dezember 1999

Didi Neidhart
zu gast

Louie Austen & Mario Neugebauer

Wie soll der Rezensent nach diesem Abend den geforderten Pflichtteil Objektivität einhalten? Wurden hier doch die geheimsten Vorlieben und Abgründe genossen und tat sich im Saal des Kulturgeländes Nonntal für knapp eine Stunde die Vorhölle in Form einer Nachtbar auf (inklusive rotem Licht, Barhocker und Tisch auf der Bühne), in der nicht einmal mehr Spirituosen spirituelle Linderung und Seelenheil versprechen. Auch sei erwähnt, dass gebannt Fasziniertes sich nicht von der Stelle bewegen können, Gänsehautzustände und das Dastehen mit offenem Mund während des Auftritts von Louie Austen und Mario Neugebauer durchaus als kollektives Erlebnis zu bewerten ist. Da hätte es eigentlich gar nicht des Sinatra-Haders »Fly Me To The Moon« als Intro gebraucht um sofort zu wissen, dass dies kein gewöhnliches Konzert werden wird.

»Dieses Intro ist enorm wichtig«, erklärt Louie Austen, 53-jähriges Energiebündel, Dean Martin-Fan und im »Hauptberuf« unter anderem Barsänger im Wiener Hotel Marriott. »Ich bin seit 30 Jahren im kommerziellen Entertainment um Menschen fröhlich und lustig zu stimmen. Bis jetzt hatte ich jedoch nie die Möglichkeit auch die dunklen Seiten dieses Geschäfts zu beleuchten und auszuleben. Dieses bodenlose Zerstörtsein, das es in diesem Geschäft ja auch während eines Happysounds geben kann. »Fly me To The Moon« ist sowas wie ein Rahmen innerhalb dessen sich dann absolute Katastrophen ereignen. Deshalb behandeln meine Texte auch persönliche Erlebnisse, Gefühle, Erinnerungen und Versäumnisse.«

Die CD »Consequences« (Cheap) führt dann auch vor, was passiert wenn zu Easy Listening-Klängen in eine komplett andere, psychotische Welt reingekippt wird. Es gleicht jener Musik, die sich in psychischen Extremsituationen aus einem Big Band-Sound herausschält und als akustischer Alptraum im Hirn der Betroffenen pochend herumspukt. Vergleichbar in etwa dem brutalen Mafia-Mord in Martin Scorseses »Good Fellas« zu dem das liebliche »Atlantis« von Donavan erklingt. Diese filmischen Referenzen (die auch Werke wie »Shining«, »Twin Peaks« »Mean Streets« oder »Bad Lieu- tenant« miteinschliessen) kommen jedoch nicht von ungefähr. Nicht nur weil Louie Austen ausgebildeter Schauspieler ist, der dann auch Backstage ganze Szenen von Al Pacino-Filmen nachstellt.

»Als ich zum ersten Mal die Musik von Mario gehört habe«, so Austen«, hat das sofort Visionen und Stimmungen bei mir ausgelöst. Sowas ist mir noch nie passiert. Die Themen waren sofort schlüssig. Etwa »Dead Man Walking«. Ich habe den Track gehört und sofort gedacht, so muss es klingen, wenn jemand noch am Leben ist, aber durch eine kaputte Beziehung nicht mehr funktioniert, kein Herz, kein Gefühl hat, alles abgestorben ist.«

»Wir wollten auf alle Fälle nicht einfach Elektronik und Bargesang mischen,« ergänzt Mario Neugebauer. »Mir geht es um karge, schroffe, rohe Sounds, in denen Big Band/Jazz-Samples als eher mutierte Fremdkörper oder Echos aus einer anderen Welt kurz aufblitzen, eine gewisse Stimmung verbreiten, aber in einer ambivalenten Schwebe bleiben. Alles andere wäre Mainstream oder netter Listening Trip Hop geworden.«

Also falls Sie das nächste Mal in Wien sind, besuchen Sie doch die Bar im Hotel Marriott. Louie Austen würde sich darüber freuen und Sie wären sicher nicht die einzigen Nicht-Hotelgäste des Abends.