juni-juli 1999

Doc Holliday
gelesen

MIRA BEHAM: Kriegstrommeln. Medien, Krieg und Politik

München 1996 (dtv 30531)

Daß dieses nicht mehr ganz druckfrische Buch in unseren Breiten bislang noch kaum rezipiert wurde, muß wohl mit seinem, derzeit wieder brandaktuellen Thema zusammenhängen: Propaganda im und für den Krieg. Dabei ist diese Geschichte der Kriegsberichterstattung äußerst aufschluß- und faktenreich. Die Autorin illustriert die Problematik eines Journalismus in »Krisenzeiten« mit zahlreichen Beispielen, vom Krimkrieg im 19. Jahrhundert bis zu den TV-Kriegen der Gegenwart. Ein eigenes Kapitel beschäftigt sich mit den verschwiegenen Kriegen und warum wir über sie nichts wissen. Dabei handelt es sich durchwegs um bewaffnete Konflikte, die sich in der Dritten Welt und ohne eine direkte Beteiligung einer westlichen Elitenation abspielen. Eurozentristische Sichtweise, medienspezifische Probleme und politische Steuerung entscheiden in der Realität über die Nachrichtenproduktion. Ein besonders zynisches Beispiel liefert der Bürgerkrieg in Ruanda. Der Hauptteil des Buches beschäftigt sich mit den Kriegen in Ex-Jugoslawien. Kaum bekannt ist die von Beham gut dokumentierte Tatsache, daß die Regierungen Kroatiens, der bosnischen Muslime und auch die separationistischen Kosovo-Albaner die führende amerikanische PR-Agentur »Ruder Finn« verpflichtet haben, um bei Politikern und in den Medien in ein gutes Licht gerückt zu werden. Daß dabei ohne Rücksicht auf Verluste auch Lügen und Fälschungen verbreitet wurden, scheint heute kaum noch jemanden zu jucken. Der Krieg der Worte mutiert endgültig zur Schlacht der Lügen. Natürlich rechtfertigt die Autorin keineswegs die Verbrechen, die die serbische Soldateska begangen hat und sie zeigt auch den Widerstand von oppositionellen serbischen Journalisten gegen kriegshetzerische Artikel, die von der eigenen Regierungspropaganda »gefordert« wurden. Auf der einen wie der anderen Seite stehen ultranationalistische Gruppen, die in Funktion, Struktur und Interessen eher kriminellen Banden ähneln. Jeder Krieg ist eine schmutzige Angelegenheit. Aber mit dieser emotionalen Mobilmachung, dem Verschießen der geistigen Munition und der Produktion von Trugbildern verdienen schamlose Geschäftemacher auch noch besonders gut: PR-Agenturen und ihre Spindoktoren, Medien (wie CNN) oder einzelne »Starreporter«. Als Erkenntnis nach der Lektüre dieses Buches bleibt, daß man tunlichst jeder Kriegsberichterstattung, insbesondere dem einseitigen, für eine Seite Partei ergreifenden Bericht mißtrauen soll.