespielt. Daß sie Österreicher sind ist ein Zufall. In den 70ern dachten sowieso alle, daß sie aus England oder Deutschland wären. Sie selber behaupteten, daß sie mit einem Raumschiff vom Jupitermond Ganymed gekommen sind und behielten selbst bei Interviews ihre Masken auf. Wenn es einen sogenannten »Austro-Pop-Aspekt« gibt, dann bezieht er sich darauf, zu zeigen, daß Leute wie Dolezal/Rossacher lügen, wenn sie immer wieder Falco und Opus als die einzigen international erfolgreichen Pop-Acts aus Österreich anführen.«

Gerade die »Ganymed-Party« Anfang März in Wien zeigte, wie effektiv popkulturelle und massenmedial angelegte Sabotagen sein können. Waren doch dem Medien-Hype um die »legendären Austropopper Ganymed« in Erwartung eines Ganymed-Live-Gigs nicht nur ein ORF-Seitenblicke-Team, sondern auch Rainhard Fendrich und Wolfgang Ambros auf den Leim gegangen. Allein der leibhaftige Anblick letztgenannter Herren auf einer »Techno-Party« führte zu Irritationen, die denen, der sich plötzlich auf einem Techno-Event wiederfindenden Austro-Pop-Gallionsfiguren, in nichts nachstanden.

Da die Aktionsfelder von SC weder inhaltlich, themenspezifisch noch geographisch vordefiniert sind, wurden mit den Unterlabels »Alibi Service«, »Fabrics Interseason«, »Cash - The Scent of Money«, »Turbulent Editions« sogenannte »Aktionsnischen« eingerichtet, von denen die seit 1995 existierenden Plattenlabels Sabotage Recordings und Craft Records (Alois Huber, Pomassl, Alex is My Bro, I-F, Potuznik, Le Car, Bannlust, Kodwo Eshun u.a.) den wohl größten Bekanntheitsgrad haben. Wobei sich die hier präsentierten Bereiche elektronischer Popmusik zwischen New Electronica, Drum'n'Bass, Ambient, Jungle, House und HipHop geradezu ideal zur Fortführung erprobter (Kunst-)Sabotagen mit etwas anderen Mitteln anbieten. Was früher öffentliche Telefonzellen mit »Bitte nicht stören«-Schildern, ein Polizeiauto mit einem »For Rent«-Kleber, ein U-Bahnsitz mit einem »Reserved«-Sticker und öffentliche Lifte mit Stufen oder den Kreideumrissen eines Mordopfers am Boden waren, manifestierte sich nun etwa auf der CD »Handle With Care« als CD-Rom-Track, der nach dem Abspielen den Computer für Stunden lahmlegt.

Beinah noch radikaler erscheinen in diesem Zusammenhang jene Veröffentlichungen, die sich mit den Mechanismen massenmedialer Musikrezeption auseinandersetzen. So unterschied sich die Pomassl-LP »Skeleton 2« vom Vorgänger »Skeleton« nur in punkto Cover und Tracktitel. Musikalisch war sie identisch mit der ein paar Monate zuvor veröffentlichten »Skeleton«-LP. Was sich jedoch verändert hatte, war die Medienberichterstattung. Dazu Jelinek: »Die »Skeleton«-LP wurde großteils ignoriert, verrissen oder im Schnellverfahren mittels Zitaten aus dem Promotext abgehandelt. Als »Skeleton 2« herauskam waren die selben Tracks plötzlich das ganz große Ding. Selbst Journalisten, die »Skeleton« vorher besprochen hatten, schrieben über neue Ansätze und stilistische Weiterentwicklungen. Das hat uns massiv vor Augen geführt wie ein Großteil des Musik-ournalismus funktioniert. Wir verfolgen diese eigenwillige Labelpolitik, weil es uns um das Stören und Unterwandern jener Spielregeln und Strukturen geht, die Medienrezeptionen und Distributionskanälen bestimmen.«

Folgerichtig macht diese Politik auch nicht vor hauseigenen »Aktionsnischen« halt wie Jelinek ausführt. »Am 7. Mai werden alle noch vorrätigen Schallplatten von Sabotage Recordings eingeschmolzen und auf der Tanzfläche des Wiener Flex asphaltiert. Da Vinyl zu 80% aus Asphalt und Teer besteht, werden die Schallplatten wieder zu Asphalt und bekommen eine neue Funktion. Danach werden keine weiteren Erscheinungen unter dem Namen Sabotage Recordings in den Handel kommen. Unser letztes Release ist die asphaltierte Tanzfläche im Flex, in die die Katalog-Nummer 40 eingebrannt wird. Das neue Label »Subetage« startet kurz darauf mit »Electro Juice, Vol. 2« seine Subsabotagen.«

Relikte dieser fluxusähnlichen Aktion werden im Rahmen der aktuellen Tour, die am 29.Mai auch beim Liquid Planet in der ARGE-Nonntal Station macht, als »Collector Items Packages« verkauft. Gleichzeitig erscheint in der edition selene ein Sammelband unter dem Titel »Sub-etage« (120 S., ca. öS 124.-).

Kontakt-Adressen:

P.O. Box 114. A-1053 Wien

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