dezember 1999

Anton Gugg

Im Pelz der Selbstgerechten

Der Historiker Gert Kerschbaumer verpasstSalzburgs ruhigem Geschichts-Gewissen schmerzhafte Bisse

Hat sich Salzburgs wissenschaftlicher Chef-Fahnder in Sachen Beutekunst einmal in die Falten verdrängter Kriegs- und Nachkriegsgeschichte verbissen, ist er nicht mehr abzuschütteln. Gert Kerschbaumer ist überall dort zur Stelle, wo schlechtes Gewissen sich mit Überheblichkeit paart und ein eiskalter Wind aus Arroganz und Ignoranz die meisten Fragesteller jenseits offizieller Beauftragung vertreibt. Ideale Voraussetzungen für den Widerspruchsgeist dieses Forschers finden sich gerade in Salzburg, wo man österreichweit am allerwenigsten von »Stierlern« und »Schnüfflern« belästigt sein will und besonders neugierigen Historikern seines Schlages die Türe vor der Nase zuschlägt.

Zugegeben - Gert Kerschbaumer ist unangenehm präsent wie die sprichwörtliche »G'wandlaus«. Aber es gäbe für die Pelzträger - unter ihnen auch Berufsgeschichtler Landeshauptmann Franz Schausberger - probate Mittel, den hartnäckigen Kollegen nicht noch mehr zu reizen. Der politische Hausherr über das Salzburger Landesarchiv soll dem Vernehmen nach Kerschbaumer die Einsicht in das originale Inventarbuch der ehemaligen Salzburger Landesgalerie verweigern, weil dieses Hauptdokument der Kriegs- und Nachkriegs-Machenschaften unter anderem des legendären Galeristen und Nazi-Museumsdirektors Friedrich Welz archivintern bearbeitet wird.

Im Gespräch mit dem »kunstfehler« vermutet Kerschbaumer eine verordnete Strategie zwecks Zeitgewinn. Eine geradezu lächerliche Taktik angesichts der Tatsache, dass der scheinbar Ausgeschlossene ohnehin eine Kopie des betulich versteckten Dokuments besitzt und Gemälde für Gemälde auffälligen Ungereimtheiten nachspüren kann. Was Kerschbaumer fehlt, ist die Liste der Reinventarisierung von Werken, die nach dem Zweiten Weltkrieg und nach der Abwicklung von Restitutionen an Salzburg zurückgegeben worden sind. Kerschbaumers Zeigefinger gleitet geradezu lustvoll über die Zeilen der Bestandsaufnahme und stoppt dort nervös, wo vorerst unerklärliche Widersprüche evident werden. Bilder, die ausgewiesenermaßen nicht an Salzburg zurückgegeben worden sind, tauchen schließlich doch in den Beständen der nachmaligen Residenzgalerie auf. Wie kann es geben, was nach offiziellem Papier nicht sein darf ? Eines der vielen Fragezeichen, die Kerschbaumer in Forscherwut bringen. Was geschah wirklich mit Bildern, die offensichtlich versteckt und später unter einer Tuchent eingegliedert wurden, unter der so viele Kunstexperten, Händler und Politiker steckten und gemeinsame Sache machten. Was weiß zum Beispiel der hochangesehene Salzburger Universitätsprofessor Franz Fuhrmann, der in gewissen Protokollen genannt wird? Wie verläuft das Konspirations-Netzwerk zwischen damaligen Landes- und Bundespolitikern, Museumsleitern und mehr oder weniger berüchtigten Nazi-Piranhas, wie der zu Kustoden-Ehren gekommene Plünderer von Polen, Holland und jüdischer Wiener Villen, Josef Mühlmann. Welcher Erpressungs-Filz hat gleich nach dem Krieg um das opportunistische Verschiebe- Verschleierungs- und Marketing-Genie Friedrich Welz gewuchert, der sich Jüdisches in Form von Luxushäusern und reputationsreichen Galerien unter den Nagel gerissen hat.

Kerschbaumer arbeitet gerade an einem Buch über die sauberen Geschäfte des Salzburger Kunstmagnaten, dessen Gerissenheit selbst den Nazibonzen schließlich über die Uniformkappe ging. Der Landesgalerie-Direktor und Privatgalerist Welz ist eines Tages bei seinen Schutzherren in Ungnade gefallen und war knapp vor Kriegsende in Gefahr, an die Front geschickt zu werden. Betriebsprüfungs-Unterlagen geben Rätsel über Rätsel auf bezüglich Bilderverkäufern und Erwerbern sowie manipulierten Ankaufssummen und tatsächlichen damaligen Marktwerten. Ein reiches Feld für kriminalistische Recherche und Grundlage für ein Salzburger Sittenbild über das Schattenleben honorigster Herrschaften.

Aus welchen trüben Quellen hat Welz hauptsächlich geschöpft? Es liegen Aussagen eines seiner Hauptkunden, Baldur von Schirach, vor und auch in den Archiven des Louvre soll es konkrete Spuren der Salzburger Einkaufstouren geben. Dreihundert Mal hat sich Welz am französischen Sammelgut bedient und man geht nicht fehl in der Annahme, dass es sich wie beim österreichischen Billig-Shopping des Salzburger Kunst-Multis um jüdischen Besitz handelte.

Kerschbaumer will an eklatanten Einzelbeispielen die verschlungenen Geschäftswege von Kunstwerken illustrieren und jeden Irrtum vermeiden. Keine Fehlmeldung soll das Buch in ungerechtfertigen Misskredit bringen. Das Fall »Wehrmachtsausstellung« ist für den Salzburger Historiker Verpflichtung zu höchster Akribie.

Niemand hat bis heute Anspruch auf Salzburger Museumsbilder gestellt, halten verantwortliche Politiker befriedigt fest. Das könnte nur eine Frage der Zeit sein, denn oft wissen Nachkommen wenig bis nichts über den einstigen Kunstbesitz der Vorfahren. Auch die Tatsache, dass Bilder mit fragwürdiger Herkunft lange Zeit in Katalogen publiziert sind, seien kein Beweis für deren Unbedenklichkeit, relativiert Kerschbaumer die offizielle Zufriedenheit mit den Verhältnissen. Das erste kritische Buch über Friedrich Welz, seine Kumpane, Seilschaften und sein Umfeld könnten das Ende der Salzburger Selbstzufriedenheit bedeuten.