juni-juli 1999

Ulrike Ramsauer
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Frauen: Geld und Macht

Von »Geldzauber« und Gründerinnengroschen

Frauen reden zwar offen über ihren Geldmangel – ihr Wunsch aber, zu Geld zu kommen und an politische und wirtschaftliche Macht zu gelangen ist immer noch mit Tabus belegt. Zwei Tage lang ging es bei der hochkarätig besetzten Veranstaltung »Frauen: Geld und Macht«, die von Frauenkulturzentrum und Initiative Frau und Arbeit in Zusammenarbeit mit dem Kulturgelände Nonntal ausgerichtet wurde, darum, genau diese tabuisierten Zonen zu betrachten und zu beurteilen. Neben Luisa Francia, der Doyenne einer spirituellen Frauenszene, die in ihren durchaus gut besuchten Workshops rituelle Praktiken des »Geldzaubers« weitergab, war Marie Sichtermann geladen, die in der Nähe von Köln eine Projekt- und Unternehmensberatung für Frauen mit dem programmatischen Namen »Geld und Rosen« betreibt. Während einer Pause zwischen ihren Workshops äußerte sich Marie Sichtermann in einem Gespräch zur aktuellen Gründerinnen-Euphorie angesichts der angespannten Arbeitsmarksituation, zu dem jüngst in Österreich wieder stark diskutieren Modell »Karenzgeld für alle« und – nicht zuletzt – über Geld und Magie.

Die Jungunternehmerin – Goldmarie oder Pechmarie?

Marie Sichtermann berät seit Jahren Frauen, die sich eine neue Existenz aufbauen wollen. Zusammen mit ihrer Schwester, der Journalistin Barbara Sichtermann, hat sie 1992 ein Standard-Handbuch (»Den Laden schmeißen«) herausgegeben, das betriebswirtschaftliches Wissen für die Praxis aufbereitet. Werden nicht gerade Frauen, die auf dem Arbeitsmarkt wenig Chancen haben – Wiedereinsteigerinnen, Frauen ohne spezifische Ausbildung oder Frauen in strukturell benachteiligten Regionen – von seiten des Arbeitsmarktservice und nicht zuletzt auch von den Banken dazu veranlaßt, ein unverhältnismäßig großes Risiko auf sich zu nehmen? Das Problem sei vielschichtig, so Sichtermann, warum solle man nicht die Arbeitslosenstatistiken auch verändern können, wenn eine Frau von keinem Unternehmen mehr eingestellt würde. Die Wahl ist, entweder von der Familie abhängig zu sein, oder Initiative zu ergreifen. In einem solchen Fall wäre es gut, auch kleine Existenzen zu fördern. Der Staat könne ein gewisses Risiko mit übernehmen und den Bezug von Sozialleis-tungen wieder anbieten, wenn der Betrieb erfolglos sei. »Das ist eine Frage der Risikoverteilung. Im Prinzip wäre das eine Möglichkeit für Regionen, in denen Selbständigkeit kulturell nicht verankert ist, das ist oftmals in ländlichen Regionen und in Industrieregionen der Fall«, so Sichtermann. Die Ideen dürften den finanziellen Rahmen der Gründerinnen jedoch nicht überschreiten. In ihren Workshops , die Marie Sichtermann unter dem Titel »Die Lektion mit dem Geld muß gelernt werden« anbietet, werden strenge Maßstäbe an die diversen Ideen zur Betriebsgründung gelegt: Die Projekte müssen auf ihre Rentabilität hin durchgerechnet werden, und nicht nur das Konzept ist ausschlaggebend, sondern auch die Qualifikation, die die Frau für den speziellen Bereich mitbringt sowie ein besonderer Zugang zu den Leuten, die sie ansprechen will. »Es gibt nicht die Gründungsidee. Die Frauen haben Erfolg, die erkannt haben, daß sie Kontakte brauchen.«

Die Zukunft der Arbeitnehmerinnen angesichts einer angespannten Arbeitsmarktsituation kann nicht in der Gründung von Kleinunternehmen liegen. Sichtermann übersieht offensichtlich, daß viele dieser Selbständigen – trotz strenger Auflagen bei der Kreditvergabe – die ersten Hürden nicht schaffen: Ein Drittel der Klienten der Salzburger Schuldnerberatung sind – nach einer Presseinformation – UnternehmensgründerInnen, die mit durchschnittlichen Außenständen von 2 Mio. Schilling in Konkurs gehen.

