juni-juli 1999

Thomas Neuhold
titel

Reiches Salzburg – arme SalzburgerInnen

Niedrige Einkommen trotz steigendem Regionalprodukt und hohen Lebenshaltungskosten

Salzburgs Wirtschaft – insbesonders die Fremdenverkehrswirtschaft - beginnt sich zu erholen. Laut Berechnungen der Wirtschaftskammer stieg das Regionalprodukt 1998 real um rund 2,3 Prozent. Nach einer etwa drei Jahre langen Schwächephase habe sich die Konjunkturlage 1998 spürbar gebessert, das Brutto-Regionalprodukt Salzburgs ist gegenüber 1997 um rund sechs Milliarden Schilling auf 176 Milliarden gestiegen.

Mit dieser Gesamtwertschöpfung nimmt Salzburg - gemessen an der Kopfquote - in Österreich weiterhin die wirtschaftliche Spitzenstellung ein. In der Statistik ergibt dies eine Wertschöpfung von 342.000 Schilling je Einwohner – vom Baby bis zum Greis. Dieser Wert übertrifft die gesamtösterreichische Kopfquote von 325.000 deutlich und bedeutet auch im Vergleich der EU-Länder einen Spitzenplatz.

Auch in der Arbeitsmarktstatistik liegen wir SalzburgerInnen im Vergleich nicht schlecht. Die Zahl der Arbeitslosen erhöhte sich um 0,9 Prozent auf rund 11.000 vorgemerkte Arbeitslose. Bundesweit stieg die Arbeitslosenzahl um 1,9 Prozent auf einen Stand von 238.000 Personen. Allerdings liegt Salzburg mit einer Arbeitslosenrate von 4,9 Prozent deutlich unter dem gesamtösterreichischen Wert von 7,2 Prozent und weist damit weiterhin die niedrigste Arbeitslosenquote aller Bundesländer auf.

Verschiebung zu Niedriglohnbranchen

Der Haken an der Geschichte: Arbeitsplatz ist nicht gleich Arbeitsplatz und nicht alle profitieren von der wirtschaftlichen Stärke des Bundeslandes. Nimmt man beispielsweise das Steueraufkommen als Maßstab für die Teilhabe am gesellschaftlichen Reichtum, dann läßt sich leicht ausrechnen, daß den reichsten 15.000 SalzburgerInnen genausoviel zur Verfügung steht wie den einkommensschwächsten 150.000.

Vor allem die Verschiebung zu den Niedriglohnbranchen dämpft die Einkommenssituation der SalzburgerInnen. Die Branchenstruktur - wenig Industrie, aber ein großer Anteil der Tourismus- und Bauwirtschaft - drückt das allgemeine Lohnniveau in Salzburg. Der Verlust von Jobs in den Hochlohnbranchen Industrie und Energie etwa in Hallein wird in der Arbeitsmarktstatistik zwar von Berufen in Niedriglohnbranchen aufgefangen, die Geldbörsen werden aber zusehends schmäler. Die mittleren Einkommen im Tourismus liegen beispielsweise um 20 Prozent unter denen von Industrie und produzierendem Gewerbe. Von den Teilzeitjobs gar nicht zu reden.

In Zahlen ausgedrückt heißt das: Die mittleren Brutto-Einkommen in Österreich lagen laut Arbeiterkammer 1997 bei 23.462 Schilling im Monat. In Salzburg verzeichnete die AK ein mittleres Einkommen von 23.220 Schilling, also ein Prozent weniger. Im Bundesländervergleich ist der Unterschied schon kräftiger spürbar. Ein/e Wiener ArbeitnehmerIn verdiente 1997 im Schnitt 24.833, ein Salzburger aber nur 23.220 Schilling, also mehr als 1.600 Alpendollar im Monat weniger. Die Kluft zwischen Frauen und Männern ist enorm. Salzburgs Männer verdienen um 46,6 Prozent mehr als Salzburgs Frauen.

Im Ländervergleich am schlechtesten verdienen übrigens die BurgenländerInnen (20.328 S), gefolgt von den Kärntner ArbeitnehmerInnen (22.268 S). Salzburg nimmt im Österreich-Vergleich nur eine Mittelposition ein,...

Teures, armes Salzburg

...aber nur in bezug auf das Einkommen. Bei den Lebenshaltungskosten steht Salzburg ganz oben. Es ist ja kein Geheimnis, daß die SalzburgerInnen pro Monat beispielsweise für’s Wohnen rund einen Tausender mehr zahlen als die WienerInnen aber weit weniger verdienen als ihre KollegInnen in der Bundeshauptstadt. In trockenen Zahlen ausgedrückt, liegen nach Berechnungen der Salzburger SPÖ die monatlichen Verbrauchsausgaben in Salzburg bei 33.600, in Wien bei 28.200 und im Österreich-Durchschnitt bei 31.200 Schilling.

Diese Schere produziert Armut. Der Sozialreferent des Landes, LHStv. Gerhard Buchleitner (SPÖ), spricht von 45.000 SalzburgerInnen, die »klassisch arm« seien. Allein in der Stadt beziehen 6.800 Menschen Unterstützungen aus der Sozialhilfe. Fast zwei Drittel davon verdienen regelmäßig, nur reichen die Einkommen nicht, um den minimalsten Lebensbedarf zu decken. Die AK schätzt, daß »zwei Drittel der armutsgefährdeten Haushalte den Weg zum Sozialamt aus Angst vor Stigmatisierung und Skandalisierung« nicht antreten würden.