juni-juli 1999

geschaut

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Am Salzachufer stehen »Steinkeile«

Sieben behauene und bemalte »Steinkeile« stehen in der Grünfläche am Salzburger Altstadtufer (Höhe Ursulinenplatz und Klausentor). Der in Salzburg lebende Architekt F. E. Schleindl hat sie zwischen 1990 und 1997 im Kiefer- Steinbruch bei Fürstenbrunn geschaffen. Für ihn symbolisieren Keile eine elementare Form. Sie sind auch Markenzeichen seiner Architektur und seiner Designs. Die »Steinkeile« sind rund drei Meter hoch, das Material ist Untersbergmarmor. Ein Kran konnte sie kürzlich in der Wiese zwischen Salzach und Müllner Hauptstraße plazieren, nachdem der Magistrat nun doch grünes Licht gegeben hat.

Die »Steinkeile« sind Teil des künstlerischen Land-Art-Projektes »Grad(t)wanderung«, das Schleindl gemeinsam mit seiner Lebens-, Arbeits- und Atelierpartnerin Elfriede U.-Hufnagl umsetzt. »Gradwanderung« weist auf die erste Arbeit genau am 45. Breitengrad im norditalienischen Po-Delta hin, »Gratwanderung« steht für den ungewissen Ausgang zu Beginn eines künstlerischen Vorhabens.

Seit 1993 setzen F. E. Schleindl und Hufnagl gemeinsam und unter dem Akronym FESHU in einigen Regionen Land-Art-Akzente aus verschiedenen Materialien. Außer den »Steinkeilen« sind das Ausgra-bungen, Felsbemalungen, Steinskulpturen und Flechtplastiken. Orte der »Grad(t)wanderung« sind das Festland und Inseln in Kroatien, der slowenische Teil von Istrien, die Po-Ebene in Norditalien, die Südsteiermark und Salzburg.

Die Werke im Zug der »Grad(t)wanderung« entstehen in Eigeninitiative und auf eigene Kosten des Künstlerpaares, sind jedoch kein Selbstzweck. Vielmehr stellen die Aufenthalte im mediterranen Ambiente Vorarbeiten für das Finden von Farben und Formen dar, die Hufnagl und Schleindl für architektonische und künstlerische Aufträge einsetzen. Beispiele für zuletzt gemeinsam realisierte Aufträge sind die Gebäude der »SKWB Schoellerbank« in Wien, Linz, Villach und Salzburg (Sterneckstraße 5; Universitätsplatz) sowie der Ritzerbogen in der Stadt Salzburg (Universitätsplatz).

F. E. Schleindl, 1942 in Lamprechtshausen geboren, betreibt seit 1982 ein Architekturbüro im - von ihm revitalisierten - historischen »Windenmacherhaus« am Ursulinenplatz. Neben dem eigenen Büro- und Wohnhaus hat er Häuser an der Steingasse, Linzer Gasse und auf dem Müllner Hügel saniert. Einer seiner Neu- und Umbauten ist die »Bank Austria« Ecke Rainerstraße/Auersperg straße.

Als »ausgesprochen Vielseitige« wurde Elfriede U.-Hufnagl, 1952 in Altmünster am Traunsee geboren, charakterisiert. Die freischaffende Künstlerin hat unter vielem anderen die Naturwissenschaftliche Fakultät in Freisaal mitgestaltet. Einige ihrer Arbeiten sind demnächst im Foyer des Berufsförderungsinstituts (BFI, Saint-Julien-Straße 2) zu sehen. Schon vor der Ausstellung im BFI kann man durch das »Werk-Fenster« im Haus Ursulinenplatz 7 einen Blick auf Projekte des Künstlerpaares werfen.

Hans Lindenbaum

Die Seele ist ein weites (Fußball)Feld.

»Frankreich, wir kommen.« Ein Drama in 3 Akten. Glaube, Liebe, Hoffnung - Österreich bei der Fußball-WM 98

Ginge es nach dem neuen österreichischen Fußball-Tycoon Frank Stronach, dann müßte eine Neuauflage dieses Filmdramas in neun Jahren nicht aus drei, sondern sieben Akten bestehen. Soviele Spiele benötigt ein Team derzeit, um ins Finale einer Fußball-WM zu kommen, und schließlich will der austro-kanadische Gschaftlhuber mit Österreich im Jahre 2010 den WM-Titel holen. Auf dem Weg dorthin möchte er noch schnell in der heimischen Liga einige Kreuzer verdienen. Also sollen aus Stadien rotweißrote Erlebnisparks mit im Keller gelegener Grottenbahn werden. Eine famose Geschäftsidee: schließlich wankt das grottenschlechte Gekicke »unserer Buam« auch zwischen Souterrain und Bassena. Aber österreichische Fans sind ja leidensfähig. Das zeigt auch der Film des gebürtigen Grazers Michael Glawogger. Einer jener Dokumentarfilme, man kennt das auch von Ulrich Seidls Arbeiten, bei denen durch ihre Konstruiertheit die Grenzen zum Spielfilm verwischt werden. In »Alltagsgeschichten«-Manier läßt der Regisseur ein Fan-Panoptikum zum Marsch vors Fernsehkastl antreten: den blinden Musiker, den gutbürgerlichen Bankrevisor mit seiner Mutter, den proletarischen Tschecheranten, den pensionierten alten Onkel Kurti - der von der guten alten Zeit, also von Sindelar & Co. schwärmt- , den Kindertrainer, die Großfamilie und den (Standard) Sportjournalisten Johann Skocek. Der hat natürlich mindestens seinen Robert Musil im Gepäck und liefert mit launigen Kommentaren einen Einblick in österreichische Befindlichkeiten - auf dem Platz und knapp daneben. Der prinzipiell gespaltene Österreicher pendelt zwischen Wien und den Alpen, zwischen Kaffeehaus und Fitneßstudio, zwischen Masochismus und Sadismus - womit wir wieder in der Grottenbahn gelandet wären. Ein Volltreffer ist der Film, wenn diese Typen ihre Neurosen und Deformationen, ihre Wünsche und Ängste bloßlegen. Oder in jenen Momenten, da die Anhänger der drei Gruppengegner (Kamerun, Chile und Italien) in ihren Heimatländern beim Kollektiverlebnis Fernsehen beobachtet werden, und Glawogger die national(istisch) gefärbten TV-Originalkommentare geschickt aneinandermontiert. Österreich wird von Peter Elstner, Bob Seeger und Hans Krankl würdig vertreten. Freude kommt auch beim Epilog auf: mit der Demontage des Deutschen Größenwahnsinnsreichs gelingt es sogar Kroatien, einmal der Menschheit einen Dienst zu erweisen.

»Frankreich, wir kommen«, ab 12.6. im Das Kino

DOC HOLLIDAY