dezember 1999

Hans Lindenbaum
geschaut

Brauner Fleck in Berchtesgaden

Seit Mitte Oktober kann man in Berchtesgaden die »Dokumentation Obersalzberg« besuchen. Das Münchner Institut für Zeitgeschichte zeigt an geschichtsträchtigem Ort Aufstieg und Fall des Nationalsozialismus. Binnen Monatsfrist kamen rund 20.000 Besucher in die groß angelegte Schau.

20 Quadratmeter reichen für die Gegenveranstaltung, das kleine aber feine Geschäft einer Kunsthändlerin der etwas anderen Art. Ein paar Tage vor der Dokumentation eröffnet, setzt es jenen zweideutigen Büchern, Heften und Videos über Adolf Hitler, Eva Braun und Konsorten, die in Berchtesgadener Schaufenstern ohnehin nicht zu übersehen sind, eins drauf. Neben ein paar Militaria monarchistischer Prägung und anderen Sammelstücken, die sich irgendwo zwischen Kitsch und Kunst bewegen, wurde zum Beispiel um 6800 Mark Sepp Dietrich in Öl angeboten: der Gründer der Waffen-SS mit Pelzmütze samt Totenkopf-Ornament. Oder ein Zigaretten-Etui aus Silber, angeblich ein Weihnachtsgeschenk Hitlers für Braun, für knapp 20.000 Mark. Oder Abzeichen (»Eisernes Kreuz«) und Dolche für weniger Geld. All diesem Tand ist eines gemeinsam: jedes Hakenkreuz ist sorgfältig überklebt.

Es sei wie bei einem Porno-Laden, sagt man bei der Berchtesgadener Gemeindeverwaltung als einer der zuständigen Behörden: was man nicht zur Schau stellen darf, ist tatsächlich nicht zu sehen, obwohl alle wissen, was darunter ist. Das Hakenkreuz darf als »verfassungsfeindliches Symbol« zwar nicht mehr erzeugt, aber sozusagen mitverkauft werden, wenn es in Sachen aus der Nazi-Zeit enthalten ist. Öffentlich zur Schau stellen, das ist nach dem deutschen Strafgesetzbuch ebenfalls verboten. Das Pickerl über dem NS-Logo kehrt dagegen vor.

Bis zur Eröffnung hat Geschäftsinhaberin Pamela Körner alle ausgetrickst. Sie meldete beim Landratsamt in Bad Reichenhall Einzelhandel mit Antiquitäten an, das ist anzeige- aber nicht genehmigungspflichtig. Erst als in der lokalen Tageszeitung »Berchtesgadener Anzeiger« die Eröffnung des Ladens angekündigt wurde und die Geschäftsfrau meinte, in der ehemaligen Wahlheimat des »Führers« sollte es doch besonders große Nachfrage für Devotionalien dieser Art geben, schwante Politikern und Beamten Böses.

Seither taten sie, was bayerische und Bundes-Gesetze hergeben. Sie ließen den Staatsanwalt in Traunstein wissen, was vorgeht. Der schickte ein paar Mal Polizisten, die nur überklebte Hakenkreuze fanden. Mitunter, so ist zu hören, schleiche ein Promi inkognito ins Geschäft, um sich an Ort und Stelle ein Bild zu machen. Über das respektable Medien-Echo in der »Süddeutschen Zeitung« ebenso wie im Bayerischen Rundfunk, sonst eher selten Gast im Rupertiwinkel, ärgern sie sich diese ganz besonders. Wenigstens ganz unscheinbar sei der Laden, tröstet man sich über die eigene Hilflosigkeit hinweg. Möglicherweise bestehe dessen eigentliche Funktion darin, Leute aus der Gegend zum Verkauf von Dingen zu bewegen, die sie noch immer in Kellern und auf Dachböden haben. Schließlich stand 1945 für kurze Zeit dort Tür und Tor offen, wo vorher die Nazi-Elite unter sich war. Rege Nachfrage bis Nordamerika übersteigt vermutlich sogar das Angebot.

Wer ist diese Pamela Körner, die beteuert, sie sehe das alles nur wirtschaftlich? Sie kommt aus Baden-Württemberg und ist somit auch ohne ihr Gewerbe ein wenig scheel angeschaute »Zugroaste«. Kürzlich hat sie ihren Wohnsitz nach Berchtesgaden verlegt. Demnächst wird sie den ersten Bescheid über den Fremdenverkehrs-Förderungsbeitrag zugestellt bekommen. Und sie beweist auf ihre Art Geschmack, indem sie ihr Geschäft »Carinhall« nannte. Carin hieß die erste Ehefrau von »Reichsmarschall« Hermann Göring und Carinhall war ein Landsitz nahe Berlin, den der »dicke Hermann« ihr bauen ließ. Insider wissen das.