dezember 1999

Doc Holliday
wenn und aber

Das Rülpsen der (Unschulds)Lämmer

Das Oberkommando der Schutz- und Trutztruppen gibt bekannt: seit 10.November wird zurückgeklagt! Ein Datum, das sich alle linkslinken Gutmenschen einprägen sollten. Es markiert den Gründungstag der »Schutzgemeinschaft Freiheitlicher Wähler«. Wien war Schauplatz dieser von ehemaligen FPÖ-Würdenträgern vorgetragenen Kriegserklärung. Der frühere Staatssekretär im Finanzminsterium Holger Bauer führte die wehleidige Suada an: »Was derzeit mit den freiheitlichen Wählern aufgeführt wird, geht auf keine Kuhhaut mehr. Das reicht von Beschimpfungen über Unterstellungen und Verdächtigungen bis hin zu Übergriffen.« Keine Gefahr hingegen droht Ausländern oder Mitgliedern der jüdischen Gemeinde. Dass diese in letzter Zeit Anpöbelungen ausgesetzt sind, bestreitet Bauer. Der kommt im Übrigen auch aus den traditionellen Kaderschmieden der Nationalen, den schlagenden Burschenschaften. In seiner Studienzeit nahm er für den Geschichts-professor Taras Borodajkewicz, dessen Weltanschauung zwischen Austrofaschismus und Nationalsozialismus pendelte, Stellung. Bei einer Demonstration gegen den Antisemiten am 31.3.1965, die von 200 bewaffneten rechtsrechten Studenten angegriffen wurde, blieb ein Antifaschist tot vor dem Hotel Sacher liegen: der Pensionist Ernst Kirchweger, der als Kommunist das KZ überlebt hatte, nicht aber die Attacke des schlagenden Burschenschafters Günter Kümel. Bauer, den manche Medien noch immer als einen FP-Liberalen verkaufen, verstieg sich in der ZiB 3 zur Bemerkung, dass damals von ihm und seinesgleichen nur die wissenschaftliche Freiheit verteidigt worden sei. Die Umkehr von Täter- und Opferrolle ist eine altbekannte Strategie der Nationalen. Sie stand schon Pate bei der Schaffung einer anderen Schutzstaffel. 1947 gründete der damalige SN-Herausgeber Gustav Canaval in Salzburg den »Schutzverband zur Wahrung der staatsbürgerlichen Rechte«. Eine »Schutz- und Trutzgemeinschaft der Entrechteten«. Im Klartext: ehemalige Nazi-Parteimitglieder, die das ihnen damals noch verwehrte Wahlrecht einforderten.