november 1999

Gerald Gröchenig

Der Gendarm von Saint Gallen

Im steirischen St Gallen leitet der Gendarmerie-Postenkommandant einen äußerst erfolgreichen Kulturverein

Als Erich Mitterbäck 1962 als junger Gendarm nach St. Gallen kam, handelte es sich eher um einen Zufall: der Exekutivmeister im Schifahren wollte eigentlich nach Schladming, dort hatte man aber keinen Platz mehr für ihn. So landete er im Posten St. Gallen, und als er dann schließlich 1987 - wie er's nennt - mit der »Kultursache« anfing, hatte er schon die Wiedererweckung des Männerchors oder die Gründung des Burgenvereins hinter sich.

Heute ist der Obmann des Kulturvereins »Gallenstein« sicher der einzige Gendarm Österreichs, der einen Universitätslehrgang "Kulturelles Management" erfolgreich absolviert hat. Wenn man ihn fragt, was ihm von den Veranstaltungen der »Gallensteine« bis jetzt am meisten gefallen hat, dann nennt er weder Theaterabende noch Konzerte: Diskussionen, in denen es um die Verarbeitung gesellschaftlicher Spannungen geht, z. B. Minderheiten oder die Aufarbeitungen der NS-Vergangenheit, zählen für ihn zu den besonders wichtigen Herausforderungen. Gesellschaftspolitische Spannungen aller Art scheinen den Ehrgeiz des Postenkommandanten zu wecken, wobei er aber peinlich bemüht ist, sich vor keinen parteipolitischen Karren spannen zu lassen.

Als Ausgangspunkt für die kulturellen Tätigkeiten dient der Naturpark Eisenwurzen, für den sieben Gemeinden der Region gemeinsames Marketing betreiben. Ein Teil dieses Marketings ist das Kulturprogramm, und damit erreicht der Verein nachweisbar auch touristische Ziele. Genauso wichtig ist es Mitterbäck allerdings, mit den Veranstaltungen »die Leute der Region dort abzuholen, wo sie gerade stehen«. Und dann spricht er über Kultur als Impulsgeber, regionale Wertschöpfung, maßvolle Regionalentwicklung, Innovationsmöglichkeiten oder zukunftsorientierte Planung: selten kann man in einem Ort mit 1700 Einwohnern derartige Reflexionen zur Arbeit eines Kulturvereins hören.

Das Programm, das aus diesen Überlegungen resultiert, kann sich auch österreichweit sehen lassen: 50 - 60 Veranstaltungen werden pro Jahr organisiert. Dorfmusikanten sind dabei genauso zu finden wie Beispiele neuer Volksmusik, Rock-Open-Airs oder Abende mit Werken von zeitgenössischen Komponisten der E-Musik. Neben dem Festival im August mit Konzerten, Symposien, Vernissagen oder einem internationalen Jugend-Streichercamp gibt es ein durchgehendes Jahresprogramm (mit dem bezeichnenden Titel: »Über'n Zaun schau'n«) sowie eigene Reihen für Kinder oder Jugendliche. 1,1 Millionen Schilling zuzüglich die Förderungen der Gemeinden stehen dem Verein dafür zur Verfügung. Natürlich kommt ein Großteil des Publikums von außerhalb: kein Wunder, zählen die EinwohnerInnen aller sieben Gemeinden der Region zusammen gerade 6.000 Personen. Der Publikumszuspruch zeugt aber auch von der Qualität des Gebotenen: für eine x-beliebige Kulturveranstaltung nimmt man sicher nicht die langen Anfahrtswege in die Eisenwurzen auf sich. Daneben bieten Plätze wie die adaptierte Burg Gallenstein für einen Teil der Angebote sicherlich das ideale Ambiente.

Wie schätzt sich Mitterbäck in seinem Brotberuf als Gendarm ein? »Wenn ich danach bewertet werd, wieviel Strafmandate ich verteile, bin ich sicher kein besonders guter. Wenn's aber darum geht, ein feeling zu entwickeln, das ist in einem Ort notwendig, daß sich dort alle sicher fühlen, dass das Ortsleben funktionieren kann, dann sehe ich das schon eher als Aufgabe.«

Im Jänner 2000 feiert Mitterbäck seinen sechzigsten Geburtstag und könnte dann von heute auf morgen seinen Schreibtisch im Gendarmerieposten räumen. Für die »Kultursachen« wären dann noch mehr Kapazitäten vorhanden - und an Herausforderungen mangelts dem Herrn Inspektor, wenn er so um sich blickt, sicher nicht.