november 1999

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HipHop Hooray!

Ein »kunstfehler«-Gespräch über die Salzburger HipHop Szene, Graffitis, Break-Beats, DJ Culture und Muttersprache

In Salzburgs HipHop-Szene scheint sich im Moment einiges zu tun. Besonders auf Seiten der AktivistInnen sind beträchtliche Zuwächse und rege Tätigkeiten zu vermelden. Mit dem Sampler »gold extra 1« (mit Dr. Azrael, Aegyd, Spiral Cut,Eljot, Serum, Circa Grün) gibt es zudem ein erstes Tondokument der momentanen, jedoch nicht nur auf HipHop beschränkten, Entwicklungen.

Um etwas mehr Licht in die ganze Angelegenheit zu bringen lud der kunstfehler zu einer Round Table-Gesprächsrunde bei der sich Didi Neidhart und Charlie Zechenter mit den DJs TW Nuszknacker (Dope Beats), Markus Grüner (Aegyd), der Veranstalterin Petra Schröckeneder (Cala/Lyrical Battlefield) und den Rappern/MCs Dr. Azrael (Klub Solarium), Timo (Angina Pectoris) und Werner (Absenz, MC Wez) über HipHop im allgemeinen und seine spezielle Bedeutung in Salzburg bzw. im deutschsprachigen Raum unterhielten.

DON'T STOP THAT BODY ROCK

Die Musik der Neunziger ist vor allem durch ständige Ausdifferenzierungen und fast nicht mehr nachvollziehbare Minitrends und Winzigstverästelungen geprägt. HipHop hat nun auch schon knapp 20 Jahre auf dem Buckel, zeigt jedoch eher wenig Ermüdungserscheinungen und ist immer noch für innovative Schübe gut. Gerade Stile wie Trip Hop, Electro oder Drum'n'Bass wären ohne HipHop undenkbar. Wie kommt das?

• TW Nuszknacker: Als DJ ist es die größte vorstellbare Herausforderung. Beim Spielen kreierst du eigene künstlerische Parts. Die Platten werden so bearbeitet, dass daraus ein komplett neuer Track entsteht.

• Markus: HipHop hat unendliche Variationsmöglichkeiten. Auf einem Free Style Jam zu spielen bedeutet Lust und Freude an der künstlerischen Freiheit. Im HipHop muss niemand auf Songstrukturen Rücksicht nehmen. Entscheidend ist der Groove und der Flow in den Rhymes der Rapper. Es ist die beste Dancemusic, die ich kenne. Auch dass HipHop rein musikalisch ausschliesslich auf afro-amerikanische Musik beschränkt ist, ist ein Fehlurteil. Das war in der Anfangszeit äußerst wichtig, auch um sich der eigenen schwarzen Ge-schichte bewusst zu werden. Heutzutage muss ein HipHop-Track nicht zwingend eine Funk-Line haben. Selbst der legendäre Afrika Bambaataa hat schon zu HipHop-Urzeiten immer wieder Loops aus Queen-Platten gespielt. Das macht auch den Spaß an HipHop aus - du kannst alles, von Märchensprechplatten über Jazz bis hin zu klassischen Streichern reintun. Es muss nur so gemixt sein, dass am Ende HipHop rauskommt.

JUST GIVE THE DJ A BREAK

Wenn von DJing und HipHop die Rede ist, geht es immer auch um »Break-Beat«-Culture als eine der ganz großen Innovationen in der Musik der letzten 20 Jahre. Wie ist diese Technik eigentlich entstanden.

• TW Nuszknacker: Das hat Kool DJ Herc Ende der 70er in New York entwickelt, als er auf seinen Plattenspielern immer wieder die selben Instrumental-Parts von Funk-Platten als rhythmische Schleifen abgespielt hat.

• Markus: Breaks haben einfach die fettesten Grooves. Oft sind die betreffenden Platten als Ganzes Schrott. Aber dann kommen diese acht Takte Break und du denkst dir »Wow!«. Das berühmte »Funky Drummer«-Sample von James Brown kommt auch erst im letzten Drittel einer elendslangen Nummer. Dadurch ist ein neues Tanzgefühl entstanden. Es gibt jedoch in Europa kaum DJs, die reine Break-Sets auflegen. Wer mit Original-Breaks arbeitet muss nicht nur schweinegut, sondern auch schweineschnell sein und das ist eher der verklärte Idealtyp.

• TW Nuszknacker: Solche Leute gibt es natürlich schon. Wenn du DJ-Teams wie X-Ecutioners siehst, ist es einfach nicht mehr zu packen. Du fixierst einen DJ eine halbe Stunde lang und kommst einfach nicht darauf, was er spielt. So war es auch bei der Ninja Tune-Night im Kulturgelände. Da ist alles zusammengekommen, worum es auf musikalischer Ebene gehen sollte: ein Riesenjam mit mehreren DJs, Live-Sampling und MCs.

• Markus: Dass die ganze Aufmerk-samkeit eher den MCs geschenkt wird, liegt daran, dass sie als Masters Of Ceremony und als Einpeitscher auf der Bühne im Vordergrund stehen. Deshalb ist der DJ in den 80ern auch immer mehr in den Hintergrund getreten.

