november 1999

Anton Gugg

Friedrich Welz – Avantgarde-Ikone in braunem Rahmen

Ein kf-Porträt des perfekt-opportunistischen Kunststrategen

Jahrzehntelang wurde in Salzburg der Name Welz mit höchster Ehrfurcht ausgesprochen. Der Gründer der hoch über den Dächern der Stadt angesiedelten »Schule des Sehens« und international anerkannte Galerist im Traditionsgeschäft im Herzen der Altstadt galt als unantastbare Persönlichkeit, umstrahlt mit geradezu päpstlicher Aura. Friedrich Maximilian Welz war sich seiner gloriosen Ausstrahlung und Wertschätzung durch die hohe Politik sehr bewusst und hat auf dieser Klaviatur höchst brillant gespielt. Ohne geradezu hypnotisierende Fähigkeiten hätte er einen keineswegs als Freund der bildenden Künste geltenden Landeshauptmann wie Wilfried Haslauer kaum dazu bewegen können, für die eigene, vergleichsweise unbedeutende Privatsammlung von Kokoschka-Druckgrafik und 100 Gemälde das Rupertinum zu institutionalisieren. Auf Welz hat man gehört wie auf keinen anderen Mann der Kunst, auf ihn wurden Huldigungsreden geschrieben wie auf keine andere Salzburger Persönlichkeit außer Karajan.

Seit das Schweigen um die Kunst-Machenschaften von Staat und Einzelpersonen vor, während und nach dem Zweiten Weltkrieg gebrochen ist und zweifelhafte bis kriminelle Praktiken bei der Beschaffung und Absicherung öffentlichen wie privaten Kunstbesitzes tagtäglich medial serviert werden, ist Friedrich Welz nicht mehr in aller Munde. Die Figur des einstmals bedenkenlos Gelobten ist bis heute keiner eingehenden Revision unterzogen worden. Welz ist heute entweder der radikal Verdrängte oder der undifferenziert Verdammte heimischer Kunsthandels- und Museumsgeschichte.

Eine sachliche Annäherung an den 1980 verstorbenen Händler und Verleger ist nicht gerade einfach. Ein Firmenarchiv der Galerie Welz, anhand dessen die Geschäftsbewegungen in den dreißiger und vierziger Jahren nachzuvollziehen wären, ist nicht vorhanden – ob nie eines existierte, eine vorhandene Buchhaltung verlorengegangen ist oder vorsätzlich vernichtet wurde, ist nicht überprüfbar. Bleiben also die Aussagen von Zeitzeugen.

Diese sind widersprüchlich genug und lassen ein stark schillerndes Porträt mit tiefen Schatten, aber auch lichten Partien entstehen.

Friedrich Welz scheint in allererster Linie ein mehr oder weniger skrupelloser Händler gewesen zu sein, der das Geschäftliche über alle Aspekte des Gewissens gestellt hat. Er agierte offenbar als virtuoser Künstler der Sympathiestiftung über alle ideologischen Gräben hinweg und proftierte, wo er konnte. Angeblich hatte er die längste Hakenkreuzfahne in der Sigmund-Hafnergasse, gerierte sich als Nationalsozialist, bevor dies legal war und trieb dann als NSDAP-Mitglied schwunghaften Handel mit Hitler-Pörträts. Das alles neben einem Galerieprogramm, das Begriffe wie »Entartung« nicht zu akzeptieren schien. Zuerst im Geschäft an der Schwarzstraße und dann im ehemaligen Rahmenladen seines Vaters im Schatten der Franziskanerkirche, war stets die Avantgarde zu Hause. Schiele, Kokoschka und die internationale Moderne wurden ausgestellt und an den Mann gebracht, als ob es keinerlei Künstlerhetze und Verfolgungen etwa des deutschen Expressionismus gegeben hätte.

Bei Welz kaufte Österreichs politische Prominenz, darunter Kurt Schuschnigg. Erst recht nach dem Krieg galt die Galerie als ungetrübte, höchst exklusive Quelle des Kunsterwerbs. Hier erstand man Werke von Kubin, Kolig, Wotruba, Thöny, Beckmann, Rouault, Toulouse-Lautrec, Chagall, Kirchner, Manzu und natürlich Kokoschka. Der Antifaschist und nebenbei gesagt der erklärte Feind der reinen Abstraktion hatte mit Fried-rich Welz lebenslange Freundschaft und Partnerschaft geschlossen.

Ein Verfahren gegen Welz nach dem Kriegsverbrechergesetz wurde 1950 eingestellt und danach fand es niemand für nötig, Fragen nach den Verquickungen von Geschäft und Museumsleitung, den »Einkaufsreisen« ins besetzte Paris für Baldur von Schirach, den Arisierungen der Wiener Galerie Würthle und der bedeutenden Sammlung des in Theresienstadt ermordeten Zahnarztes Heinrich Rieger zu stellen. Der überaus geschmeidige, »doppelgesichtige« Nazi- und Künstlerfreund verkaufte an die Landesgalerie, deren Leiter er während der NS-Zeit war. Bilder gingen hin und her und dies sicher nicht zu Ungunsten des genialen Profiteurs.

Manches hochkarätige Bild, etwa eine einst Viktor Zuckerkandl gehörende Attersee-Landschaft Gustav Klimts hängt heute in der Residenzgalerie. Ebendort schmückt auch eine Landschaft Anton Faistauers aus dem Besitz des aus Wien in die USA vertriebenen Galeristen Otto Nirenstein die Wände. Auch das heute superprominente »Bildnis Wally« Egon Schieles ist von der ehemaligen Würthle-Besitzerin Lea Bondi angeblich nicht ganz freiwillig und natürlich preisgünstig zu Welz gewandert – wie wohl so manches Kunstwerk aus Salzburger Versteigerungen beschlag-nahmten jüdischen Besitzes. Dennoch müssen die Beziehungen zu den braunen Machthabern schlagartig abgekühlt sein, denn Welz wurde kurz vor Kriegsende eingezogen.

Schon aus diesen wenigen Schlaglichtern auf das Leben des erfolgreichen Geschäftemachers wird das aus heutiger Sicht schwer nachvollziehbare Beziehungsgeflecht zwischen Faschismus und Moderne deutlich. Expressionistische, verfemte Künstler wie Albert Birkle hatten lohnende Aufträge in Berlin und Salzburg. Und einer wie Welz wurde mit allen »warm«, die seinem persönlichen Erfolg dienlich sein konnten. Er war zweifellos verstrickt in fragwürdigste Kunstbeschaffung, aber bei weitem nicht so tief wie das berüchtigte Halbbrüderpaar Kajetan und Josef Mühlmann, die konsequent Holland und Polen ausplünderten.

Friedrich Welz ist die vielleicht perfekteste Salzburger Verkörperung opportunistischen Strategentums, das gerade Kulturmenschen besonders ausgefeilt entwickeln. Die deutsche und österreichische Geschichte quillt über von solchen gewinnlerischen Jongleuren des Intellektes und der Moral.

Es ist höchste Zeit, dass sich Salzburg nicht nur mit der Ankündigung einer Geschichts-Revision zufrieden gibt und die prominentesten Figuren der Nachkriegszeit gründlich unter die Lupe nimmt.