november 1999

kurzfehler

Über die Bärengaudi, Herrn Hinz und Herrn Kunz, Scheiblingsder und Fritz Egger

Bärengaudi 1: Über 1000 BesucherInnen drängten am 23. Oktober ins Kulturgelände zur »Bärengaudi«, dem »anständigen Fest für die kleinen Leute«.

Die Veranstaltung war im Vorfeld Ziel heftiger Attacken seitens der FPÖ, die von »Diffamierung« sprach und diese sogleich einlöste, - sie vermutete beim Aktionstag »wohl eher selbsternannte Künstler« (»an uns« Seite 6).

87 KünstlerInnen standen gratis auf den drei Bühnen im Kulturgelände, 40 ehrenamtliche MitarbeiterInnen gewährleisteten einen reibungslosen Ablauf.

Der Reinerlös von über 20.000 öS wird von den VeranstalterInnen »gold extra« und »ARGE Kulturgelände« dem Verein »Brücke« gespendet, der sich zum Ziel gesetzt hat, AsylbewerberInnen zu unterstützen, die oftmals aus formalen Gründen aus der Bundesbetreuung fallen.

Die VeranstalterInnen danken an dieser Stelle allen Mitwirkenden und SpenderInnen!!!

Bärengaudi 2: In der Pinzgauer Gemeinde Lofer reichte ein Stofftier von der Größe einer Kaffeetasse, um einen geradezu bezirkstragenden Skandal auszulösen. Andreas Schmiderer, EX-ÖVP-Gemeinderat und Vorsitzender des Kulturvereins Binoggl plazierte ein sogenanntes »Jörgl-Bärli« mitten in einem Nationalrats-Wahllokal, nicht jedoch ohne das gute Tierchen vorher mit einigen »200er Nägeln« zu durchbohren. Das kurzerhand so zum »Voodoo-Bärli« umfunktionierte FPÖ-Wahlgeschenk wurde postwendend von Bürgermeister Kurt Pühringer beschlagnahmt. Aus den Reihen der FPÖ, ÖVP und SPÖ regnete es harsche Kritik über den »entstellten« Bären. »Voodoo-Meister« Schmiderer zeigt sich laut Pinzgauer Nachrichten jedoch unbeeindruckt und meint in Richtung FPÖ: »Einstecken habt ihr nie gelernt, ich darf euer erster Lehrer sein...«

Bärengaudi 3: Sehr geehrter Herr Mortier: Die Salzburger Festspiele und die ARGE haben doch mehr gemeinsam als man/frau auf den ersten Blick glauben mag. Zum Beispiel haben die Festspiele und die ARGE gemeinsame Feinde. Die Attacken der FPÖ gegen das Kulturgelände und den »kunstfehler« sind ja schon legendär. Neuerdings sind auch die Festspiele dran. In der September-Ausgabe des »kunstfehler« spendeten wir schon ihrer werten Präsidentin Trost, die ins Visier von FPÖ-Gemeinderatsklubchefin Doris Tazl geriet. Jetzt sind Sie dran, Herr Mortier! Ein Österreichbeschimpfer seien sie, sagt FPÖ-Landeschef Karl Schnell. Ein »Mini-Peymann« (was für ein Vorwurf!), der fristlos gekündigt gehört. Und das nur weil sie angeblich gesagt hätten, Salzburg sei »pro-nazistisch«.

Lieber Herr Mortier! Grämen Sie sich nicht über den Herrn Schnell. Rudolf Edlinger hat bekanntlich über Jörg Haider gesagt: Wenn er kein Nazi ist, ist er ein Depp. Na, was sagen wir über Herrn Schnell? Sehen Sie Herr Mortier, Sie können ja schon wieder lachen.

Kulturstättenumbauprioritätenfestsetzungskommission: Nach dem »Aus« für das Stadion muss die Bauindustrie nicht bangen. Eine Kommission aus Kultur- und Finanzbeamten soll ein Konzept erstellen, um folgende Projekte rasch zu realisieren: Bau des Land-Stadt-Museums, Umbau Kleines Festspielhaus, Investitionen Festspielhäuser, Sanierung Berchthold Villa, Sanierung Landestheater, Sanierung Künstlerhaus, SZENE Salzburg, ARGE Kulturgelände Nonntal. Die letzten sollen die ersten sein!

Da lacht der Hinz und es freut sich der Kunz. Denn das Land Salzburg hat beschlossen: »Die Firma vienna Entertainment die den Salzburger Jazz-Herbst veranstaltet, wird vom Land Salzburg so wie heuer auch im kommenden Jahr wieder mit 1,250.000 Schilling subventioniert. Über eine gleich hohe Subvention der Stadt Salzburg wird nach dem 25. November (Stadtbudget) weiter gesprochen.« Die Karawane zieht weiter, doch der Scheich ist durstig!

