juni-juli 1999

Wolfgang Karlhuber
gelesen

J.-F. Lyotard: Gezeichnet: Malraux. Zsolnay

Wien 1999

Lyotard über Malraux - when pop goes pop: der ikonische Denker der Postmoderne über eine linke Ikone der Zwischen-kriegszeit, der nach 1945 als Minister de Gaulles und Opponent des französischen Mai '68 auf ganz andere Weise »reüssierte«. Auch »intellektuelle Heroen« als Vorläufer der »Meisterdenker« haben ein Ablaufdatum und die Halb-wertszeiten des kulturellen Gedächtnisses sollten nicht überschätzt werden: also wer war eigentlich Malraux? Einer, der sich Mitte der 20er Jahre an den Aufständen gegen die Kolonialverwaltung Indochinas beteiligte - aber gleichzeitig der Plünderung von Tempelanlagen im kambodschanischen Dschungel überführt wurde; einer, der im Spanischen Bürgerkrieg eine Fliegerbrigade befehligte - aber nicht einmal ein Automobil zu chauffieren imstande war. Etc. Einer, der - aber: ein Aufschneider, ein Großmaul, ein Phantast? Jedenfalls einer, der Phantasien entzünden und die medialen Tastaturen seiner Zeit vor allem als politischer Rhetor bedienen konnte wie kaum ein anderer. Und Lyotard? Falls das Verfassen einer Biographie auch bedeutet, sich in eine Herkunftslinie einzuschreiben, so hat sich der leicht melancholische Verkünder des Endes der »Großen Erzählung« für seine grandiose Psychographie jedenfalls eine optimale Projektionsfläche gewählt. Mal-raux, dem an nichts mehr gelegen wäre, als sein Leben als exemplarisches zu gestalten, zerfiel es unter der Hand in glänzende Bruchstücke - und die werden jetzt im Pantheon zwecks Erreichen der Unsterblichkeit aufbewahrt.