dezember 1999

kurzfehler

Über Boulevardjournalismus, Hammelblut, die FPÖ und andere Peinlichkeiten

Sonja Wenger, SN-Lokalreporterin mit Hang zum Boulevard, hat ein Problem. Erstmals seit Jahren haben Teile der schreibenden Zunft in Salzburg das ungeschriebene Gesetz von den Krähen, die sich gegenseitig keine Augen aushacken, gebrochen und sich von der »Kollegin« deutlich distanziert. Im Vorstand der Journalistengewerkschaft verlangten einige RedakteurInnen eine offizielle Distanzierung von Wenger, da diese rassistische Hetze betreibe. Anlass für die Empörung über die »Salzburger Nachrichten« war Wengers Artikel über die Goethe-Siedlung vom 22. Oktober dieses Jahres. Darin wurde unter anderem die alte (erfundene) Geschichte vom Hammelblut, das vom Balkon tropfe, oder die der »Zigeunerin« als Geheimprostituierte aufgewärmt.

Zu einer offiziösen Stellungnahme der Gewerkschaft dürfte es aller Voraussicht nach nicht kommen. Aber vielleicht erklären uns einmal die Verantwortlichen (namentlich: Lokalchef Manfred Perterer und die Chefin vom Dienst des SN-Kleinformates Karin Zauner), wie so ein F-Geschreibsel in das Blatt kommen konnte. - jc -

Der Salzburger Künstler Bernhard R. [Anm.d.Red: Name auf eigenen Wunsch gekürzt] scheint sich um die Stelle des FPÖ-Kulturreden-Schreibers bewerben zu wollen. Wie anders ist es zu erklären, wenn R. in einem Leserbrief in den Salzburger Nachrichten unter dem Titel »Kulturpolitisches Notstandsgebiet« die Kulturverhinde-rungsphrasen des Boulevardjournalismus hinauf- und herunterbetet: »Landestheater, Mozarteum, Museen, Szene & Co« frönen bei R. »ein Leben als Attrappen und etablieren sich zunehmend als millionenvernichtende Stichwortgeber für Budgetvorschläge«. Damit nicht genug: Der Künstler ortet bei den Bauvorhaben Museum am Berg und Kulturgelände Nonntal »weitere kulturbürokratische Großtaten«, und allen gemeinsam sei sowieso »die jahrzehntelang geduldete Beweisführung ihrer inhaltlichen Leere«.

Mit dem Haiderschen Vokabelheft scheint R. allerdings noch nicht ganz fertig zu sein - fehlen doch Begriffe wie »Staatskünstler« noch in seiner Argumentation. Trotzdem: Würde der kunstfehler die »Zitrone des Monats« verleihen, hätte R. eine ganze Obststeige davon verdient. -hasch-

»Ficken und FPÖ« ist nicht der Titel eines Seminars zu Vermehrung von Haider-WählerInnen, sondern Thema einer höchst sinnstiftenden Wortspende von FPÖ-Gemeinderätin Haunsberger. Sie lehnte in der Kuratoriumssitzung des Literaturhauses Salzburg das Budget 2000 mit dem Argument ab, dass sie gegen eine Veranstaltung mit dem Titel »Wir ficken die Russen« sei. Eine Veranstaltung mit diesem Titel fand allerdings nie statt! Solcherart aufgeklärt war die gute Frau jedoch nicht mehr zu einer Meinungsänderung zu bewegen. Das Kuratorium übrigens lobte die »hervorragende Arbeit des Literaturhauses Salzburg« und genehmigte das Budget mit einer Gegenstimme. - hasch -

Arme Menschen. Sie sind in den letzten Jahren vor allem dadurch aufgefallen, dass Sie ein Finanzstrafverfahren am Hals haben und dass in Ihrem Namen Spendengelder auf die Seite geschafft wurden. Und dann wird auch noch Ihr Putzi krank? Falls Sie Habsburg heißen, schicken Sie unter »strategische Kommunikation« ein Fax an die Medien, die SN bringts mit Foto und das ORF-Studio Salzburg sendet’s sogar in den Morgennachrichten. Wer weiß, wozu man einen Thronfolger noch brauchen kann. - gröch -

Schluss mit lustig, zumindest am Karfreitag und am 24. Dezember. An diesen Tagen nämlich sollte auf Antrag der FPÖ die Abhaltung von Veranstaltungen verboten werden, die »den Charakter dieser Tage stören und möglicherweise die Bevölkerung verletzen«. Klubobmann Karl Schnell geht es mit dem Antrag darum, ein Zeichen zu setzen und »dem Kulturverfall vorzubeugen«. Das Veranstaltungsverbot wurde im Salzburger Landtag mit den Stimmen der ÖVP und FPÖ angenommen. - hasch -

Sagen sie es ruhig noch peinlicher: »Wir sind dagegen, weil das eine Minderheit ist«. Gemeinderätin Haunsberger (FPÖ) zur Ablehnung einer Investition für das Seelsorgeamt der »Katholiken des byzantinischen Ritus« im Kulturausschuss. - tömml -

»REICHTS?« – das fragen Privatpersonen und Organisationen wie die »Aktion Kritischer SchülerInnen«, die »Kinderfreunde«, die »Roten Falken«, SJ und VSStÖ, die Grünen StudentInnen, KJÖ, KSV und einige mehr angesichts der politischen Entwicklung in Salzburg, wo ja bei den vergangenen Nationalratswahlen die FPÖ stimmenstärkste Kraft geworden ist. Die neue Jugendplattform gegen rechts will versuchen, verschiedenste fortschrittliche Organisationen und Personen zu vernetzen, um dem Rechtsruck in Salzburg entgegenzutreten. Thematische Schwerpunkte sind Fremdenhass, Sozialabbau und Frauenpolitik. Eine eigene Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Vorbereitung einer Demonstration in Salzburg, die für den 10. Dezember (Tag der Menschenrechte) geplant ist. Die Plattform trifft sich jeden Dienstag um 20:30 in der KHG, Philharmonikergasse 2. - tom -