Lag das nicht auch daran, dass MCs bzw. Rapper den Vermarktungsmechanismen von herkömmlichen Popstars eher entgegenkamen? Wenn man sich aktuelle HipHop-Videos aus den Charts auf MTV ansieht gibt es da ja nicht einmal mehr Alibi-DJs.

• Markus: Das kann so nicht gesagt werden. Im Techno werden nur DJs als Stars vermarktet. Aber es ist das Verdienst von Techno, dass DJs wieder als Auslöser für innovative Dancemusic wahrgenommen werden. Viele Techno-leute realisieren auch erst über den Umweg HipHop, was »DJ Culture« eigentlich bedeutet.

WILD STYLE GRAFFITIS

HipHop bedeutet nicht nur auf Musik reduziert zu werden. Neben Breakdance gehören besonders Graffitis als untrennbares Element dazu. Dummerweise spielt sich dabei das Meiste immer noch in der Halbillegalität ab.

• TW Nuszknacker: In den 70ern ging es darum den eigenen, künstlerisch gestalteten Namen über die Stadt zu verteilen. Deshalb waren U-Bahnen auch immer voll mit Graffitis. Da ist es zu regelrechten Style Wars zwischen den einzelnen Künstlern gekommen.

• Markus: Zuerst gab es nur Tags. Das waren verschlungene Namenskürzel, aus denen sich später Comicfiguren als Symbole für die Namen entwickelten. In den USA sind Graffitis jetzt erst wieder über den Umweg Europa gefragt.

• TW Nuszknacker: Dafür kannst du in den USA für ein Graffiti schon mal für zwei Wochen in den Knast kommen. Als unlängst HipHop-Leute aus Los Angeles in Salzburg waren, haben sie sich wirklich über die vielen Tags hier gewundert. Das ist zwar nichts im Vergleich zu Städten wie Hamburg oder Berlin. Aber wenn Leute aus Los Angeles über die Mengen an Graffitis in Salzburg schwärmen, zeigt das nur wie restriktiv die Situation in den Staaten ist.

Aber gehören Graffitis mittlerweile nicht zum Image jeder Stadt, die sich ein modernes, urbanes Flair verleihen will?

• Markus: Klar, aber eigentlich ist sowas ja der Tod von Graffiti. In Wien kannst du dir mittlerweile Graffitikünstler zum Ausmalen von Wohnzimmern bestellen. Das ist absolut absurd. Da werden Leute einerseits als Künstler gehandelt und gleichzeitig als Kriminelle verfolgt. Aber die Leute brauchen solche Jobs, damit sie ihre Geldstrafen, die sie zuvor eingefasst haben bezahlen können.

FREMDE ZUNGEN & MUTTERSPRACHE

Stichwort: »Rappen in der Muttersprache«. Das war doch in den Achzigern und frühen Neunzigern eine eher holprige Angelegenheit, die mitunter auch von eher peinlichen Eins-zu- Eins-Übernahmen US-amerikanischen Themen geprägt war.

• Markus: Das Hauptproblem bestand darin, dass die sehr politischen Sachen aus der Anfangszeit des deutschsprachigen HipHop, etwa Bands wie Advanced Chemistry (»Fremd im eigenen Land«), musikalisch eher unter jeder Sau waren. Das waren ultrawichtige Veröffentlichungen, aber die Idee eines sozialkritischen HipHop in Deutschland nach US-Vorbild kann als gescheitert betrachtet werden. Andererseits war HipHop gerade für Ausländerkids der zweiten und dritten Generation enorm wichtig, da sie Vieles adaptieren und auf ihre eigene Situation in Deutschland und Österreich umsetzen konnten.

• Werner: Im Gegensatz zur US-Szene, die stark von Themen wie Rassendiskriminierung geprägt ist, weil die meisten HipHop-Acts täglich damit konfrontiert sind, gibt es im deutschsprachigen HipHop eigentlich kein Hauptthema. Es ist im Prinzip zwischen den Fantastischen Vier, Absolute Beginner, Texta, Eins, Zwo, Schönheitsfehler, Massive Töne, 4 Sterne Deluxe, Fischmob, Total Chaos und Freundeskreis alles möglich. Das zeigt sich auch in der rasante Entwicklung die deutschsprachigen HipHop in den letzten paar Jahren gekennzeichnet hat.

Wenn es dieses »Teaching & Preaching« bzw. »Edutainment«, dass den politischen HipHop in den Staaten kennzeichnet bei uns nicht gibt, muss dann die hiesige Szene als eher un- bzw. a-politisch verstanden werden?

• Dr. Azrael: Ich denke nicht, dass die deutschsprachige HipHop-Szene unpolitisch ist.. Denk nur an Freundeskreis und die ganze Szene um die Kolchose in Stuttgart. Aber es geht nicht darum, die ganze Zeit mit einem politisch korrekten Zeigefinger herumzufuchteln. Ob du korrekt bist oder nicht, lässt sich sowieso nur an Hand deiner sozialen Praxen beurteilen. Als Rapper will ich wegen dem Flow meiner Reime Respekt bekommen und nicht weil ich die richtige politische Einstellung habe.