Grundsicherung – Frauenperspektiven nach der Arbeitsgesellschaft

Eine Diskussion über eine mögliche Karenzgeldleistung für Frauen unabhängig davon, ob sie Sozialversicherungsbeiträge leisten, wird in Deutschland aktuell nicht geführt. Zu dem von konservativer Seite propagierten Modell, das in Österreich gerade von Gewerkschafterinnen heftig kritisiert wird, meinte Marie Sichtermann, es solle für Frauen nicht allzu attraktiv gemacht werden, sich der Mutterschaft zu widmen, weil Frauen erfahrungsgemäß nicht mehr in den Arbeitsprozeß hineinkämen: »Das ist eine Verdrängung vom Arbeitsmarkt mit einem billigen Mittel.« Frauen, die unabhängig sein und eigenes Geld haben wollten, könnten die Initiative ergreifen und sich in Gemeinschaft etwas anderes organisieren. Dieses Karenzgeld sei sicherlich ein Schritt zur Vereinzelung von Frauen und animiere nicht dazu, Probleme selbst in die Hand zu nehmen. Die Idee eines »arbeitslosen« Grundeinkommens, für die dieses Modell der Karenzgeldregelung eigentlich als Vorläufer gespielt wird, war innerhalb der politischen Linken während der achtziger Jahre in Deutschland durchaus Thema. Und auch Marie Sichtermann, die sich politisch links einordnet, kann der Vorstellung einer solchen Utopie nach der Arbeitsgesellschaft etwas abgewinnen. Davon ausgehend, daß genügend Arbeit für alle bald nicht mehr existieren wird, müsse man den Wert der Arbeit relativieren. Für Frauen, deren Arbeitsbiographien immer schon Unterbrechungen aufweisen, sei das bereits gegeben: »Ich stelle mir vor, daß die Gesellschaft eine Umbewertung der Arbeit zuläßt. Es werden Leute auch dafür alimentiert, daß sie andere Lebensformen entwickeln. Das wurde in Deutschland schon einmal diskutiert, als wir alle noch viel alternativer und linker waren.« Damals wurden Alternativen zum Leben im Familienverband ebenso erwogen, das Leben in Wohngemeinschaften auf dem Land oder das »wahlverwandtschaftliche« Zusammenleben, ohne diese Lebensformen mit Erwerbsarbeit verbinden zu müssen. »Der Vorteil einer Grundsicherung könnte sein, daß Menschen die Möglichkeit haben, etwas anderes auszuprobieren und vorzuleben. Ich glaube, daß Männer nicht die Phantasie dazu haben, gerade hier sind die Frauen gefordert.«

Fauler Geldzauber?

Angesprochen auf den Stellenwert, den ein Ritus wie Luisa Francias »Geldzauber« bei der Erlangung von Geld und Macht einnehmen kann, bestätigt Sichtermann am Ende des Gesprächs, Magie sei genau das Mittel, zu Geld zu kommen: »Mit dem Zauber des Geldes arbeiten ja auch die Männer, darum haben sie das.« Man müsse es haben wollen, sehen wie es sich vermehrt, auch die an der Börse Tätigen arbeiten mit Beratung spirituell an dieser Sache, sie haben nur Erfolg, wenn sie eine ausgezeichneten Spürsinn haben, ein solcher Geldzauber schult die Intuition, es geht darum, daß man sich intensiv damit beschäftigt und an die magische Qualität glaubt. »Die Frauenbewegung war immer antikapitalistisch. Frauen müssen beginnen, sich mit Geld zu beschäftigen, und der Anfang kann so aussehen.«

Indem es die Perspektive der Arbeitnehmerinnen absolut vermissen ließ, geriet dieses Symposium, das sich eine gesellschaftspolitisch brisante Thematik vorgenommen hatte, erstaunlich moderat. Zurück bleibt die Hoffnung, daß der Frauenbewegung der neunziger Jahre dereinst nicht vorgeworfen wird, sie sei unpolitisch gewesen.