juni-juli 1999

Thomas Neuhold
titel

Mehr als nur Reparatur

»Eine strategische Kehrtwende in der sozialpolitischen Arbeit«, diese Forderung findet sich in einem Positionspapier der Salzburger Arbeiterkammer zur politisch-wirtschaftlichen Lage in der Landeshauptstadt. Die Zahlen sind alarmierend: 6.800 Stadt-SalzburgerInnen sind bereits von der Sozialhilfe abhängig. Die Dunkelziffer derer, die sich nicht aufs Amt trauen, ist enorm. Die AK tritt für das Recht auf soziale Unterstützung und für den Ausbau des Sozialamtes ein.

Die Probleme von AlleinverdienerInnen, oder von Familien, die in die »Armutsfalle Kind« getappt sind, die Probleme von MindestrentnerInnen und von Arbeitslosen können freilich nicht nur mit einem teuren Ausbau der reparierenden Sozialpolitik behoben werden. Offensive Sozialpolitik heißt auch Wirtschaftspolitik für einen gesunden Branchenmix. Die in vielen Regionen des Bundeslandes herrschende Monopolstellung des Tourismus bedingt einen fatalen Kreislauf. Der Fremdenverkehr bedingt relativ niedrige Löhne, treibt aber die Lebenserhaltungskosten nach oben. Die Monokultur ist extrem anfällig für krisenhafte Entwicklungen in weit entfernten Herkunftsländern.

Zudem müßte endlich über das bis dato sakrosankte Sozialversicherungssystem nachgedacht werden. Immer weniger Menschen erreichen eine durchgängige Berufsbiographie. Aber genau die ist nach dem Versicherungsprinzip für die Mehrzahl der Sozialleistungen notwendig. Die Verteidiger des Dogmas sind vor allem reformunwillige GewerkschaftsfunktionärInnen und beamtete BürokratInnen, die aus ihren geschützten Werkstätten heraus das Versicherungsprinzip mit Gewalt aufrechterhalten wollen und sogar »fremde Gruppen« wie etwa KünstlerInnen und FreiberuflerInnen zur Finanzierung dieses Korsetts heranziehen. Nur mit einer Entkopplung von Sozial-leistung und Versicherungszeit kann auf Perspektive verhindert werden, daß immer mehr Menschen ohne ausreichende Versicherungsbiographie auf reparierende Maßnahmen angewiesen sein werden.