Junge Salzburger FilmerInnen haben diesen November erstmals die Gelegenheit, ihre Arbeiten einem Cineastenpublikum zu präsentieren. Eine ambitionierte Schau von Produktionen, die ausschließlich von Jugendlichen realisiert worden sind, wird im Filmkulturzentrum DAS KINO vom 12. bis 13. November gezeigt. Ausgerichtet wird das erste JugendFilm und VideoFestival mit dem frechen Subtitel »Klappe« von den Medienwerkstätten von Studio West, Aktion Film und Verein Kreativ in Zusammenarbeit mit dem Halleiner Jugendzentrum Zone 11 und dem Verein Spektrum. Auf dem Programm stehen die besten – aus über 70 Einreichungen ausgewählten – Kurzfilme und Dokus, sowie Experimentelles und Musikclips. Gerade wo andernorts um den künstlerischen Nachwuchs gebangt wird, bietet genau dieses Forum des jungen Films an der Salzach für die österreichische Filmszene möglicherweise eine interessante Chance – Prädikat: unbedingt sehenswert!

Euhamer Nachrichten nennt sich die SN-Beilage, mit der das Salzburger Affront Theater seinen zehnjährigen Geburtstag feiert und damit ziemlich übers Ziel schießt: Die schon fast peinliche Selbstbeweihräucherung gipfelt in gezählten 31 Fritz-Egger-Fotos auf 16 Seiten. Da haben schon weitaus profiliertere Kabarettisten weitaus höhere Jubiläen gefeiert, ohne dafür gleich einen ganzen Wald abholzen zu lassen. Toi toi toi, Ihr Größen, vielleichtkönnt ihr zu Beginn Eures zweiten Jahrzehnts ein paar Bäume zur Wiedergutmachung pflanzen.

Radiofabrik goes Millennium oder: Radiofabrik goes Christmas, Silvester und Heilige Drei Könige oder: Warum nicht einmal selbst eine Sendung gestalten? Ab 24. 12. wird das Freie Radio Salzburg unter dem ominösen Titel Radio Y2K erstmals täglich zu hören sein. Vorerst zwei Wochen lang. Möglich wird dies durch eine sogenannte Event-Funk-Frequenz (107,4 MHz), die bereits bewilligt wurde.

Ziel von Radio Y2K ist es, dass möglichst viele Leute selbst Radio machen. Radio Y2K stellt ein Medien-Experiment dar, wie es Salzburg noch nicht erlebt hat: zwei Wochen lang Meinungsvielfalt und Meinungsfreiheit, den Salzburgerinnen und Salzburgern wird ein eigener Radiosender zur Verfügung gestellt, sodass man ein ziemlich authentisches Bild der Befindlichkeit dieser Stadt zur Jahrtausendwende erwarten darf. Eingeladen sind Kulturstätten, Sozialinitiativen, Bildungseinrichtungen, Sportvereine, Menschen mit nichtdeutscher Muttersprache genauso wie Traditionsvereine, Kinder, Senioren und Jugendliche, Künstler und Kulturschaffende mit Bezug zu Salzburg.

Mehr Info unter: Tel. 842961, www.radiofabrik.at oder im Radiofabrik-Container vor dem Kulturgelände. Die Radiofabrik sendet derzeit jeden Mi. von 20.00-25.00 auf der Frequenz 94.0 Mhz.

Romana Rotschopf, Frauenbeauftragte des Landes und SPÖ-Gemeinderätin, freut sich: Die von ihr unter dem Deckmantel »Frauenförderung« ins Leben gerufene indirekte Parteienförderung wird fortgesetzt. Wie vom »kunstfehler« berichtet, startete das Frauenbüro vergangenes Jahr in Zusammenarbeit mit dem Institut für Politikwissenschaft an der Uni Salzburg einen eigenen Lehrgang für Politikerinnen. Die öffentlichen Hand finanzierte die Schulung der aktiven oder potentiellen weiblichen Parteikader mit rund 400.000 Schilling, obwohl dies ja eigentlich Aufgabe der hochsubventionierten Parteiinstitute, -akademien, Bildungswerkstätten und -foren wäre. Sogar die Innsbrucker FPÖ-Stadtparteiobfrau Evelyn Achhorner kam in den Genuss der vom Land Salzburg finanzierten Kaderausbildung.

Niederösterreichs Konzertlokalbesitzer listen in einer Broschüre auf, in welchen Lokalen Live- Musik geboten wird. Wer drinnen blättert findet seitenweise die Namen von Gaststätten mit Beifügungen wie »Discoabend mit Tanz«, »Disco-musik ohne Tanz«, »Clubbings mit Tanz«, »Blues, Irish Folk ohne Tanz«, »Stimmungsmusik mitTanz«, »Mechanische Musik mit Tanz«, oder »Klaviermusik ohne Tanz«, wobei man sich vor lauter mit oder ohne Tanz manchmal selbst in die Quere kommt (so wird in Mistelbach »Stimmungsmusik ohne Tanz« im Englischen zu »Musical entertainment with dancing«). Was man sich aber in Leopoldsdorf unter »Line Dance ohne Tanz« vorstellen darf?

Harald Friedl (»Scheiblingseder«, »Blaumarot«, Dokumentarfilmer, Schwänzebuch- und »kunstfehler«-Autor) ist Gewinner des diesjährigen Hans-Weigel-Literaturstipendiums. Der Preis ist mit 90.000.- dotiert und wurde für den in Arbeit befindlichen Roman »Der Fensterputzer«, die Erzählung »Bertas Welt« und die poetischen Liedtexte von »Blaumarot« verliehen. Die Juryentscheidung fiel einstimmig. Besonders hervorgehoben wurden die Dichte und poetische Kraft des Erzählstils.

Der kunstfehler gratuliert!