• Petra: Es geht darum, politisches Denken anzuregen, nicht es für die Leute zu übernehmen.

• Markus: Dieser ganze Zeigefinger-HipHop hat in den Staaten natürlich eine Vorgeschichte, die sich auch aus dem Scheitern der Bürgerrechtsbewegung erklärt. Da geht es vor allem darum ein Bewusstsein für die afro-amerikanische Geschichte zu erlangen, um die eigene Zukunft selber gestalten zu können. Aber wenn Ice Cube in Wien »The white men is the devil« brüllt und alle im Publikum schreien das nach, ist es natürlich nur noch peinlich.

Timo: Es hat auch wenig Sinn, bei einem Free Style Jam politische Botschaften zu predigen. Da geht es um momentane Eindrücke und deren sprachakrobatische Umsetzungsmöglichkeiten.

Daher Muttersprache?

• Dr. Azrael: Ja. Ich kann nur in einer Sprache freestylen wo ich gewisse Wortspiele und Sprachbilder auch machen kann. Rap lebt viel von metaphorischen und doppeldeutigen Wo-rtassoziationen. Das würzt den Flow zusätzlich. In Englisch würde mir sowas nie gelingen.

Inwieweit sind eigentlich noch jene HipHop-Debatten aktuell bei denen es um die Problematiken der Übernahme einer Musik ging, die ganz spezifisch mit sozialen, ethnischen und politischen Geschichten zusammenhängt.

• TW Nuszknacker: Das hat sich großteils überlebt. Wir wissen mittlerweile, dass ein Vorort von Salzburg, und mag er auch noch so desolat erscheinen, in keinster Weise mit einer Ghettosiedlung in Los Angeles gleichzusetzen ist.

• Petra: Es geht vielmehr um globale Netzwerke, um Möglichkeiten zum Austausch und zur Zusammenarbeit. Jeder hat in seinem Land andere Probleme. Aber man kann dagegen an einem gemeinsamen Strang ziehen.

Ist das nicht ein allzu idealistisches Bild?

• TW Nuszknacker: Aus meiner Sicht nicht. Nur wird bei uns HipHop hauptsächlich immer noch über das verfälschte Medienbild von Rappern mit Goldketten und Superbonzenautos wahrgenommen.

• Petra: MTV und VIVA! hämmern den Kids gewisse Klischees rein. Die stehen dann im Laden, sind todtraurig weil sie nicht schwarz sind und trinken Bier aus Papiersackerln wie in den USA. Da ist immer noch das Gangsta-Image bestimmend für HipHop.

• Werner: Die Reduktion von HipHop auf dieses Image hat auch viel zerstört. Als HipHop-Fan wirst du dadurch automatisch nur mit Drogen und Kriminalität in Verbindung gebracht.

UND SALZBURG...?

Seit knapp einem Jahr sind merklich Aktivitäten innerhalb der Salzburger HipHop-Szene zu bemerken. Sind das nun Einzelerscheinungen, oder tut sich wirklich was?

• Timo: Es gibt schon genügend Leute, aber der Provinzcharakter der Stadt macht alles eher beschwerlich. Wir wollen ja auch auf Konzerte gehen, um uns inspirieren zu lassen. Dafür müssen wir im Moment immer noch extra nach Linz oder Wien fahren. Das macht zwar Spaß, weil wir dort immer Leute aus ganz Österreich treffen, aber als Schüler hat man natürlich auch nicht soviel Geld, um uns das jedes Wochenende leisten zu können.

• Markus: Ein Laden wie »Dope Beats« ist als Kommunikationszentrum ganz wichtig. Dort kannst du nicht nur tolle neue Platten hören, sondern erfährst auch was sonst los ist, kannst dich mit Flyern versorgen und deine eigenen Sachen promoten. Wenn du mehr Leut, als die üblichen Verdächtigen ansprechen willst, ist das natürlich auch zu wenig.

• Azrael: Für die Szene wären Treffpunkte als Kommunikations- und Präsentationsräume enorm wichtig. Nur wenn sich Leute regelmäßig treffen und auftreten können, kann sich eine richtige Szene entwickeln.

• Marcus: In Salzburg haben wir es auch mit einer unglaublich miserablen Clubkultur zu tun. Als DJ hast du fast keine Auftrittsmöglichkeiten. Die Clubs, die es gibt, zeigen dir den Vogel, und dort, wo es möglich wäre, gibt es erstens wenig Kohle und spielst du zweitens eh wieder nur für ein erweitertes Wohnzimmer. Auch sind Veranstalter in Salzburg mit dem Thema HipHop nicht wirklich zurecht gekommen. Das war einfach nicht relevant und es fehlten die Bezüge.

• Petra: Da die Leute extrem jung sind, kannst du auch keinen Club machen, bei dem es erst um 22.00 Uhr losgeht, da sich dein Zielpublikum spätestens um Mitternacht nicht mehr legal dort aufhalten darf.

Wir danken für das Gespräch.