juni-juli 1999

Christoph Lindenbauer

Staatsräson sticht Menschenleid

Der Salzburger Landtag unterläuft die internationale Menschenrechtskonvention

Dem Land Salzburg ist der Krieg im Kosovo wurscht. Wer sich jetzt daran erinnert, daß Landeshauptmann Franz Schausberger bei der Ankunft der ersten Flüchtlinge auf dem Salzburger Flughafen mit betretenem Gesicht Flüchtlingshände geschüttelt und Flüchtlingsschultern geklopft hat, dem sei von der Präsidialsitzung des Landtags Mitte Mai berichtet. Dort haben die Grünen den Antrag gestellt, die Flüchtlingsquote von derzeit knapp 300 auf 3000 zu erhöhen, um wenigstens so vielen Menschen befristeten Unterschlupf zu bieten, wie im Bosnienkrieg. Die Clubchefs der drei anderen Parteien darauf lapidar: »Das ist Bundessache.«

Weiters haben die Grünen verlangt, der Landtag möge ein Resolution an die Nato, die Uno und an alle Botschaften der Natoländer schicken, in der sowohl die Bombardements, als auch die Säuberungen der Serben verurteilt werden. Obwohl sich auch die Landtage von Wien, Ober- und Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg zu einer teilweise sogar noch schärferen Resolution durchgerungen haben, sind die roten, blauen und schwarzen Clubchefs in Salzburg auch in diesem Punkt der Ansicht: »Bund und Brüssel tun das Menschenmögliche für die Kosovo-Albaner, den Landtag geht das nichts an.« Der grüne Antrag durfte also nicht einmal auf die Tagesordnung der Plenarsitzung des Landtages.

Völkerrechtlich sei das aber mehr als bedenklich, sagt Michael Geistlinger, Völkerrechtsexperte der Universität Salzburg. Denn mit der Quotenregelung des Landes, des Bundes und aller anderen EU-Staaten werde die internationale Genfer Flüchtlingskonvention systematisch unterlaufen. Dort steht nämlich, daß es keine Zahlenbeschränkung für Flüchtlinge geben darf. Die Aufnahme von Flüchtlingen hat, so die von allen EU-Staaten ratifizierte Flüchtlingskonvention, ausschließlich nach humanitären Gesichtspunkten zu erfolgen. Wohlweislich reden sämtliche EU-Politiker von »Vertriebenen«, weil Vertriebene weniger Rechte haben als Flüchtlinge. Somit verweigern die EU-Staaten den Kosovo-Albanern den Flüchtlingsstatus, obwohl die Kosovo-Albaner, dem internationalen Gesetzestext zufolge, ohne jeden Zweifel als Flüchtlinge einzustufen sind.

Einzuklagen ist dieses Unterwandern der Genfer Flüchtlingskonvention vor dem internationalen Gerichtshof in Den Haag durch Einzelstaaten aller Kontinente. Doch natürlich will sich kein EU-Staat die eigene Flüchtlingsquote abstechen. Und die afrikanischen oder asiatischen Länder werden sich doch wegen der Kosovoflüchtlinge nicht die Wirtschaftshilfe aus Europa vermasseln. Wie so oft: Staatsräson sticht menschliches Leid.