Zensur 1: Der Amtsvorstand lässt bitten: und zwar um die regelmäßige Vorlage der Zeitschrift »Kultinfo«, herausgegeben von der Jugendservicestelle. Der Zweck der Vorlage ist die amtliche Zensur - eine anonyme Karikatur (»Salzburg ist fad«) hat den Amtsschimmel aufgeweckt. Ingrid Tröger-Gordon kümmert sich in Zukunft persönlich um die jugendgefährdende Postille. Fadesse nun amtlich! - tömml -

Zensur 2: Zuviel Schamhaar ist den Salzburgern ein Graus! Anders ist es nicht zu erklären, dass das Plakat zur Ausstellung »Figuration« im Rupertinum von »anständigen« Bürgern überklebt oder zerrissen wurde. Das Bild des ameri- kanischen Malers Eric Fischl zeigt eine Frau, die im Begriff ist, ihren Slip auszuziehen. Da wurde einigen schon wieder mal zu viel zugemutet. - tömml -

Salzburger MusikerInnen benehmen sich schlecht! Diese er-schreckende Nachricht erhielten wir Anfang November. Hat sich doch die »Grupo Seibo« während eines Jazzbrunch im Hotel Holiday Inn unter dem Deckmantel südamerikanischer Rhythmen (Samba, Bossa Nova) in einer Art und Weise daneben benommen, die nur noch als skandalös zu bezeichnen ist! Nur den minutiös protokollierten Aufzeichnungen von »MOD« (»Master of Destruction«?) Peter Zimmerebner (ab »10:55 beim Aufbau«) verdanken wir eine ungeschminkte Schilderung des infamen Verhaltens der »Grupo Seibo«, die wir vom »kunstfehler« unseren LeserInnen natürlich nicht vorenthalten wollen.

So hatte der Drummer eine »Alkoholfahne und lief im Restaurant nur mit Socken herum (bei anderen Auftritten ganz barfuß!)« und wollte die Band doch wirklich nach dem Ende des Aufbaus frühstücken (»keine andere Band ist so unverschämt«). Zudem wurde »erst um 11:40 zu spielen begonnen« und »während dem Spielen auch fest Prosecco getrunken«. Damit jedoch nicht genug. »12:20 - 12:40 die 1. Pause: die ganze Gruppe hat sich einfach einen Tisch genommen sich am Buffet bedient«. Da MusikerInnen aber »erst nach 14:00 vom Buffet essen dürfen«, gab es Stunk. Dazu »Grupo Seibo«-Opfer Zimmer-ebner: »Ich wurde sogleich ungut angefahren«. Selbiges geschah bei der zweiten Pause. Dann hatte der Spuk endlich ein Ende (»14:05 zu spielen aufgehört«). Und für die »Grupo Seibo« ein Nachspiel. Denn, so Zimmerebner abschließend, bei »so einem unmöglichen Auftreten« sei die vereinbarte Gage nie und nimmer zu überweisen. Sein Fazit: »Meiner Meinung nach sollten alle Engagements dieser Band sofort gestrichen werden!!!« Gesagt, getan. - didi -

Acht Salzburger KünstlerInnen sollen im Dezember mit einem »fiktiven Mindesteinkommen von 6.000 Schilling drei Wochen zu je sechs Stunden« (ab 21. Dezember) miteinander in der Galerie 5020 verbringen, um »an Kunstwerken zu arbeiten«. Die Form dieser Arbeiten (u. a. zu Themen wie »Arbeit und Spaß«, »Kunst und Freizeit«, »Feierabend«) sei jedoch weder »ausschließlich an den Ort der Galerie gebunden« (Zwischenergebnisse werden zu Silvester im Salzburger Kunstverein präsentiert), noch werden die Ergebnisse mit persönlichen Signaturen versehen. Seitens der Galerie 5020 diene der Verzicht von Namenszuschreibungen und Urheber- schaften weniger der Hinterfragung, als vielmehr der längst fälligen und endlich auch praktisch zu vollziehenden »Aufhebung des klassischen KünstlerInnen-Subjekts« und richtet sich somit offensiv gegen jene »Auth-entizitäts- und Originalgenie-Mythen« des 19. Jahrhunderts, die auf dem Feld der Kunst auch heutzutage immer noch bzw. schon wieder wirksam sind (Diskussion dazu am 22./23. Dezember). Neben der Frage wie und ob dieses Unterfangen in der Realität überhaupt machbar und handhabbar ist, soll vor allem auch die »Situation Mindesteinkommen« hinterfragt und diskutiert werden (30.12.). Welche Konsequenzen würden sich dadurch für »künstlerisches Arbeiten« ergeben, in »welchen sozialen Räumen würden KünstlerInnen arbeiten«, wie würde sich das Verhältnis von »Kunst & Politik« (Diskussion dazu am 11. Jänner) gestalten? Jedenfalls gebe es viel Platz zwischen den Polen »So könnte es werden« und »Das können wir uns so nicht vorstellen«. Bleibt nur zu hoffen, dass die acht KünstlerInnen während der drei Wochen nicht ausschliesslich unter sich bleiben.

-didi-