juni-juli 1999

Christoph Lindenbauer

Der Künstler und der Kuckuck

Wegen möglicher Steuerschulden hat die Finanz einem Salzburger Maler die Bilder von den Wänden seiner Ausstellung weggepfändet

Horst Prem ist experimenteller Photograph und Maler und führt ein an Überraschungen und existentiellen Widrigkeiten reiches Leben. Der virtuose Pinselführer ist im Umgang mit Behörden nämlich alles andere als virtuos. Auch wenn - aus bürgerlicher Weltsicht - das Vorhandensein eines »Vogels« im Künstlerhirn nicht prinzipiell ausgeschlossen werden kann, gegen den Kuckuck war er machtlos. Die Geschichte:

Als pleitegegangener Photograph, der selbst in den geschäftlich besten Jahren nachweislich so gut wie keinen zu versteuernden Gewinn erzielt hat, wurde Horst Prem von der Finanz für das Geschäftsjahr 1994 (sein letztes) auf 80.000 Schilling Steuervorauszahlung eingeschätzt. Weil die ohnehin spärlich gesammelten Belege im längst aufgelösten Atelier versumpft sind, verweigert Prem die Abgabe einer, seiner Meinung nach, »hochgradig sinnlosen« Steuererklärung. »Wer im Auto schläft«, so erklärt der Maler den verständnislosen Beamten, »und mit 3500 Schilling im Monat durchkommen muß, der hat das Recht auf ein Leben ohne Zettelwirtschaft«.

Ja. Schnecken.

Im Juli 1998, wenige Tage nach der Vernissage der Ausstellung »unbenannt« mit 32 Ölbildern von Horst Prem, fährt ein grauer Lastwagen vor das Cafe und die Galerie Shakespeare in der Hubert-Sattler-Gasse. Die ebenso grauen Herren pfänden 16 Ölbilder mit der Gleichgültigkeit professioneller Exekutoren von den Ausstellungswänden, solange bis die mittlerweile durch Spesen und Zinsen auf stattliche 120.000 Schilling angewachsene Steuerschuld getilgt scheint. Dem sprachlosen Wirt bleibt nichts anderes übrig, als improvisierte affiches mit der Aufschrift »gepfändet« in die leergewordenen Bilderrahmen zu heften.

Wer glaubt , das war's, der irrt. Die Schuldenspirale beginnt sich erneut zu drehen, weil Lastwagenmiete und Überstunden der Beamten extra zu bezahlen sind. 20.000 Schilling bitte, Herr Prem.

Obwohl die Mutter des Künstlers die Bilder des eigenen Sohnes um 85.000 Schilling im Dorotheum ersteigert, muß sich der Zettelverweigerer einer gerichtlich verfügten Vorladung der Finanzbehörde stellen. Dort, wo normalerweise die Zahlungswilligkeit vermeintlicher Steuerhinterzieher fachkundig erhoben wird, prallt Weltbild auf Weltbild, klatscht Künstlerspucke auf Steuerakten, und werden gar nicht staatstragende Beleidigungen aus Beamtenmund gequetscht. Schließlich wird die verbale Rauferei im eben noch wohlgeordneten Beamtendomizil zu einer körperlichen, Akten fliegen in beiden Richtungen und endlich fliegen ganze Beamte auf ganze Künstler oder umgekehrt, da gehen die Angaben naturgemäß dras-tisch auseinander. Einzige Zeugin dieses ohnehin schon unschönen Steuerfalls ist die fünfjährige Künstler- tochter. Die mag jetzt auch keine Zettel mehr.

Ob der arg ramponierte Steuerakt Prem hiermit geschlossen werden kann, ist noch nicht klar, aber vielleicht hat die sprichwörtliche Geduld des Papiers in Horst Prem ihren Meister gefunden.