november 1999

Sonja Prlic
wenn und aber

Hammel: Tot

Die unheimlichen Geschichten, wie sie zuletzt in den Salzburger Nachrichten über die Zustände in der Goethesiedlung berichtet wurden, gäben Stoff für mehrere Steven-King-Filme. Das Blut von rituell geschlachteten Hammeln rinnt da angeblich den Nachbarn auf den Balkon, illegale »Zigeunerinnen«, deren Kinder in der Nacht »anders weinen«, werfen ihre Möbel den Balkon hinunter, verkehren mit Schleppern und Zuhältern, und »grüne Multi-Kulti-Ideologien schreiben vor, dass man Wohnungsprostitution zu ignorieren habe«. Natürlich darf da die Krone nach »Humanität auch für Inländer« schreien und sich eine Bürgerinitiative bestätigt fühlen, die fordert: »Salzburg soll Heimat bleiben, Österreich zuerst« und in einer Resolution »Keine weitere Wohnungszuweisung an Ausländer« verlangt, und »nachdem die Integration nicht funktioniert und offensichtlich nicht angenommen wird« vorschlägt, »die jeweiligen Kulturen in gemeinsamen Siedlungen unterzubringen«.

Einige Nachfragen lassen die Gruselgeschichten allerdings verblassen. Die Bosnierin, Frau J., (illegal in Österrech lebende Menschen erhalten keine Gemeindewohnung) bekam eine Wohnung zugewiesen, erhielt den Schlüssel für die Wohnung von ihrer Vorgängerin, obwohl ihr die GSWB wegen Urlaub des Zuständigen den Mietvertrag noch nicht ausgehändigt hatte. Tatsächlich warf sie die alten Möbel den Balkon hinunter. Bevor sie den Mietvertrag erhielt, sammelten die Nachbarn Unterschriften und Anschuldigungen gegen sie, worauf ihr der Mietvertrag verweigert wurde und sie schließlich den Räumungsbefehl erhielt. Frau J. lebt schon seit zwei Jahren nicht mehr dort.

Zur Beschwerde über die angebliche Wohnungsprostitution meinte Elisabeth Moser, damals Vorsitzende des Sozialausschusses, die Nachbarin habe weder Zuhälter bemerkt noch sei sie durch Lärm belästigt worden und versicherte, dass bei tatsächlicher Prostitution ganz klar einzugreifen sei, aber bei Gerüchten und Denunziationen nicht mit ihr gerechnet werden könne.

Auch die aufregende Hammelblutgeschichte konnte bisher leider noch niemand bestätigen.

Konflikte, die es unweigerlich gibt, wenn viele Menschen an einem Ort zusammenleben, können gelöst werden, zum Beispiel durch ein BewohnerInnenservice, wie es in anderen Siedlungen existiert. Artikel von angeblich seriösen Zeitungen, die unkommentiert Vorurteile abdrucken, tragen jedoch nur zusätzlich zum Schüren irrationaler Ängste bei und verstärken das allgemein ausländerfeindliche Klima.