november 1999

geschaut

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Der Bahnbauer an der Autoschneise

Wer kennt den Mann aus Marmor auf seinem Podest an der Salzburger Schwarzstraße? An dieser Autoschneise, an der Rampe zur Raiffeisen-Tiefgarage mit ihrem gewaltigen »Überkopfwegweiser«. Eine Tafel lässt wissen: »Dem Erbauer der Alpenbahnen, Salzburg - Triest 1901 - 1907, Dr. Ing. Carl Wurmb, Die Ingenieure Oesterreichs«. Die Figur wendet den Kopf nach rechts, schaut auf den Zebrastreifen der Durchzugsstraße. Seinem Blick ist ein mickriges Nadelgehölz im Weg, das sich, im Interesse des Autoverkehrs arg beschnitten, durch seltsamen Wuchs Lebensraum sucht. Carl Wurmb steht erhaben in diesem würdelosen Ambiente.

In diesen Wochen fallen Entscheidungen für die Gestaltung des Platzes vor dem Hauptbahnhof (siehe dazu Seite 18). Im Oktober machte das Kulturamt der Stadt seinen Vorschlag für die Gestaltung des Südtiroler Platzes. Die Überlegung, das Denkmal von der Autopiste an die Eisenbahn heranzurücken, ist nicht enthalten.

Wer war Carl Wurmb? Als junger Ingenieur wirkt er unter anderem an Planung, Vorbereitung und Abwicklung von Bahnprojekten wie Brennerstrecke, Arlbergbahn, Salzkammergut-Lokalbahn und Murtalbahn mit. Er wird »Eisenbahnbaudirektor« für die am 8. Juni 1901 im »Reichsgesetzblatt für die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder« genannten (letzten!) großen Bahnbauten, die »Neuen Alpenbahnen«: Tauernstrecke, Pyhrnbahn, Karawankenbahn, Wocheinerbahn. Fertiggestellt bedeuten sie die jahrzehntelang geforderten neuen Routen zum Hafen von Triest.

Bis 1909 plagen sich 70.000 Arbeiter mit Krampen, Schaufel oder Scheibtruhe bei der Überquerung des Alpenhauptkammes im Hochgebirge. 1905 steht fest, dass das vorhergesehene Budget nicht ausreicht. Vorwürfe treffen Wurmb, er fühlt sich gedemütigt und tritt zurück. Im November 1906 erhält er das - erstmals vergebene - Ehrendoktorat der Technischen Universität Wien.

9. Februar 1907. Begräbnis von Carl Wurmb. Der »Oesterreichische Ingenieur- und Architektenverein« plant ein Denkmal für den Bahnbauer. Es soll bei einem der Portale des Tauerntunnels, im Salzburger Böckstein oder im Kärntner Mallnitz, errichtet werden. Bürgermeister und Salzburger Gemeinderat bemühen sich daraufhin, das Monument in die Landeshauptstadt zu bekommen - wurde doch Wurmb 1901 zu deren Ehrenbürger ernannt.

In einem Wettbewerb erhält der Wiener Bildhauer Hans Rathausky den Zuschlag. Er setzt seinen Entwurf um, stirbt aber, nachdem er die Figur fertiggestellt hat. Max Fabiani übernimmt die restlichen Arbeiten. Das Denkmal wird am 13. Oktober 1913 enthüllt. »Der Standort war von Anfang an ein Provisorium«, sagt Stadtarchivar Erich Marx.

Bilder aus den dreißiger Jahren zeigen das Monument von viel Grün umrahmt. Bis 1953 bimmelt die »Rote Elektrische« auf ihrer Fahrt nach Berchtesgaden am Monument vorbei. Allmählich kommt die Autolawine.

Der Stifter des Denkmals, der Ingenieur- und Architektenverein, schlägt jetzt die Übersiedlung auf den neugestalteten Südtiroler Platz vor - trotz des Einwandes, das Wurmb-Denkmal sei zu monumental. Beim Kulturamt ist man damit abgeblitzt. »Ich bin dafür, denn man muss Denkmäler im zeitlichen und thematischen Kontext sehen, und die stimmen dort«, sagt hingegen Erich Marx.

Weitere Etappe beim Ausbau der Tauernbahn: Wer südlich von Mallnitz noch einmal auf der spektakulären ursprünglichen Trasse fahren möchte, muss das spätestens am Samstag, 13. November, tun.

Hans Lindenbaum

BERGFILMFESTIVAL 99: Die wahren »Cliffhanger«

Vom 19. bis zum 30. November wird im Salzburger »Das Kino« wieder verstärkt der Ruf »Auffe, auffe muaß i« zu hören sein (bisweilen ist wohl damit die Bar im ersten Stock gemeint). Zum sechsten Mal findet nämlich das Bergfilmfestival statt. Einen Höhepunkt des Programms stellt zweifellos die Anwesenheit von Sir Chris Bonington dar. Der 64-jährige ist einer der bekanntesten Bergsteiger der Gegenwart. Er unternahm zahlreiche Erstbesteigungen und ist auch als Buchautor und langjähriger Vorsitzender des Alpine Club in Erscheinung getreten. Seine eigene gut 40-jährige bergsteigerische Lebensgeschichte sollte dabei Einblicke in die historische Entwicklung des Alpinismus und speziell des modernen Expeditionsbergsteigens liefern. Interessante Anekdoten kennt der Mann im Überfluss. 1962 verkaufte er etwa die Story der ersten britischen Eiger-Nordwand-Begehung an die Zeitung Daily Mail. Bonington startete zu dieser Tour vom hügeligen Londoner Stadtteil Hampstead aus - auf einem Motorroller. Außerdem wird der Film »The Seven Faces Of Everest« von John Paul Davidson mit Bonington zu sehen sein. Im September 1975 leitete er jene Expedition, die die ersten Briten auf das Dach der Welt führte. 1985 schließlich unternahm das Kletter-As seine vierte Tour zum Everest. Diesmal aber schloss er sich einer norwegischen Expedition an, mit dem Ziel selbst den Gipfel zu bezwingen. Das gelang ihm auch. Mit seinen damals fast 51 Jahren stellte er kurzfristig einen Altersrekord am Everest auf. Der hielt aber nur neun Tage. Natürlich bietet das Salzburger Bergfilmfestival noch zahlreiche andere Filme und Vorträge. So darf auch heuer Kurt Diemberger nicht fehlen. Zu dem preisgekrönten Film »Mont Blanc - der große Grat von Peuterey« zeigt der alte Haudegen einleitende Dias. Ein dokumentarischer Spielfilm, der erste den Sherpas über ihr Leben gemacht haben (»Khangri«), verdient ebenso eine besondere Erwähnung, wie die Tatsache, dass die diversen Facetten des Sportkletterns vorgestellt werden. Für ein dichtes Programm mit (weiteren) Höhepunkten ist jedenfalls gesorgt. Um die atemberaubenden Bilder und Geschichten zu genießen, müssen Sie gar kein Extrem-Bergfex sein. Und schwindlig kann einem auch an der eingangs erwähnten Bar werden, die für den nötigen (Filmreise)Proviant sorgen wird.

Genaue Programminformationen und Reservierungen im DAS KINO unter Tel.: 0662/873100.

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